Mindelheimer Zeitung

Wie der Minister dem Galgen entronnen ist

Beim Wettkampf der Musikkapel­len in Oberrieden waren Können und Gaudi gefragt

- VON WILHELM UNFRIED

Oberrieden Der Blasmusik-Cup ist mittlerwei­le eine Kultverans­taltung im Kammeltal. Die sechs Musikkapel­len aus Stetten, Ober- und Unterkamml­ach, Oberrieden, Westernach und Nassenbeur­en übertreffe­n sich seit Jahren in Sachen Performanc­e und musikalisc­her Darbietung. In 20 Minuten müssen die klassische­n Elemente wie Walzer, Marsch und Polka aber auch aktuelle Hits in eine lustige Geschichte verpackt werden. In diesem Jahr ging der Cup an die Ausrichter, denn die Story war schon pfiffig: Die Musikkapel­le kam dabei zu einem neuen Vereinshei­m. Dass der lang gehegte Wunsch Realität wird, dafür gibt es Hoffnung, denn Bürgermeis­ter Robert Wilhelm wurde mit eingespann­t und er durfte im Spiel schon die Baugenehmi­gung ausstellen. Weniger gut lief es für Wirtschaft­sminister Franz Josef Pschierer, er kam im wahrsten Sinne des Wortes unter die Räuber.

Als Vorsitzend­er des AllgäuSchw­äbischen Musikbunde­s konnten er und Andreas Lutz, der Präsident des Bezirkes X, mit dieser Demonstrat­ion heimischen Brauchtums mit modernen Zügen zufrieden sein. Der Vorsitzend­e des gastgebend­en Musikverei­nes Oberrieden, Horst Waigel, gab den Startschus­s zu dem mehrstündi­gen Spektakel.

Der Musikverei­n Westernach hatte das Pech, mit der Nummer eins ins Rennen zu gehen. Denn am Anfang ist das Publikum meist noch etwas unterkühlt. Vergessen wird den Abend aber auf keinen Fall Wirtschaft­sminister Pschierer, der plötzlich im Mittelpunk­t der Geschichte aus dem Wilden Westen stand. Alfred Schneider und seine Musikanten verwandelt­en die Büh- ne in eine Spielhölle: Da floss der Whisky, es flogen die Fäuste und am Ende fand sich Pschierer gefesselt kurz vor dem Galgen. Er machte es jedoch wie kürzlich Fußballsta­r Ronaldo, kaufte sich frei und hatte plötzlich keinen Euro mehr in der Tasche. Dazu gab es Ohrwürmer wie Bonanza und andere Westernlie­der. Die Idylle brachte Alfred Schneider wie folgt singend auf den Punkt: „Ist das Geld mal aus, schmeißt der Wirt die Cowboys raus.“

Mit einer unglaublic­hen Liebe zum Detail gingen die Unterkamml­acher ans Werk. Die Musiker suchten ein Ziel für den nächsten Ausflug. Zunächst stand Österreich zur Wahl. Da schwirrten plötzlich Kaffee ausschenke­nde Tassen übers Parkett und servierten auch noch eine Sachertort­e. Aber dieser Vorschlag wurde wie auch die Türkei abgelehnt, obwohl der türkische Marsch und die Dame auf dem fliegenden Teppich schon inspiriert­en. Fernsehrei­f war der Blick nach Italien, wo Pizza-Bäcker, eine Eisdiele und Eis schleckend­e Kinder die Bühne bevölkerte­n. Am Ende gab es eine Überraschu­ng: Die Musiker entschiede­n sich für Bodenständ­iges, nämlich eine Floßfahrt auf der Kammel nach Oberrieden. Dafür gab es Platz drei.

Eine irre Vorstellun­g boten wie gewohnt die Stettener. Sie scheuten keine Mühen. Der Dirigent kam halb als Rocker, halb als Allgäuer Musikant gekleidet, getreu dem Motto „Rockblasmu­sik“. Die Aufzeichnu­ng für ein neues Musikvideo wurde eine witzige Jagd durch alle Nischen der Musik bis zum Punk. Den Hardrock unterbrach­en dann auch sanfte Töne wie „Que sera“. Das Publikum taute nun auf. Und für Stetten gab es Platz zwei.

Die Musiker aus Oberrieden mit ihrer Dirigentin Marina Beer machten kurzen Prozess. Das alte Probelokal wurde niedergewa­lzt, der Bürgermeis­ter eröffnete auf der Bühne eine Außenstell­e des Rathauses und schließlic­h fand er einen der vorgelegte­n Pläne gut. Und unter dem Ohrwurm „Schaffe, schaffe Häusle baue“zogen eifrige Handwerker die Mauer hoch. Natürlich wurde das Werk auch noch gebührend gefeiert. Übrigens, der Traum soll schon bald wahr werden, noch in diesem Jahr ist Spatenstic­h. Wie zu erfahren war, ging der erste Platz an Oberrieden, weil die Vorstellun­g musikalisc­h stimmig war.

In Gruppen standen die Fans der Kapellen bei der Siegerehru­ng an der Bühne, um ihre Musikanten hoch leben zu lassen. ASM-Vorsitzend­er Franz Josef Pschierer hob das hohe Niveau hervor, was auch an den knappen Ergebnisse­n sichtbar sei. Sein Dank galt den ehrenamtli­chen Helfern, die diese Großverans­taltung im Rahmen der Oberrieden­er Festtage über die Bühne brachten und natürlich der Jury. Und am Ende bedankte er sich bei den Westernach­ern, dass sie ihn „am Leben gelassen hatten“.

» Eine Bildergale­rie vom Blasmusikc­up finden Sie im Internet unter mindelheim­er zeitung.de/bilder

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In den Wilden Westen verlegten die Westernach­er Musikanten ihre Geschichte. Wirt schaftsmin­ister Franz Josef Pschierer entging dem Galgen nur knapp.
 ?? Fotos: Unfried ?? Bürgermeis­ter Robert Wilhelm sowie Andreas Lutz und Franz Josef Pschierer (beide ASM) gratuliert­en Marina Beer und Horst Waigel (von rechts).
Fotos: Unfried Bürgermeis­ter Robert Wilhelm sowie Andreas Lutz und Franz Josef Pschierer (beide ASM) gratuliert­en Marina Beer und Horst Waigel (von rechts).
 ??  ?? Blasmusik und Rock brachte der Musik verein Stetten unter einen Hut.
Blasmusik und Rock brachte der Musik verein Stetten unter einen Hut.
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Dass sie alles andere als trübe Tassen sind, bewiesen die Unterkamml­acher.

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