Mindelheimer Zeitung

Der letzte Dienst an den toten Bergkamera­den

Der 80-jährige Toni Port aus Türkheim hat noch einen großen Wunsch: Er will nach seinem verunglück­ten Bruder und einem Freund suchen, die seit 60 Jahren im ewigen Eis des Walliser Weißhorns vermutet werden

- VON ALF GEIGER

Türkheim Es war genau heute vor 60 Jahren, am 21. Juli 1958, als das Unfassbare geschah: Die beiden Türkheimer Bergsteige­r Josef Port und Norbert Eberhard stürzen bei der Besteigung des Gipfels des 4405 Meter hohen Weißhorns im schweizeri­schen Wallis ab und verunglück­en tödlich.

Tatenlos mussten Luis Port, Andreas Schorer, Stefan Haugg und Karl Thalmair mit ansehen, wie ihre Freunde in die Tiefe stürzten. „Es war ein Moment der Unachtsamk­eit, da war es passiert“, sagt Toni Port heute. Sie waren an diesem Ausflug nur zu sechst unterwegs, die „Sieben Schwaben“aus Türkheim, die in den 1950er-Jahren so viele gemeinsame Bergtouren unternomme­n hatten. Einer fehlte: Anton „Toni“Port, der als Soldat in der Grundausbi­ldung ausgerechn­et an diesem Wochenende in der Kaserne in Mittenwald bleiben musste, keinen Urlaub bekam und daher nicht mit aufs Weißhorn steigen konnte.

Wenige Wochen später reiste der heute 80-Jährige dann aber doch noch nach Randa ins Wallis – um sich auf die Suche nach seinem ver- unglückten Bruder zu machen. Es gab leider keinen Zweifel daran, dass die beiden Bergsteige­r den Sturz und den freien Fall über gut 1100 Meter nicht überlebt haben konnten.

Doch die Leichen der beiden Türkheimer Freunde konnten nicht gefunden werden – bis heute nicht. Inzwischen leben von den sieben Berg-Begeistert­en Freunden aus Türkheim außer Toni Port keiner mehr. Und für ihn ist in all den Jahren der Wunsch immer größer geworden, seinen toten Bruder und seinen Freund Norbert Eberhard zu suchen, zu finden und in der Heimaterde in Türkheim begraben zu können.

Bislang erinnert nur eine Gedenktafe­l an der Pfarrkirch­e in Randa an die Tragödie. Diese wurde vom inzwischen verstorben­en Türkheimer Zahnarzt Anton Albrecht gespendet, der sich damals auch an den Suchaktion­en beteiligte.

Immer wieder war er deshalb in der Schweiz und musste immer wieder enttäuscht nach Hause fahren. Und jetzt, 60 Jahre nach dem tragischen Unglück, hofft Toni Port erneut, dass er seinen großen Wunsch doch noch erleben kann: Der Gletscher am Fuß des Weißhorns ist – wohl auch durch den Klimawande­l – so weit abgeschmol­zen, dass es jetzt berechtigt­e Indizien gibt, dass die vermutete Unglücksst­elle in diesen Wochen aus dem ewigen Eis treten und die sterbliche­n Überreste der beiden vermissten Türkheimer frei geben könnte. Toni Port wird deshalb im August oder Anfang September – je nach Wetterlage – in die Schweiz reisen, dort einen Hubschraub­er mieten und noch einmal nach dem toten Bruder und dem Freund suchen.

Und, auch wenn er es sich nicht anmerken lassen will: Toni Port ist immer noch ergriffen von dem Gedanken, seinen Bruder und den Freund für immer im Gletscher zu lassen: „Es lässt mich nicht in Ruhe, dass sie vom Eis freigegebe­n werden könnten und niemand bemerkt es...“, sagt er leise.

So groß ist die Hoffnung, so groß aber auch die Angst vor diesem zwar lang ersehnten, aber auch so schmerzlic­hen Moment: „Ich will meinen Bruder Josef und meinen Freund Norbert Eberhard diese letzte Ehre erweisen“, sagt Toni Port und blickt noch einmal auf die alten Fotos und Zeitungssc­hnipsel, die an das tragische Bergunglüc­k vom 21. Juli 1958 erinnern.

 ?? Fotos: Privatsamm­lung Port ?? Das letzte Foto der Bergsteige­rgruppe (von rechts): Josef Port (†), Luis Port, Norbert Eberhard (†), Andreas Schorer und Stefan Haugg. An der Kamera war Karl Thalmair. Im Hintergrun­d das Dörfchen Randa. Ein kurzer Moment der Unaufmerks­amkeit sollte genügen, um den beiden Bergsteige­rn den Tod zu bringen.
Fotos: Privatsamm­lung Port Das letzte Foto der Bergsteige­rgruppe (von rechts): Josef Port (†), Luis Port, Norbert Eberhard (†), Andreas Schorer und Stefan Haugg. An der Kamera war Karl Thalmair. Im Hintergrun­d das Dörfchen Randa. Ein kurzer Moment der Unaufmerks­amkeit sollte genügen, um den beiden Bergsteige­rn den Tod zu bringen.
 ?? Foto: Alf Geiger ?? Der Türkheimer Toni Port ist ein Bergsteige­r durch und durch. Der Verlust seines Bruders Josef und seines Freundes Norbert Eberhard bei einer Bergtour am Weißhorn beschäftig­t ihn Zeit seines Lebens. Jetzt will er die toten Bergkamera­den suchen und nach Hause holen. Das Unglück jährt sich genau heute zum 60. Mal.
Foto: Alf Geiger Der Türkheimer Toni Port ist ein Bergsteige­r durch und durch. Der Verlust seines Bruders Josef und seines Freundes Norbert Eberhard bei einer Bergtour am Weißhorn beschäftig­t ihn Zeit seines Lebens. Jetzt will er die toten Bergkamera­den suchen und nach Hause holen. Das Unglück jährt sich genau heute zum 60. Mal.
 ??  ?? Der Schicksals Berg: das 4405 Meter hohe Weißhorn im schweizeri­schen Wallis. Hier werden die beiden Türkheimer Bergsteige­r seit 1958 vermisst.
Der Schicksals Berg: das 4405 Meter hohe Weißhorn im schweizeri­schen Wallis. Hier werden die beiden Türkheimer Bergsteige­r seit 1958 vermisst.
 ??  ?? Toni Port (rechts) mit Schweizer Bergführer­n bei einer der zahlreiche­n Suchaktion­en am Weißhorn. Das Foto machte damals der Türkheimer Heiner Eidloth, der ebenfalls an der Suche teilnahm.
Toni Port (rechts) mit Schweizer Bergführer­n bei einer der zahlreiche­n Suchaktion­en am Weißhorn. Das Foto machte damals der Türkheimer Heiner Eidloth, der ebenfalls an der Suche teilnahm.

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