Ein Harting weiter, der andere raus
Olympiasieger Christoph leistet sich in der Qualifikation unbegreifliche drei Fehlversuche. Sein Bruder Robert wirft heute Abend ein letztes Mal um die Medaillen
Berlin Frühaufsteher Robert Harting war einfach nur happy, Bruder Christoph stinksauer. Lust und Frust, besser könnte man die unterschiedliche Stimmung bei den beiden Diskuswurf-Olympiasiegern kaum schildern. Robert freute sich riesig auf sein letztes Finale bei einer LeichtathletikEuropameisterschaft. Christoph verstand die Welt nicht mehr.
Dreimal blieb seine Zwei-KiloScheibe bei der Qualifikation im Netz hängen. Aus und vorbei, EM ade. Bruder Robert ist nun am Mittwochabend (20.20 Uhr) im Berliner Olympiastadion der einzige deutsche Finalist. „Ich kann es mir nicht erklären, woran es heute gelegen hat: Ich hab’ ’ne super Fitness, ich hab’ ein top Gefühl, ich bin stark und schnellkräftig“, sagte Christoph Harting in den Katakomben des Sta- dions. Sein Trainer Torsten Lönnfors schlug nach dem dritten Patzer die Hände vors Gesicht. „Mann, Mann! Er hat dreimal denselben Fehler gemacht, dreimal ins Netz. Das ist jetzt erst mal ein kleiner Schock“, sagte der Coach. „Vermutlich wird hier kein Deutscher im Diskuswurf eine Medaille holen“, prophezeite Lönnfors.
„63 Meter werfe ich auch aus dem Stand – darum geht’s nicht. Es ist einfach das Problem, das nicht abrufen zu können“, meinte Christoph Harting. „Ich stand da mit einer Riesen-Waffe, aber ohne Munition. Wahrscheinlich habe ich zu früh gezogen.“Eine Frage zur WM 2019 in Katar wies er brüsk zurück. Sein nächstes großes Ziel, das sagt er oft, sind die Olympischen Spiele 2020 in Tokio. Auch Bruder Robert traf in der Quali nicht ins Schwarze – doch 63,29 Meter reichten am Ende locker fürs Finale. 71 Zentimeter mehr – und der Publikumsliebling wäre direkt durch gewesen. So oder so: In seinem Wohnzimmer wird der 33-Jährige am Mittwochabend noch einmal gefeiert.
Beim Berliner Istaf will sich der dreimalige Weltmeister und zweimalige Europameister am 2. September mit dem letzten Wurf von seinen Fans verabschieden. Motto der Farewell-Party: „Der letzte Schrei.“Dies war die Quali noch nicht. „Die Würfe waren alle ein bisschen zu brav, ein bisschen zu viel wie ein Trainingswurf. Und dann ist es schwer, den Schalter noch umzulegen“, erklärte Robert Harting, der am Dienstag früh guter Dinge war. „Ich habe meinen We- cker auf 6.01 Uhr gestellt, Punkt 6.00 Uhr war mir zu früh“, scherzte der Schützling von Trainer Marko Badura. Und er hat sich ein Brett ins Bett gelegt, um nicht zu weich zu liegen und den Rücken zu entlasten. „Klar war ich auch nervös“, gab der gebürtige Lausitzer zu. Erst 62,69 Meter, dann 63,29 – als sein Diskus beim dritten Versuch im Wurfkäfig hängen blieb, hielt sich Harting enttäuscht die Hände vors Gesicht. „Ich hoffe, ich hab’ noch eine Idee fürs Finale.“Der Druck mit dem Diskus sei da, „ich kann locker über 65 Meter werfen“. Robert Harting geht nun als siebtbester Werfer in sein letztes großes Finale bei einer internationalen Meisterschaft. Der Olympia-Dritte Daniel Jasinski (Wattenscheid) verpasste dagegen mit schwachen 60,10 Metern den Kampf um die Medaillen.
Das Schicksal von Christoph Harting teilte übrigens der Pole Piotr Malachowski: Auch der (nun entthronte) Titelverteidiger schied mit drei Ungültigen aus.