Wasserpreis: Türkheimer Verwaltung wehrt sich
Kämmerer Hiemer sieht sich und seine Verwaltung zu Unrecht an den Pranger gestellt und will sich künftig juristisch gegen „ehrverletzende Kommentare“wehren. Auch ein Hausverbot für den MZ-Redakteur wird erwogen
Türkheim Die Türkheimer Rathausverwaltung und allen voran Gemeindekämmerer Claus-Dieter Hiemer haben die Nase voll und sehen sich zu Unrecht an den Pranger gestellt: In einem geharnischten Schreiben an die Mindelheimer Zeitung geht Hiemer in die Offensive und wehrt sich massiv gegen die aus seiner Sicht „fehlerhaften Behauptungen“im Kommentar „Gemeinsam die Zeche zahlen“in der MZ vom 27. Juli. „Das geht eindeutig zu weit“, so Hiemer in seiner Stellungnahme, die auch Bürgermeister Christian Kähler unterzeichnet hat. „Uns haben viele Bürgerinnen und Bürger angesprochen, dass wir dies nicht so stehen lassen können“, so Kähler.
Hiemer ist überzeugt, dass die im Kommentar verwendete Wortwahl „impliziere“, dass die Verwaltung im Zusammenhang mit den höheren Wassergebühren Zahlen verwendet habe, die „nicht seriös“seien. Im MZKommentar wurde die Verwaltung tatsächlich dafür kritisiert, dem Gemeinderat und der Öffentlichkeit keine seriösen und vergleichbaren Zahlen beschafft zu haben, die einen Vergleich mit den Wassserpreisen in anderen Gemeinden ermöglich hätten.
Der „unterschwellige Vorwurf“des Kommentators, andere Kommunen würden mit finanztechnischen Taschenspielertricks den eigenen Wasserpreis schönrechnen, ist laut Hiemer „schlicht und einfach falsch und eine bodenlose Frechheit obendrein“. Im Artikel „Türkheimer müssen neuen Wasserpreis schlucken“über die Gemeinderatssitzung war Hiemer mit der Aussage zitiert worden, dass 175 000 Euro von den Gesamtkosten von 475 000 Euro für die Maßnahmen zur Beseitigung der Trinkwasser-Verkeimung von allen Verbraucher mit abbezahlt werden müssen.
Hiemer stellt dies so dar: 400 000 von 475000 Euro zahle der Gebührenzahler, davon würden 300 000 Euro langfristig verrechnet und „führen dadurch zu einer geringen Gebührenanpassung“, so die Ver- waltung. 100 000 Euro würden auf die nächsten vier Jahre kalkuliert und 75 000 gingen zulasten des aktuellen Haushaltes.
Er, so Hiemer, habe jedenfalls „alles unternommen, um die ,Sonderkosten Verunreinigung 2017 so weit als nur irgendwie vertretbar“aus der Gebührenkalkulation für den Wasserpreis herauszuhalten, betonte Hiemer in der Sitzung: „Das ist so bürgerfreundlich gerechnet, wie es nur geht“, hatte Hiemer eine entsprechende Anfrage aus dem Gemeinderat beantwortet.
Schon in den Artikeln im Vorfeld der angekündigten Erhöhung des Trinkwasserpreises habe die MZ den alten Türkheimer Wasserpreis mit anderen Kommunen verglichen, kritisiert Hiemer. In diesen Vergleichen seien die Gebühren der Marktgemeinde Türkheim „immer die teuersten“gewesen.
Da jedoch immer nur die Verbrauchsgebühren zum Vergleich verwendet worden seien, habe er in der Sitzung „versucht, zu erläutern, dass die Wasserpreise nicht eins zu eins vergleichbar sind, weil jedes Wasserwerk unterschiedliche Kostenstrukturen – Investitionen, Alter, Leitungsnetz, Unterhaltsaufwand, Personalkosten – hat und der Wasserpreis auch sehr von der verkauften Menge abhängt“, betont Hiemer.
Tatsächlich hatte die MZ diesen Vergleich angestellt, als durchsickerte, dass das Trinkwasser in Türkheim rückwirkend zum 1. Juli auf 1,53 Euro netto pro Kubikmeter erhöht werden solle.
