„Ich hätte es mir auch einfach machen können“
Ausgerechnet Kindergartenreferentin Cornelia Neugebauer muss sich in der Diskussion über die Erhöhung der Kindergartengebühren von vielen betroffenen Familien heftige Kritik anhören. Was die FW-Markträtin dazu sagt
Türkheim Die Erhöhung der Kindergartengebühren hat in Türkheim zuletzt hohe Wellen geschlagen und viele junge Familien verärgert. Vor allem Kindergartenreferentin Cornelia Neugebauer rückte ins Visier vieler Kritiker, die von ihr in dieser Funktion mehr Einsatz für junge Familien gefordert hatten. Wir sprachen mit der FW-Gemeinderätin.
Frau Neugebauer, wie oft haben Sie in den vergangenen Wochen schon bereut, den Posten der Kindergartenreferentin übernommen zu haben? Neugebauer: Gebührenerhöhungen sind für jeden Gemeinderat unangenehm, mit und ohne Referat.
Ist Türkheim nach der Gebührenerhöhung die teuerste Gemeinde? Neugebauer: Nein, im Krippenbereich liegen wir in allen Buchungskategorien unter den Beiträgen anderer Gemeinden. Auch die Geschwisterermäßigung ist im Vergleich bei uns großzügig geregelt. Abgesehen davon bin ich nicht der Meinung, dass sich die Kommunen innerhalb eines Landkreises die Gebühren betreffend einen Wettstreit nach unten liefern müssen. Blickt man nach Buchloe, kostet dort ein Ganztagesplatz in der Krippe monatlich 430 Euro, in Türkheim ab 1. September monatlich 230 Euro. Vergleicht man das Betreuungsangebot von Kommunen, liegt der Markt Türkheim sicher sehr weit vorn, ich behaupte mit an der Spitze.
Wie viele Vor-Gespräche mit Eltern, Elternbeiräten etc. gab es, ehe die Entscheidung im Gemeinderat anstand? Neugebauer: Mit Eltern viele, runde Tische mit Verwaltung und Elternbeirat gab es zwei. Sie haben plötzlich eine „Variante 4“auf den Tisch gelegt, der den Berechnungen der Verwaltung zumindest bei der Nachmittagsbetreuung entgegen stand. Warum haben Sie an Ihrem Vorschlag festgehalten, obwohl auch andere Vorschläge von der Kämmerei vorlagen, die die „Nachmittagsstunden“nicht beinhalteten? Neugebauer: Im Vorfeld zeichnete sich ab, dass sich eine Mehrheit bei „Variante 3“finden wird. Diese Variante beinhaltete die Reduzierung der Geschwisterermäßigung sowie die Erhebung einer zusätzlichen Monatsgebühr im Monat August. Meine Ziele waren eine gerechte Gebührenerhebung, die Entlastung von Familien mit mehreren Kindern und dass Eltern weiterhin im August beitragsfrei gestellt bleiben. Eine Familie mit zwei Kindern (1x KiGa, 1x Krippe) hätte bei einer Buchungszeit von acht Stunden in der Variante 3 jährlich 3060 Euro bezahlt, in der von mir vorgeschlagenen Variante 4 hätten sich für die Familie Beiträge von jährlich 2530 ergeben.
Würden Sie heute noch einmal so handeln?
Neugebauer: Ja
Die aktuelle Politik geht deutlich hin zur Förderung der Nachmittagsbetreuung. Entscheidet sich Türkheim dagegen?
Neugebauer: Türkheim unterstützt mit seinem Gesamtbetreuungsangebot die Vereinbarkeit von Familie und Beruf auf herausragende Weise. Ab 1. September haben wirbei den KiGa-Gebühren folgende Situation: In der Kernbuchungszeit von 4 Stunden täglich bezahlen Eltern einen Euro pro Betreuungsstunde. Eltern die zusätzlich die Betreuungsstunde 5 bis 10 benötigen bezahlen dafür 0,58 Euro je Stunde. Der Vorwurf, dass der Markt Türkheim Eltern die auf längere Betreuungszeiten angewiesen sind nicht unter- stützt oder gar benachteiligt ist nicht berechtigt.
Wurden dem Gemeinderat immer die richtigen Zahlen/Berechnungen und alle relevanten Unterlagen vorgelegt? Neugebauer: Davon gehe ich aus.
