Mindelheimer Zeitung

„Wir stehen am Abgrund“

Die große Jodie Foster ist mal wieder im Kino zu sehen. Sie spricht über ihre Lehren aus einem Leben im Filmgeschä­ft und ihre Zukunftsso­rgen

- Interview: Patrick Heidmann

Ihre letzte Rolle als Schauspiel­erin liegt fünf Jahre zurück. Warum sehen wir Sie nur noch so selten? Jodie Foster: Nun, ich habe zuletzt einfach viel Regie geführt. Es war eine bewusste Entscheidu­ng von mir, mich darauf zu konzentrie­ren. Und ich hatte das Glück, spannende Projekte dafür zu finden, sowohl im Kino als auch beim Fernsehen. Ich habe nicht vor, die Schauspiel­erei an den Nagel zu hängen. Aber ich nehme eben nur noch Jobs an, die ich wirklich liebe. Nach 52 Jahren als Schauspiel­erin empfinde ich das als den größten Luxus überhaupt.

Was war es denn konkret, das Sie jetzt bei „Hotel Artemis“zurück vor die Kamera lockte?

Foster: Als ich das Drehbuch las, dachte ich die ganze Zeit: wow, wie unerwartet und frisch. Und genau das ist es, was ich suche, sowohl als Schauspiel­erin als auch als Zuschaueri­n. Leider werden Geschichte­n, die wirklich originell und neu sind, ja immer seltener; alles basiert nur noch auf Comics oder aufgewärmt­en Fernsehser­ien von früher. Obendrein gefiel mir bei „Hotel Artemis“ganz speziell die Art und Weise, wie diese Geschichte erzählt wird: als richtig cooler Actionfilm, der einen nostalgisc­hen Blick auf ein Retro-Los Angeles mit einer sehr futuristis­chen Dystopie kombiniert.

Fiel es Ihnen denn schwer, in Ihren „alten“Job zurückzuke­hren?

Foster: Kein bisschen. Wie sollte es auch? Ich stehe vor der Kamera seit ich drei Jahre alt bin, nichts habe ich in meinem Leben so oft gemacht wie Filme drehen. Das verlernt man ja nicht mal so eben, nur weil man es fünf Jahre nicht tut. Außerdem habe ich mich in der Zeit ja nicht unter irgendeine­m Stein versteckt und nichts mitbekomme­n, sondern weiter in der Film- und Fernsehbra­nche gearbeitet. Falls sich also am Filmemache­n etwas grundlegen­d verändert hätte, hätte ich das mitbekomme­n. Aber ehrlich gesagt ist alles beim Alten: von der Schauspiel­erin bis zum Beleuchter sind alle dabei, weil sie eine Geschichte erzählen wollen, die die Menschen bewegt.

Wann wurde Ihnen eigentlich klar, dass Sie letztlich Ihr komplettes Leben in diesem Job verbringen würden? Foster: Puh, was diese Frage angeht, befinde ich mich eigentlich dauerhaft in einer Krise. Und das schon seit meinem dritten Lebensjahr! In meiner Jugend warnte mich meine Mutter immer, dass ich als Erwach- sene keine Schauspiel­erin mehr sein würde. Sie war sich sicher, meine Karriere sei mit 16 oder 17 Jahren vorbei, und machte sich Sorgen, was dann aus mir würde. Also ging ich aufs College, aber letztlich arbeitete ich eben doch weiter vor der Kamera. Und meine Mutter warnte, vermutlich nicht unbegründe­t, nun würde es eben ab meinem 40. Geburtstag bergab gehen mit der Karriere. Die Frage, was ich statt der Schauspiel­erei machen würde, stand also immer im Raum. Aber vom Regieführe­n abgesehen kam ich bis heute nicht dazu, sie wirklich zu beantworte­n.

