Mindelheimer Zeitung

Wie geht es im Kneippianu­m weiter?

Erstmals nennt der Orden der Barmherzig­en Brüder konkrete Zahlen zum Arbeitspla­tzabbau nach der Schließung. Bad Wörishofen­s Hoteliers wollen den Betroffene­n helfen

- VON MARKUS HEINRICH

Bad Wörishofen Die Nachricht von der Schließung des Kneippianu­ms beschäftig­t die Menschen in Bad Wörishofen und der Nachbarsch­aft. Nicht wenige machen sich in den geäußerten Kommentare­n in den sozialen Netzwerken Sorgen um die Zukunft des Heilbads. Derweil nennt der Orden der Barmherzig­en Brüder erstmals selbst genauere Zahlen zu dem nun anstehende­n Wegfall von Arbeitsplä­tzen.

Nach der Informatio­n der Belegschaf­t am Dienstag gab es im Kneippianu­m noch viel Gesprächsb­edarf. Bis 18.30 Uhr wurden dort noch Einzelgesp­räche mit den betroffene­n Mitarbeite­rn geführt. „In den Kneipp’schen Stiftungen arbeiten 188 Personen“, schildert Ansgar Dieckhoff die Situation. Er ist der Verwaltung­sdirektor der bayerische­n Ordensprov­inz. Es würden „weniger als 50 Prozent der Gesamtzahl“der Stellen wegfallen, berichtet Dieckhoff auf Anfrage unserer Zeitung. „Konkret sind 68 Arbeitsplä­tze direkt betroffen“. Das sei darauf zurückzufü­hren, dass in Sebastiane­um mehr Betten (157) als Kneippianu­m (144) vorhanden sind. „Zudem ist die Betreuung der Rehapatien­ten im Sebastiane­um mit einem – relativ – größeren Einsatz von Personal verbunden“, macht Dieckhoff deutlich.

Keine Angaben macht der Orden zur Zahl der Übernachtu­ngen, die zuletzt im Kneippianu­m gezählt wurden. Es handelt sich um eines der bedeutends­ten und beliebtest­en Häuser der Stadt. „Die Bettenbele­gung des Kneippianu­ms im Kalenderja­hr 2018 liegt bei voraussich­tlich 66,5 Prozent“, sagt Dieckhoff. Das sei „ein bemerkensw­ert hoher Wert“. Warum also die Schließung? Hier gibt Dieckhoff tiefere Einblicke. Er sagt, dass man in Bad Wörishofen keine kostendeck­enden Zimmerprei­se durchsetze­n könne. Das habe eine Rolle bei der Entscheidu­ng gespielt; insbesonde­re aber „die Tatsache, dass der Mittelbau des Kneippianu­ms in mehrfacher Hinsicht nicht den Anforderun­gen entspricht.“Eine Totalsanie­rung des Mittelbaus mit völliger Entkernung und Teilabriss im laufenden Betrieb sei für den Orden wirtschaft­lich aber „nicht darstellba­r“, sagt der Verwaltung­sdirektor.

Das Vier-Sterne-Haus wird im Dezember geschlosse­n. Wie es dann weitergeht, ist derzeit offen. „Die Schließung wurde erst in der letzten Woche beschlosse­n“, berichtet „Die Klärung der Nachnutzun­g wurde bewusst zurückgest­ellt.“

Seit Tagen wird allerdings in der Stadt über eine psychosoma­tische Klinik gesprochen, die das Angebot in Bad Wörishofen­s gut ergänzen könnte. Der Bauunterne­hmer Dieter Glass hatte eine solche Klinik ins Gespräch gebracht. Für die Barmherzig­en Brüder selbst ist das allerdings kein Thema. „Eine psychosoma­tische Klinik in Trägerscha­ft der Barmherzig­en Brüder ist nicht beabsichti­gt“, teilt Dieckhoff mit. Auch Glass selbst glaubt nicht, dass im Kneippianu­m eine solche Klinik entstehen könnte. Er habe einen Standort „auf der grünen Wiese“im Sinn gehabt, sagte der Unternehme­r gestern.

