Ruhani in der Sackgasse
Warum der iranische Präsident nach neuen US-Sanktionen vor den Scherben seiner Politik steht
Teheran Hassan Ruhani hatte alles auf die Aufhebung der internationalen Sanktionen gesetzt, um die iranische Wirtschaft in Schwung zu bringen. Doch nun, da US-Präsident Donald Trump neue Finanz- und Handelsbeschränkungen verhängt hat, steht der iranische Präsident vor den Scherben seiner Außen- und Wirtschaftspolitik. Während sich politische Verbündete enttäuscht abwenden, bricht sich der angestaute Unmut der Bevölkerung über Korruption, Misswirtschaft und Arbeitslosigkeit in wütenden Protesten Bahn.
Der moderate Politiker hatte nach seinem Wahlsieg 2013 gegen den Widerstand der Hardliner im Iran Verhandlungen aufgenommen, um eine Lösung des Atomstreits zu erreichen. Mit den Gesprächen verband sich die Hoffnung, das Verhältnis zu den USA zu entspannen und den Iran wieder in die Weltwirtschaft zu integrieren. Doch nach dem Amtsantritt Trumps und seinem einseitigen Ausstieg aus dem Wiener Abkommen von 2015 ist davon wenig geblieben. „Sie verhängen Sanktionen gegen iranische Kinder, gegen Kranke und gegen die Nation“, warf Ruhani am Montagabend den USA in einer Fernsehansprache vor. Trump bediene sich „psychologischer Kriegsführung“, um die Iraner zu spalten, doch zugleich biete er neue Gespräche an. Wer seinen Gegner mit einem Messer bedrohe, müsse aber zuerst das Messer weglegen. Vertrauen könne es nur geben, wenn Trump zum Atomabkommen zurückkehre, sag- te Ruhani. Der Iran hat das Abkommen auf Punkt und Komma genau eingehalten, das hat die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) immer wieder bestätigt. Trump kümmerte das aber nicht, als er die Vereinbarung im Mai aufkündigte und neue Sanktionen ankündigte. Bereits zuvor hatte Trump viele europäische Banken und Konzerne davon abgeschreckt, im Iran zu investieren. Statt der erhofften 50 Milli- arden Dollar an ausländischen Investitionen zählte die Weltbank 2016 daher nur 3,4 Milliarden. Nun liegt Ruhanis Politik in Scherben. „Das Problem Ruhanis ist, dass er keinen Plan B hat“, sagt ein Journalist des iranischen Fernsehens. „Ausländische Investitionen anzuziehen, war sein Plan A, B, C und D. Heute erscheint er als handlungsunfähiger Präsident.“
Verschärft wird das Problem dadurch, dass es Ruhani weder gelungen ist, die Macht der konservativen Stiftungen in der Wirtschaft zu brechen, noch die dringend nötige Reform des Finanzsektors anzuschieben. Die Unzufriedenheit der Bevölkerung mündete zu Jahresbeginn in einer Protestwelle, die gewaltsam niedergeschlagen wurde. In den vergangenen Tagen gab es erneut Proteste gegen Korruption, Arbeitslosigkeit und Misswirtschaft. Besonders die Jungen sind wütend und enttäuscht. „Jeder Präsident macht dieselben Versprechen – doch einmal gewählt, tun sie nichts“, sagt ein junger Fotograf in Teheran. Gebe es Wahlen, würde er nicht mehr für Ruhani stimmen. Auch die Refor- mer, die Ruhani bei der Wahl unterstützt hatten, sind frustriert, dass er gegenüber der konservativ dominierten Justiz und den Sicherheitsdiensten nicht mit mehr Nachdruck für die Freilassung politischer Gefangener und die Meinungsfreiheit eintritt.
Insbesondere der Umstand, dass der Präsident die Sperrung des beliebten Messengerdienstes Telegram hingenommen hat, hat viele ernüchtert. Ruhani habe „entschieden, nicht zu kämpfen“, statt etwas zu riskieren, urteilt ein westlicher Diplomat. Trotz Gerüchten über einen Putsch seitens der Revolutionsgarden droht dem Präsidenten aber keine direkte Gefahr. Irans geistliches Oberhaupt Ayatollah Ali Khamenei steht weiter zu Ruhani, und angesichts des Konflikts mit den USA forderte selbst die ultrakonservative Zeitung die Differenzen beiseitezulassen, da „die nationalen Interessen und das Überleben der Nation“auf dem Spiel stünden. So bleibt Ruhani zunächst weiter an der Macht. Geschwächt, inmitten der Scherben seiner Politik.