Angeblich gibt es ein Schreiben des Kreisjugendamtes, das die Türkheimer Beschlüsse kritisiert. Wann wussten Sie von dieser Stellungnahme? Vor oder nach der Sitzung, in denen Sie ihre Variante 4 einbrachten? Neugebauer: Die Gebührenerhöhung wurde am 17. Mai beschlossen. Am 6. Juni haben sowohl ich wie auch Bürgermeister Kähler das Landratsamt um eine Stellungnahme gebeten. Die Empfehlung des Landratsamtes lautet auf eine linearproportionale Staffelung der Elternbeiträge. Das Landratsamt macht in seinem Schreiben deutlich, dass die aktuell beschlossene Gebührenstaffelung rechtsaufsichtlich nicht zu beanstanden ist und die Entscheidung aufgrund dem kommunalen Selbstverwaltungsrecht dem Markt Türkheim obliegt.
Was halten Sie von dem Vorwurf, die Gebührenerhöhung sei „unlogisch, ungerecht und unsozial“?
Neugebauer: Am gerechtesten wäre der kostenfreie Kindergarten. Dies haben wir allerdings nicht in der Hand, diese Entscheidung liegt auf Landesebene. Mein Ziel war immer eine gerechte und soziale Gebührenerhebung. Deshalb habe ich mich von Beginn an für eine einkommensabhängige Gebühr eingesetzt. Aufgrund des hohen Verwaltungsaufwandes wurde dieser Vorschlag aber leider nicht weiter verfolgt.
Trotz Ihres Engagements kommt es jetzt zu einer Gebührenerhöhung von bis zu 43 Prozent, durchschnittlich 34 Prozent. Warum ist das so? Neugebauer: Erhöhungen von bis zu 43 Prozent ergeben sich dadurch, dass der Markt Türkheim bisher sehr niedrige Beiträge erhoben hat. Der monatlich fällige Beitrag ab 1. September hat sich im Kindergarten für die Betreuung bis zu acht Stunden auf 150 Euro (plus 30 Euro) und in der Krippe auf 200 Euro (plus 40 Euro) erhöht. Zusätzlich wurde beschlossen, dass der Beitragsmonat August nicht mehr gebührenfrei ist.
Ist es nicht vor allem die Aufgabe einer Kindergartenreferentin, die Sicht der Eltern und jungen Familien im Gemeinderat zu vertreten? Neugebauer: Als KiGa-Referentin ist es meine Aufgabe mich gesamtumfassend speziell mit dem Bereich Kindergarten zu befassen. Ich hätte mir die Sache KiGa-Gebühren sehr einfach machen können. Als gewählte Marktgemeinderätin habe ich jedoch eine Gesamtverantwortung für die Haushaltslage und als KiGa-Referentin speziell für die Kostenentwicklung im Bereich Kinderbetreuung. Diese Verantwortung lastet derzeit schwerer auf mir als die Versuchung hier populäre Entscheidungen zu treffen. In meinem gesamten Handeln habe ich versucht die Belange junger Eltern und Familien und diese Verantwortung unter einen Hut zu bekommen.
Wir hatten folgende Ausgangssituation: Die Jahresrechnung 2014 (letzte Gebührenanpassung KiGa) zeigte ein Ergebnis im Bereich Kinderbetreuung in Höhe von minus 915 000 Euro. Im Haushalt 2018 in Höhe von minus 1,492 Millionen Euro. Im Markt Türkheim haben sich die Aufwendungen im Bereich Kinderbetreuung in den letzten vier Jahren um 577 000 Euro erhöht. Das ist eine Steigerung von 63 Prozent. Mit dem Neubau von sechs Kindergartengruppen steht dem Markt Türkheim eine große Herausforderung bevor.
Die Eltern in Türkheim sowie die Kitaleitungen und angeblich auch das Landratsamt/Kreisjugendamt sprachen sich in den Vorgesprächen deutlich gegen Ihr Modell aus. Warum haben Sie dieses dem Gemeinderat dennoch vorgestellt? Ihnen wird vorgewor- fen, den Elternvertretungen bei den vorhergehenden Treffen Ihren Vorschlag („Variante 4“) vorenthalten zu haben? Stimmt das? Neugebauer: Die Variante 4, also mein Vorschlag, lag bei den Vorgesprächen nicht vor. Mit dem Kreisjugendamt gab es keine Gespräche im Vorfeld.