So stand es in der MZ: „Heute kostet ein Kubikmeter in Türkheim 1,34 Euro, also 19 Cent weniger. Das würde rechnerisch eine Verteuerung um 14 Prozent ergeben. In Mindelheim kostet ein Kubikmeter Trinkwasser 1,32 Euro, in Bad Wörishofen wird für das kühle Nass sogar nur 63 Cent pro Kubikmeter verlangt. In Buchloe im Nachbarlandkreis Ostallgäu beträgt der Trinkwasserpreis derzeit 94 Cent pro Kubikmeter. Der durchschnittliche Verbrauch eines vierköpfigen Familienhaushalts beträgt laut Expertenmeinung etwa 150 bis 200 Kubikmeter im Jahr. Das würde dann also bedeuten, dass eine Türkheimer Durchschnittsfamilie rückwirkend zum 1. Juli rund 40 Euro mehr bezahlen müsste“.
Daneben habe er, Hiemer, in der Sitzung mehrfach deutlich gemacht, dass die in den Preisvergleichen nie berücksichtigte Grundgebühr eine maßgebliche Stellschraube für die Verbrauchsgebühr darstelle, so Hiemer: „Hohe Grundgebühr ist gleich niedrigere Verbrauchsgebühr.“Außerdem habe er auch auf die „sehr niedrige Grundgebühr bei uns“hingewiesen, betonte Hiemer.
Dass die Gemeinden bei der Gebührenkalkulation „unterschiedlich vorgehen“und bei größeren Investitionen auch die Möglichkeit zur Festsetzung von Verbesserungsbeiträgen bestehe, was sich laut Hiemer „logischerweise wiederum entlastend auf die Gebühren auswirke“, sei auch Teil seiner Erklärung gewesen. Hiemer: „Wir haben noch nie Verbesserungsbeiträge erhoben“.
Er habe dann auch darauf hingewiesen, dass „wir nicht wissen, ob die in der MZ verglichenen Wasserpreise anderer Kommunen kostendeckend sind. Oder stehen die vielleicht auch kurz vor einer Preiserhöhung?“, schreibt Hiemer. Es sei ja auch möglich, dass andere Kommunen „vielleicht bewusste Unterdeckungen eingehen“, was Hiemer dann als „politische Preise“bezeichnet.
CSU-Gemeinderätin Roswitha Siegert hatte in der Sitzung darauf verwiesen, dass sie versucht habe, die Wasserpreise in Türkheim mit anderen Kommunen zu vergleichen: „Warum ist ausgerechnet in Türkheim das Trinkwasser so viel teurer als in anderen Gemeinden?“, fragte Siegert. Im MZ-Artikel war auch nachzulesen, dass Kämmerer Hiemer und Bürgermeister Christian Kähler mehrfache Erklärungs- und Beschwichtigungsversuche unternommen hatten, um Siegert noch umzustimmen.
Doch die CSU-Gemeinderätin blieb dabei und stimmte als einzige gegen die Erhöhung: „Wir bestrafen damit doch wieder vor allem die Familien. Jetzt haben wir schon die teuersten Kindergartengebühren. Warum müssen wir dann auch beim Trinkwasser wieder die Teuersten sein?“, ärgerte sich Siegert mit Blick auf die Diskussionen um die Erhöhung der Kindergartenpreise. Und sie setzte noch eins drauf: „Für mich ist diese Preiserhöhung nicht gerechtfertigt. Wir beschließen das jetzt einfach so, und die Bürger müssen das dann schlucken.“
Für Hiemer ist und bleibt es ein „unverschämter Vorwurf“, ihm in diesem Zusammenhang „Taschenspielertricks“zu unterstellen. Schließlich würden „auch andere Bürgermeister, Stadt- und Gemeinderäte, dies lesen“, ist Hiemer überzeugt: „Was denken die wohl von uns? Wir möchten nicht, dass das so stehen bleibt!“
Mit der Formulierung „eine bemerkenswert kreative Kalkulation“sieht sich Hiemer sogar „fast schon auf eine kriminelle Ebene gehoben“. Im MZ-Kommentar hatte es geheißen, dass die Türkheimer Verwaltung eine „bemerkenswert kreative Kalkulation vorgelegt habe, bei der alle nur denkbaren und irgendwie noch zu verantwortenden Möglichkeiten ausgeschöpft wurden, nur um die eigene Preiserhöhung doch noch ,moderat, notwendig und vertretbar’ nennen zu können“.
