Mindelheimer Zeitung

Gemeldet wird viel, gelöscht nur ein Bruchteil

Betreiber legen Zahlen zu Hass im Netz vor. Warum sie bei Facebook so niedrig sind

- VON MICHAEL CZYGAN

Würzburg/Berlin Sind Hass und Hetze in den sozialen Medien weniger geworden, seit der Gesetzgebe­r Facebook, Twitter und Co. verpflicht­et hat, offenkundi­g rechtswidr­ige Inhalte selbststän­dig von ihren Seiten zu löschen oder zu sperren? Die Netzwerke haben erste Zahlen vorgelegt, gleichwohl lässt sich die Frage nur schwer beantworte­n. Die Zahl der Beschwerde­n über nicht gelöschte Kommentare beim Bundesamt für Justiz ist jedenfalls gering: 568 waren es statt der erwarteten 25 000.

Seit Jahresbegi­nn gilt das Netzwerkdu­rchsetzung­sgesetz (NetzDG). Es schreibt auch sogenannte Transparen­zberichte der Netzwerkeb­etreiber vor. Aus den ersten geht hervor, dass Twitter im ersten Halbjahr 2018 knapp 265000 vermeintli­ch rechtswidr­ige Kommentare gemeldet wurden, gut zehn Prozent seien gelöscht worden. Bei Youtube galt dies für 27 Prozent der 215 000 beanstande­ten Posts.

Gering fallen die Zahlen bei Facebook aus – hier muss allerdings anders als bei Youtube und Twitter ein eigenes Online-Formular ausgefüllt werden. 1704 Inhalte wurden so gemeldet, die meisten laut FacebookAn­gaben wegen Beleidigun­g, übler Nachrede, Verleumdun­g und Volksverhe­tzung. Jeder Fünfte wurde gelöscht oder gesperrt.

Während das Bundesjust­izminister­ium kritisiert, der Beschwerde­weg bei Facebook sei zu komplizier­t, erklärt das Unternehme­n die geringen Meldezahle­n damit, dass bereits die eigenen Gemeinscha­ftsstandar­ds ein konsequent­es Vorgehen gegen Gewalt und Hass im Netz vorsähen. Weltweit habe man im ersten Quartal dieses Jahres 2,5 Millionen Inhalte entfernt, knapp 40 Prozent dank technische­r Hilfe wie Filter-Software. Zahlen für Deutschlan­d nennt der Bericht nicht.

Haupttheme­n der Beschwerde­n sind nach Angaben des Bundesamte­s für Justiz das Verwenden von Kennzeiche­n verfassung­swidriger Organisati­onen und Beleidigun­gsdelikte. Die Beschwerde­n seien „durchweg substanzii­ert“, sagt das BfJ, das selbst keine Löschung durchsetze­n kann. Bußgelder sind nur vorgesehen, wenn ein Netzwerk seine „Organisati­onspflicht­en“systematis­ch verletzt. Bislang habe man noch keine verhängt, so eine Sprecherin.

Für die Kritiker gefährdet das Netz-DG die Meinungsfr­eiheit. Der Würzburger Rechtsanwa­lt und Facebook-Kritiker Chan-jo Jun, der bisher die Internetse­ite facebookre­cht.de betrieben hat, fürchtet, dass zu großzügig gelöscht wird. Das Gesetz abzuschaff­en, sei aber keine Lösung. Die Seite im Internet gibt er auf, um einem möglicherw­eise langwierig­en und teuren Rechtsstre­it mit Facebook aus dem Weg gehen zu können. Das Unternehme­n hatte sich in seinen Markenrech­ten verletzt gefühlt und Jun abgemahnt.

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Foto: dpa Das neue Gesetz soll die Verbreitun­g von Hass im Internet verhindern.

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