Wäre es nicht Aufgabe des Gemeinderates und von Ihnen als KiGa-Referentin, sich gerade für berufstätige/alleinerziehende Eltern einzusetzen? Neugebauer: Dies tun wir ständig. Der Markt Türkheim bietet ein hervorragendes zusätzliches Kinderbetreuungsangebot (Ferienbetreuung, Hort, Ganztagsklasse, Mittagsbetreuung etc.)
Die Verwaltung hat eine so hohe Gebührensteigerung ursprünglich gar nicht vorgesehen. Wie kam es aus ihrer Sicht zustande, dass der Gemeinderat am Ende sogar die Vorschläge der Verwaltung übertraf?
Neugebauer: Dass sich die Mehrheiten so gefunden haben ist einzig und allein der Kostenentwicklung geschuldet. Der finanzielle Handlungsspielraum der Kommune für Investitionen und für andere Aufgaben wird immer kleiner, mit dem Neubau von sechs neuen Kindergartengruppen steht uns eine große Herausforderung bevor. Wir nehmen die Kinderbetreuung als zentrale Aufgabe unseres Marktes sehr ernst, müssen aber feststellen, dass wir Kommunen immer öfter an unsere Grenzen stoßen. Hier wünschen wir uns eine stärkere finanzielle Unterstützung seitens Bund und Land für die Kommunen um die hervorragende Qualität zu bezahlbaren Elternbeiträgen weiter gewährleisten zu können.
Warum beschließt eine Gemeinde eine so plötzliche und hohe Gebührensteigerung, wenn sie im gleichen Zug auf staatliche Hilfen verweisen muss? Sollten Gebührenerhöhungen nicht grundsätzlich so gestaltet sein, dass sie keine Familie „hart“treffen? Neugebauer: Bürgermeister Kähler hat immer wieder deutlich gemacht, dass sich Familien, die die Gebührenerhöhung nicht schultern können und aus irgendwelchen Gründen keinen Anspruch auf Unterstützungsleistungen haben, ans Rathaus wenden können und eine Härtefallregelung geprüft wird.
In der ersten Gemeinderatssitzung bezeichneten Sie Nachmittagsbetreuung als „Trend, den man nicht aus der öffentlichen Kasse bezahlen möchte“, dafür ernteten Sie harsche Kritik. Können Sie verstehen, warum so ein Satz viele Eltern verärgert? Neugebauer: Ja, das Wort Trend habe ich benutzt. Die Definition laut Wikipedia lautet: nachhaltige Entwicklung. Ich habe in der Sitzung dargelegt, dass ein Grund für die Defizitsteigerung (neben anderen) das geänderte Buchungsverhalten der Eltern ist und inzwischen 40 Prozent der Kinder länger als sechs Stunden täglich im Kindergarten betreut werden.
Auch in der erneuten Gemeinderatssitzung haben Sie gegen den Wunsch der Eltern gestimmt, noch vor den Sommerferien erneut über die Gebührenerhöhung abzustimmen. Verstehen Sie den Vorwurf vieler Eltern, die sich nicht ernst genommen und mit ihren Sorgen allein gelassen fühlen? Neugebauer: Der Antrag der SPD richtete sich ausschließlich gegen die Erhebung der Gebühr ab einer Buchungszeit von mehr als sechs Stunden. Er lautete nicht auf erneute Diskussion im Gemeinderat. Die Beiträge für die Vormittagsbetreuung hätten sich trotzdem um über 40 Prozent erhöht. Ebenso wären Familien mit mehreren Kindern durch diesen Antrag nicht entlastet worden. Deshalb habe ich mich für die erneute Beratung im Mai 2019 entschieden.
Das Thema wird also nochmals diskutiert und zwar bevor der 12te Monatsbeitrag fällig wird und bevor die Geschwisterermäßigung reduziert wird. Die Verwaltung ist jetzt gefordert zusammen mit der KiGa-Leitung bis dahin die Kostenentwicklung KiGa zu analysieren und dem Gemeinderat darzulegen dass sie auch mit den zusätzlichen KiGaGruppen - die Kostenentwicklung