Alles muss raus
Wer jetzt einkaufen geht, kann viel sparen. Mit welchen Schnäppchen Händler die Kunden in ihre Läden locken
Augsburg Man hört die Verkäuferin mit den hochgesteckten, vollen Locken, sobald man durch die Glasflügeltüren das Reich der Parfümflaschen, Ohrringe und Uhren in dem Warenhaus betritt. „Ja genau, genau“, ruft sie, nickt und ihre Locken wippen mit. Seit 20 Jahren ist sie Mitarbeiterin in dem großen Geschäft in Augsburg. Sie strahlt ihre Kundin an und deutet auf eine Uhr: „Auf reduzierte Ware gibt es nochmals 20 Prozent!“, sagt sie.
Ein großes gelbes Schild im Schaufenster hatte es bereits angekündigt: „Schlussverkauf. Finale. Letzte Chance auf viele tolle Angebote“, steht dort in roten Großbuchstaben. In der Nebenstraße wirbt ein Schuhgeschäft mit Lagerverkauf bis zu 70 Prozent und eine Dessous-Boutique mit ihrem „Big Sexy Sale“.
Die Geschäfte in der Innenstadt stellen sich bereits auf das Saisonende ein – bei über 35 Grad in den Straßen. Ein Ende der Hitzewelle ist nicht in Sicht, ein Ende der Sommermode schon. Am Montag hat der Sommerschlussverkauf (SSV) begonnen. Wie jedes Jahr am letzten Montag im Juli. In der Regel dauert er zwei Wochen, bei manchen Händlern auch vier oder sechs.
75 Prozent der Geschäfte in Schwaben beteiligen sich laut Bernd Ohlmann, Sprecher des Handelsverbandes Bayern (HBE), dieses Jahr am Ausverkauf ihrer Frühjahrsund Sommerwaren. Ein konstanter Wert. Daran ändere der Online-Handel mit seinen vielen Rabatten nichts, auch wenn er den Druck erhöht habe. „Totgesagte leben länger“, kommentiert Ohlmann. Das gelte auch für den Schlussverkauf. Denn die Deutschen seien Schnäppchenjäger, viele hätten nach wie vor im Kopf: „SSV ist gleich Superschnäppchen“, sagt der Handelsexperte. Was in vielen Fällen stimmt.
Doch dieselbe Schlagkraft wie früher habe der Ausverkauf nicht mehr, seit das ganze Jahr über mit Prozent-Aktionen geworben werden dürfe, räumt Ohlmann ein. Aus diesem Grund sagt Peter Frank, Spezialist für den Bereich Mode bei der BBE Handelsberatung, sogar: „Den Sommerschlussverkauf gibt es eigentlich nicht mehr.“Die Kunden bräuchten ihn im Grunde nicht.
Früher waren sowohl Sommerals auch Winterschlussverkauf auf zwei Wochen beschränkt. 2004 beschloss die Politik, die Regel aufzu- heben. Der Handel hält davon bis heute nicht viel: „Wir haben immer gesagt, das muss die Ausnahme bleiben“, sagt HBE-Sprecher Ohlmann. Klar: Mit Rabattaktionen während des ganzen Jahres macht man sich das eigene Geschäft kaputt. Doch ständige Sales sind allein schon deshalb notwendig, weil „im Textilhandel etwa 30 Prozent zu viel Ware auf dem Markt ist“, weiß Mode-Experte Peter Frank. Die Ware müsse weg, um jeden Preis. Sie werde schnell alt und unmodern.
Aber heuer, immerhin, „ist Petrus ein Freund des SSV“, sagt Bernd Ohlmann. Bei gutem Wetter kaufen viele noch einmal T-Shirts, Sandalen oder Bademode für den nächsten Urlaub. Wie Kundin Yasemin Sancak, die von der Verkäuferin mit den Locken gerade einen Bikini einscannen lässt. Am Sonntag fliegt sie in die Türkei. Die Verkäuferin zeigt das Preisschild: von 59,99 Euro reduziert auf 47,99 Euro, dann auf 29,99 Euro, und an der Kasse gibt es nochmals 20 Prozent.
All die bunten Schilder, großen Buchstaben und Prozentzeichen locken Kunden also noch? „Auf jeden Fall“, sagt die Verkäuferin in dem Augsburger Warenhaus. Nicht nur die Kunden, sondern auch die Mitarbeiter selbst, gesteht sie.
Das Hauptziel des Handels sei dabei nicht, mehr Umsatz zu machen, erklärt HBE-Sprecher Ohlmann. Es gehe darum, die Lager zu räumen. Die Devise laute: „Alles muss raus.“Denn Einlagern sei viel zu teuer und die Herbst- und Winterkollektionen schon bestellt. Er empfiehlt Schnäppchenjägern deshalb: „Augen auf, auf die Pirsch gehen!“