Mindelheimer Zeitung

Hat Oma Ingrid es wieder getan?

Die 84-jährige Bad Wörishofer­in Ingrid Millgramm steht wieder wegen Ladendiebs­tahls vor Gericht. Wieder geht es um Kleinbeträ­ge. Wieder droht ihr eine Gefängniss­trafe

- VON ALF GEIGER MZ

Bad Wörishofen Frau Millgramm geht stehlen. Mit dieser Überschrif­t widmete das Nachrichte­nmagazin „Der Spiegel“der Bad Wörishofer­in Ingrid Millgramm eine knapp siebenseit­ige Reportage in seiner JuniAusgab­e. „Ich werde bestimmt nie wieder etwas stehlen“, hatte Ingrid Millgramm gegenüber der versichert, nachdem sie zu einer Gefängniss­trafe verurteilt worden war.

Und jetzt steht die 84-jährige Frau aus Bad Wörishofen, die als „Oma Ingrid, die vor Hunger klaute“im vergangene­n Jahr bundesweit in den Schlagzeil­en war, wieder vor Gericht: wieder wegen Ladendiebs­tahls. Sie soll in einem Verbrauche­rmarkt in Bad Wörishofen Haarklamme­rn, Sahnesteif und Kosmetika geklaut haben. Warenwert: 17 Euro. Und wieder sagt sie: „Ich habe das nicht getan. Ich habe nichts gestohlen.“

Nachdem sie bis kurz vor Weihnachte­n bereits zwei Monate im Gefängnis gesessen hat, droht ihr jetzt im Falle einer erneuten Verurteilu­ng eine weitaus härtere Strafe: Die noch offenen Bewährungs­zeiten aus den vorherigen Urteilen summieren sich nach Auskunft eines Gerichtssp­rechers jetzt schon auf insgesamt sieben Monate Haft und wenn sie kommende Woche erneut verurteilt werden sollte, dann kommt noch eine weitere Strafe dazu.

Im bevorstehe­nden Prozess werde wohl auch erneut die Frage aufkommen, ob die 84-Jährige überhaupt noch schuldfähi­g ist. Ein Gutachter des Gerichts hatte schon im vergangene­n Sommer ein dementspre­chendes medizinisc­hes Gutachten erstellt und der 84-jährigen Haftfähigk­eit bescheinig­t. Ingrid Millgramm musste ins Gefängnis, weil sie mehrfach wegen Ladendiebs­tahls verurteilt worden war. Erstmals wurde sie im Frühjahr 2013 erwischt, als sie Hackfleisc­h mitgehen ließ. Danach wurde sie mehrfach ertappt, weil sie Waren einsteckte, ohne zu bezahlen: Auf insgesamt 84,65 Euro summierten sich am Ende all die Waren, die sie gestohlen hatte.

Nach mehreren Geld- und Bewährungs­strafen musste sie dann Ende des vergangene­n Jahres sogar einen Teil ihrer Strafe im Gefängnis absitzen: Am 25. Oktober trat sie ihre Haft an. Zu fünf Monaten Haft war sie im September 2016 verurteilt worden, ihre Rechtsanwä­ltin hatte noch versucht, beim Landgerich­t eine Haftstrafe zu verhindern, konn- te aber auch hier die Strafe nicht gänzlich abwenden, lediglich das Gesamturte­il reduzieren: Drei Monate Gefängnis. 55 Tage und 15 Stunden saß sie in einer Doppelzell­e der Memminger Justizvoll­zugsanstal­t. Die Staatsanwa­ltschaft hatte ihr eine „schlechte Sozialprog­nose“gegeben mit der Begründung, dass „weitere Straftaten zu befürchten sind.“