Daher merkt er nochmals an, dass „die Kalkulation ausführlich in der Sitzung erläutert wurde und auch darüber diskutiert wurde“. Die neue die Kalkulation sei nicht „kreativ“, sondern entspreche „den üblichen Vorgehensweisen – KAG, Kostendeckung. Hiemer: „Glauben Sie, im Türkheimer Gemeinderat sitzen 20 Pappnasen, die alle Vorschläge der Verwaltung – und seien sie noch so absurd wie die bemerkenswert kreative Kalkulation – einfach durchwinken?“Hiemer: „Ein klares Nein!“
Warum die Türkheimer Verwaltung dann „auch noch für eine bürgerfreundliche Entscheidung, nämlich nicht alle Sonderkosten auf den Gebührenzahler umzulegen, kritisiert werde, erschließt sich uns auch nicht“, so Hiemer.
Die Behauptung, mit der Verwendung unterschiedlicher Begriffe für die Verkeimung des Türkheimer Trinkwassers würde die Verwaltung einen „peinlichen Eiertanz“bieten, sei laut Hiemer auch „eine Unverschämtheit“, denn: „Wir haben übliche betriebswirtschaftliche Fachbezeichnungen wie laufender Aufwand, außerordentlicher Aufwand, Sonderfaktoren, verwendet, die weder ,lustig’ sind noch sein sollten. Wir sind froh, dass unser Wasser wieder okay ist und wir wissen nicht, warum wir das Wort Verkeimung nicht verwenden sollten.“
Im MZ-Artikel war nachzulesen, dass Hiemer bei der Darstellung der Gründe für die Kosten der „Trinkwasser-Misere“Begriffe wie „laufender Aufwand, Sonderkosten, Aufgabe, Maßnahme, Sofa – für Sonderfaktoren“benutzt hatte. Wörtlich hieß es: „Erst als Kämmerer Hiemer alle diese lustigen Bezeichnungen verbraucht hatte, rutschte ihm dann doch noch das Wörtchen ,Verkeimung’ heraus“.
Der MZ-Kommentar sei insgesamt aus seiner Sicht „böswillig und verletzend“weil „impliziert“werde, dass die Verwaltung nicht ehrlich sei. Für ihn sei die Kritik an der Entscheidung daher völlig unverständlich: „Immerhin reden wir über eine harmonische Gemeinderatssitzung, wo 19 von 20 Räten sagen: Danke Verwaltung, gut vorbereitet, wir haben verstanden, es besteht Handlungsbedarf, wir müssen den Wasserpreis anheben.“
Hiemer macht gegenüber der MZ auch deutlich, dass diese Stellungnahme „als letzter Warnschuss“zu verstehen sei. Gegen weitere „ehrverletzende Kommentare“werde man künftig „juristisch vorgehen“. Auch sei schon ein Hausverbot für den MZ-Redakteur „angeraten“worden, doch davon wolle man „derzeit noch absehen“, heißt es in der schriftlichen Stellungnahme an die MZ.
Hiemer abschließend: „Wir kennen und schätzen die Pressefreiheit als hohes Gut, aber damit kann doch nicht gemeint sein, dass jeder böswillig und fehlerhaft schreiben kann, was er will und wir zu Unrecht zum Abschuss freigegeben sind“.
Er und seine Kollegen hätten „wirklich genügend andere Aufgaben und Themen“, als sich jede Woche genötigt zu sehen, „zeitraubende und nervige Gespräche über die
MZ-Berichterstattung zu führen und zu überlegen, ob und wie wir hierauf mal wieder reagieren müssen“.
„Glauben Sie, im Türkheimer Gemeinderat sitzen 20 Pappnasen, die alle Vorschläge der Verwaltung einfach durchwinken? Ein klares Nein!“Kämmerer Claus Dieter Hiemer verteidigt die Vorgehensweise bei der Kalkulation und Ver abschiedung des neuen Wasserpreises