Wie geht es im Kneippianum weiter?
Erstmals nennt der Orden der Barmherzigen Brüder konkrete Zahlen zum Arbeitsplatzabbau nach der Schließung. Bad Wörishofens Hoteliers wollen den Betroffenen helfen
Bad Wörishofen Die Nachricht von der Schließung des Kneippianums beschäftigt die Menschen in Bad Wörishofen und der Nachbarschaft. Nicht wenige machen sich in den geäußerten Kommentaren in den sozialen Netzwerken Sorgen um die Zukunft des Heilbads. Derweil nennt der Orden der Barmherzigen Brüder erstmals selbst genauere Zahlen zu dem nun anstehenden Wegfall von Arbeitsplätzen.
Nach der Information der Belegschaft am Dienstag gab es im Kneippianum noch viel Gesprächsbedarf. Bis 18.30 Uhr wurden dort noch Einzelgespräche mit den betroffenen Mitarbeitern geführt. „In den Kneipp’schen Stiftungen arbeiten 188 Personen“, schildert Ansgar Dieckhoff die Situation. Er ist der Verwaltungsdirektor der bayerischen Ordensprovinz. Es würden „weniger als 50 Prozent der Gesamtzahl“der Stellen wegfallen, berichtet Dieckhoff auf Anfrage unserer Zeitung. „Konkret sind 68 Arbeitsplätze direkt betroffen“. Das sei darauf zurückzuführen, dass in Sebastianeum mehr Betten (157) als Kneippianum (144) vorhanden sind. „Zudem ist die Betreuung der Rehapatienten im Sebastianeum mit einem – relativ – größeren Einsatz von Personal verbunden“, macht Dieckhoff deutlich.
Keine Angaben macht der Orden zur Zahl der Übernachtungen, die zuletzt im Kneippianum gezählt wurden. Es handelt sich um eines der bedeutendsten und beliebtesten Häuser der Stadt. „Die Bettenbelegung des Kneippianums im Kalenderjahr 2018 liegt bei voraussichtlich 66,5 Prozent“, sagt Dieckhoff. Das sei „ein bemerkenswert hoher Wert“. Warum also die Schließung? Hier gibt Dieckhoff tiefere Einblicke. Er sagt, dass man in Bad Wörishofen keine kostendeckenden Zimmerpreise durchsetzen könne. Das habe eine Rolle bei der Entscheidung gespielt; insbesondere aber „die Tatsache, dass der Mittelbau des Kneippianums in mehrfacher Hinsicht nicht den Anforderungen entspricht.“Eine Totalsanierung des Mittelbaus mit völliger Entkernung und Teilabriss im laufenden Betrieb sei für den Orden wirtschaftlich aber „nicht darstellbar“, sagt der Verwaltungsdirektor.
Das Vier-Sterne-Haus wird im Dezember geschlossen. Wie es dann weitergeht, ist derzeit offen. „Die Schließung wurde erst in der letzten Woche beschlossen“, berichtet „Die Klärung der Nachnutzung wurde bewusst zurückgestellt.“
Seit Tagen wird allerdings in der Stadt über eine psychosomatische Klinik gesprochen, die das Angebot in Bad Wörishofens gut ergänzen könnte. Der Bauunternehmer Dieter Glass hatte eine solche Klinik ins Gespräch gebracht. Für die Barmherzigen Brüder selbst ist das allerdings kein Thema. „Eine psychosomatische Klinik in Trägerschaft der Barmherzigen Brüder ist nicht beabsichtigt“, teilt Dieckhoff mit. Auch Glass selbst glaubt nicht, dass im Kneippianum eine solche Klinik entstehen könnte. Er habe einen Standort „auf der grünen Wiese“im Sinn gehabt, sagte der Unternehmer gestern.