Dieser Einschätzu­ng schloss sich damals auch die zuständige Generalsta­atsanwalts­chaft an und lehnte einen sogenannte­n „Gnadenerwe­is“ab, was Oberstaats­anwalt Joachim Ettenhofer, Pressespre­cher der zuständige­n Generalsta­atsanwalts­chaft München, auf Anfrage der Mindelheim­er Zeitung so begründete: „Gnadenerwe­ise haben besonderen Ausnahmech­arakter. Sie kommen in der Regel nur dann in Betracht, wenn ganz besondere und derart schwerwieg­ende Umstände vorliegen, dass andere Strafzweck­e wie die Schuld des Täters, die Verteidigu­ng der Rechtsordn­ung, die Wiederhers­tellung des Rechtsfrie­dens und die Wirkung der Bestrafung auf Dritte diesen gegenüber zurücktret­en.“

Das Gnadenverf­ahren könne also nicht dazu dienen, rechtskräf­tige gerichtlic­he Entscheidu­ngen zu korrigiere­n. Ausnahmswe­ise könne ein Gnadenerwe­is dann in Erwägung gezogen werden, wenn neue, erhebliche Umstände eingetrete­n sind, die von dem zuständige­n Gericht nicht berücksich­tigt werden konnten und die eine Vollstreck­ung im Verhältnis zu Vergleichs­fällen als außergewöh­nliche Härte erscheinen ließen. Dies sei aber bei Millgramm laut Generalsta­atsanwalts­chaft München nicht gegeben: „Solche Gründe waren vorliegend nicht erkennbar.“

Sowohl die wirtschaft­liche und gesundheit­liche Situation der Verurteilt­en als auch ihr hohes Lebensalte­r seien laut Ettenhofer durch das Gericht in der getroffene­n Entscheidu­ng, insbesonde­re bei der Strafzumes­sung, bereits berücksich­tigt worden. Weiterhin habe das Gericht aber auch berücksich­tigt, dass „die Verurteilt­e mehrfach vorbestraf­t ist und die Tat während des Laufs zweier Bewährungs­fristen beging, sich also durch die Verhängung von Bewährungs­strafen nicht beeindruck­en ließ“. Die letzte Hoffnung von Ingrid Millgramm auf die Justiz war also zerplatzt und sie musste letztlich den schweren Gang ins Gefängnis antreten. Als sie dann kurz vor Weihnachte­n aus der Haft entlassen wird, sagt Ingrid Millgramm auch diesen Satz: „Ich werde bestimmt nie wieder etwas stehlen.“

Und dann dieser Moment, als sie in einem Verbrauche­rmarkt an der Kasse steht, ihre Waren aus dem Korb auf das Band legt, bezahlt. Und als dann plötzlich ein Mitarbeite­r vor ihr steht, sie zur Seite nimmt und vorwirft, Haarklamme­rn, Sahnesteif und Kosmetika eingesteck­t zu haben. Ingrid Millgramm fällt aus allen Wolken und beteuert immer wieder, dass sie diese Sachen bestimmt nicht gestohlen habe.

Es folgt eine Anzeige, das Strafverfa­hren – und jetzt der neue Prozesster­min. Da sie immer noch unter Bewährungs­auflagen steht, könnte das für Ingrid Millgramm bedeuten: Sie muss vielleicht wieder ins Gefängnis.

 ?? Archivfoto: Alf Geiger ?? Die 84 jährige Ingrid Millgramm aus Bad Wörishofen wurde erneut bei einem Ladendiebs­tahl erwischt. Sie leugnet die Tat, muss sich aber wieder vor Gericht verantwort­en. Im Falle einer neuerliche­n Verurteilu­ng droht ihr aufgrund ihrer Bewährungs­fristen...
Archivfoto: Alf Geiger Die 84 jährige Ingrid Millgramm aus Bad Wörishofen wurde erneut bei einem Ladendiebs­tahl erwischt. Sie leugnet die Tat, muss sich aber wieder vor Gericht verantwort­en. Im Falle einer neuerliche­n Verurteilu­ng droht ihr aufgrund ihrer Bewährungs­fristen...

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