„Hotel Artemis“spielt im Jahr 2028. Haben Sie Angst davor, wo unsere Gesellscha­ft in zehn Jahren stehen wird? Foster: Ich bin mir wirklich nicht sicher, wie viel Hoffnung angesichts unserer Zukunft angebracht ist. Momentan befinden wir uns ja an einem sehr interessan­ten Wendepunkt. Und zwar in jeder Hinsicht, politisch ebenso wie kulturell oder in Umweltfrag­en. Ich glaube, wir stehen am Abgrund – und sehen sehr deutlich, dass es dort unten verdammt düster ist. Die Frage ist jetzt, ob wir kopfüber dort hinunterst­ürzen oder vielleicht doch diesen Moment des Bewusstmac­hens nutzen, um innezuhalt­en und womöglich doch noch etwas zu verändern.

Welche unserer Probleme machen Ihnen die meisten Sorgen? Foster: Da gibt es natürlich verdammt viele. Eigentlich verdeutlic­ht „Hotel Artemis“einiges sehr eindrückli­ch. Ganz Los Angeles ist ohne Wasser, denn das bisschen, was es noch gibt, wurde privatisie­rt. Nicht vollkommen unrealisti­sch, so ein Szenario. Werden sich bald nur noch die Reichen das Wasser leisten können? Die immer größere Schere zwischen Arm und Reich, dazu die Krise des Gesundheit­ssystems, sich rasant verändernd­e technologi­sche Möglichkei­ten, Polizeigew­alt und die Militarisi­erung der Polizei – alles, was in unserem Film vorkommt, ist ja im Grunde auch jetzt schon präsent und sollte uns allen Sorgen machen.

Würden Sie selbst denn im Rückblick unterschre­iben, dass Sie es als Frau immer schwerer hatten als die Männer?

Foster: Wissen Sie: Als Frau lernt man von Kindesbein­en an, dass man mit anderen Augen gesehen wird als ein Mann – und entspreche­nd auch selbst die Welt anders sieht und erlebt. Das ist überall und immer so, in der Schule, an der Tankstelle oder an einem Filmset. Und ja, ich würde absolut sagen, dass wir es schwerer haben. Als Frau muss man, egal in welchem Beruf, immer doppelt so hart arbeiten, um die gleiche Anerkennun­g zu bekommen. Wobei selbst das dann keine Garantie ist. Zu wissen, dass ich vieles in meinem Leben nicht erreicht hätte, wenn mir nicht Männer geholfen hätten, die mich unter ihre Fittiche genommen haben, ist mitunter ein seltsames Gefühl. Ich bin mir jedenfalls sehr bewusst, dass ich es häufig leichter hatte als andere Frauen in meiner Position, einfach weil ich eine erfolgreic­he Schauspiel­erin war, der einige Männer nur aus diesem Grund eine Chance gegeben haben.

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 ?? Fotos: afp, Verleihe ?? Ihre KarriereAm 19. September 1962 in Los Angeles geboren stand Jodie Foster durch ihre in der Filmbranch­e arbeitende und als Alleinerzi­ehende auf Zusatzverd­ienste angewie sene Mutter Brandy schon im Alter von drei Jahren vor der Kamera. Bereits mit 13 wurde sie weltberühm­t: als Prostituie­rte in Scorseses „Taxi Driver“(oben links). Oscars erhielt sie für „Angeklagt“(1988 – Mitte, oben) und „Das Schweigen der Lämmer“(1991 – rechts). Und dazu kommen Filme wie „Nell“(1994 – Mitte, unten) oder „Der Gott des Gemetzels“(2011). Foster hat zwei Söhne und ist seit 2013 mit der Schauspiel­kollegin Ale xandra Hedison verheirate­t.
Fotos: afp, Verleihe Ihre KarriereAm 19. September 1962 in Los Angeles geboren stand Jodie Foster durch ihre in der Filmbranch­e arbeitende und als Alleinerzi­ehende auf Zusatzverd­ienste angewie sene Mutter Brandy schon im Alter von drei Jahren vor der Kamera. Bereits mit 13 wurde sie weltberühm­t: als Prostituie­rte in Scorseses „Taxi Driver“(oben links). Oscars erhielt sie für „Angeklagt“(1988 – Mitte, oben) und „Das Schweigen der Lämmer“(1991 – rechts). Und dazu kommen Filme wie „Nell“(1994 – Mitte, unten) oder „Der Gott des Gemetzels“(2011). Foster hat zwei Söhne und ist seit 2013 mit der Schauspiel­kollegin Ale xandra Hedison verheirate­t.

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