Allen Beschäftigten des Kneippianums, die ihre Jobs verlieren werden, machten gestern der Verein Stadtmarketing der Gastgeber und der Bayerische Hotel- und Gaststättenverband Hoffnung. „Den Mitarbeitern vom Kneippianum sei gesagt, wir benötigen ihr Wissen und ihre Arbeitskraft“, teilen Christian Förch, Hans Peter Schegerer und Hu bertus Holzbock in einer gemeinsa- men Erklärung mit. „Sorgen braucht sich heute wohl keiner machen, gute tüchtige Mitarbeiter werden in all unseren Betrieben gesucht.“Mit dem Kneippianum werde künftig aber „ein großer Betrieb beim Hochhalten der Kneippischen Lehre“fehlen, verdeutlichen die Hoteliers. „Wir aktiven Hoteliers werden aber weiter für den wunderschönen Urlaubs- und Gesundheitsort Bad Wörishofen arbeiten“, kündigen sie an. „Wir werden den zarten Aufschwung, den wir 2018 erleben, weiter fortführen und Bad Wörishofen mit Kneipp in der Priorität weiter stärken.“
Unterstützung kündigte gestern auch der Landtagsabgeordnete Bernhard Pohl (FW) an. Die Schließung des Kneippianums sei „ein harter Schlag für Bad Wörishofen und die Beschäftigten.“Die Stadt drohe, eines „ihrer Flaggschiffe zu verlieren“, beklagt Pohl.
Besonders bedauerlich sei es, dass „die positive Entwicklung der Kneippstadt durch dieses Ereignis einen Rückschlag erlitten hat.“Durch die „engagierte Arbeit von Bürgermeister Paul Gruschka in Wörishofen einiges vorangeganDieckhoff. gen“, so Pohl. Man müsse nun die Chancen ausloten und herausfinden, ob es noch eine Perspektive für das Kneippianum gibt. „Natürlich kann man jetzt nach Schuldigen suchen und die Ursache wahlweise im Management vor Ort oder in politischen oder wirtschaftlichen Rahmenbedingungen suchen“, sagt Pohl. „Ich bezweifle aber, dass uns das uns das weiter bringt.“
Bürgermeister Paul Gruschka (FW) hatte in seiner Erklärung zur Schließung des Kneippianums gesagt, in solchen Situationen werde „deutlich, wie begrenzt die Möglichkeiten der Politik angesichts betriebswirtschaftlicher Zwänge bei Unternehmen sind.“Gruschka nannte als Beispiel die betriebswirtschaftlich begründete Schließung der Kneipp’schen Kinderheilstätte durch die Barmherzigen Brüder im Jahr 2002. „Alle Rettungsversuche waren damals vergeblich“, so Gruschka. Die Kinderheilstätte war Kneipps erklärte Lieblingsstiftung. In der Stadt herrschte damals große Empörung über den Schritt des neuen Eigentümers. Der damalige Bürgermeister Klaus Holetschek (CSU) setzte sich dafür ein, dass es in der Einrichtung weitergehen kann, sie nicht endgültig verloren geht. Nach der Schließung der Kinderheilstätte entstand in dem Gebäude das „Familie-Kind-Haus“. Diese Einrichtung der Kneipp’schen Stiftungen. schlossen die Barmherzigen Brüder im Frühjahr 2018.
„Die Schließung des Kneippianums macht uns unsagbar traurig“, sagte Bad Wörishofens Kurdirektorin Petra Nocker gestern auf Nachfrage. „Wir haben dieses Haus stets als erstklassige Kneipp-Domäne erlebt und schätzen es sehr.“
Bad Wörishofen erfreue sich dieses Jahr „einer außerordentlichen Beliebtheit“bei seinen Gästen, sagt Nocker. „Unsere Zahlen sind so gut wie seit vielen Jahren nicht mehr. Da tut diese Botschaft doppelt weh.“Mit welchen Einbußen man dort durch die Schließung des Kneippianums rechnet, sagt Nocker auf Anfrage nicht.
Die benachbarten Konventgebäude der Mallersdorfer Schwestern sind von den aktuellen Vorgängen nicht betroffen. Das sagte Ansgar Dieckhoff auf Nachfrage. Die Schwestern hätten dort ein Wohnrecht.