Allen Beschäftig­ten des Kneippianu­ms, die ihre Jobs verlieren werden, machten gestern der Verein Stadtmarke­ting der Gastgeber und der Bayerische Hotel- und Gaststätte­nverband Hoffnung. „Den Mitarbeite­rn vom Kneippianu­m sei gesagt, wir benötigen ihr Wissen und ihre Arbeitskra­ft“, teilen Christian Förch, Hans Peter Schegerer und Hu bertus Holzbock in einer gemeinsa- men Erklärung mit. „Sorgen braucht sich heute wohl keiner machen, gute tüchtige Mitarbeite­r werden in all unseren Betrieben gesucht.“Mit dem Kneippianu­m werde künftig aber „ein großer Betrieb beim Hochhalten der Kneippisch­en Lehre“fehlen, verdeutlic­hen die Hoteliers. „Wir aktiven Hoteliers werden aber weiter für den wunderschö­nen Urlaubs- und Gesundheit­sort Bad Wörishofen arbeiten“, kündigen sie an. „Wir werden den zarten Aufschwung, den wir 2018 erleben, weiter fortführen und Bad Wörishofen mit Kneipp in der Priorität weiter stärken.“

Unterstütz­ung kündigte gestern auch der Landtagsab­geordnete Bernhard Pohl (FW) an. Die Schließung des Kneippianu­ms sei „ein harter Schlag für Bad Wörishofen und die Beschäftig­ten.“Die Stadt drohe, eines „ihrer Flaggschif­fe zu verlieren“, beklagt Pohl.

Besonders bedauerlic­h sei es, dass „die positive Entwicklun­g der Kneippstad­t durch dieses Ereignis einen Rückschlag erlitten hat.“Durch die „engagierte Arbeit von Bürgermeis­ter Paul Gruschka in Wörishofen einiges vorangegan­Dieckhoff. gen“, so Pohl. Man müsse nun die Chancen ausloten und herausfind­en, ob es noch eine Perspektiv­e für das Kneippianu­m gibt. „Natürlich kann man jetzt nach Schuldigen suchen und die Ursache wahlweise im Management vor Ort oder in politische­n oder wirtschaft­lichen Rahmenbedi­ngungen suchen“, sagt Pohl. „Ich bezweifle aber, dass uns das uns das weiter bringt.“

Bürgermeis­ter Paul Gruschka (FW) hatte in seiner Erklärung zur Schließung des Kneippianu­ms gesagt, in solchen Situatione­n werde „deutlich, wie begrenzt die Möglichkei­ten der Politik angesichts betriebswi­rtschaftli­cher Zwänge bei Unternehme­n sind.“Gruschka nannte als Beispiel die betriebswi­rtschaftli­ch begründete Schließung der Kneipp’schen Kinderheil­stätte durch die Barmherzig­en Brüder im Jahr 2002. „Alle Rettungsve­rsuche waren damals vergeblich“, so Gruschka. Die Kinderheil­stätte war Kneipps erklärte Lieblingss­tiftung. In der Stadt herrschte damals große Empörung über den Schritt des neuen Eigentümer­s. Der damalige Bürgermeis­ter Klaus Holetschek (CSU) setzte sich dafür ein, dass es in der Einrichtun­g weitergehe­n kann, sie nicht endgültig verloren geht. Nach der Schließung der Kinderheil­stätte entstand in dem Gebäude das „Familie-Kind-Haus“. Diese Einrichtun­g der Kneipp’schen Stiftungen. schlossen die Barmherzig­en Brüder im Frühjahr 2018.

„Die Schließung des Kneippianu­ms macht uns unsagbar traurig“, sagte Bad Wörishofen­s Kurdirekto­rin Petra Nocker gestern auf Nachfrage. „Wir haben dieses Haus stets als erstklassi­ge Kneipp-Domäne erlebt und schätzen es sehr.“

Bad Wörishofen erfreue sich dieses Jahr „einer außerorden­tlichen Beliebthei­t“bei seinen Gästen, sagt Nocker. „Unsere Zahlen sind so gut wie seit vielen Jahren nicht mehr. Da tut diese Botschaft doppelt weh.“Mit welchen Einbußen man dort durch die Schließung des Kneippianu­ms rechnet, sagt Nocker auf Anfrage nicht.

Die benachbart­en Konventgeb­äude der Mallersdor­fer Schwestern sind von den aktuellen Vorgängen nicht betroffen. Das sagte Ansgar Dieckhoff auf Nachfrage. Die Schwestern hätten dort ein Wohnrecht.

 ?? Foto: Alf Geiger ?? Das Kneipppian­um erlebt seine letzte Saison. Im Dezember wird das Vier Sterne Haus geschlosse­n. Es handelt sich um eine von drei Einrichtun­gen, die Pfarrer Sebastian Kneipp selbst auf den Weg gebracht hatte.
Foto: Alf Geiger Das Kneipppian­um erlebt seine letzte Saison. Im Dezember wird das Vier Sterne Haus geschlosse­n. Es handelt sich um eine von drei Einrichtun­gen, die Pfarrer Sebastian Kneipp selbst auf den Weg gebracht hatte.

Newspapers in German

Newspapers from Germany