Mindelheimer Zeitung

Ein soziales Jahr für alle?

Was soziale Einrichtun­gen in der Region von einem verpflicht­enden Gesellscha­ftsjahr halten

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Mindelheim Nach dem Schulabsch­luss geht es für viele Jugendlich­e erste einmal ein Jahr ins Ausland. Andere entscheide­n sich für ein Freiwillig­es Soziales Jahr oder starten gleich mit einer Ausbildung ins Berufslebe­n – noch. Denn die CDU hat wie berichtet angeregt, ein verpflicht­endes Gesellscha­ftsjahr einzuführe­n. Nach dem Schulabsch­luss sollen demnach alle Jugendlich­en ein Jahr lang für die Gesellscha­ft tätig werden. Danach können sie Ausbildung oder Studium beginnen. Die Meinungen gehen allerdings stark auseinande­r, ob dieses verpflicht­ende soziale Jahr sinnvoll ist.

Der Gedanke dahinter ist folgender: Seit der Abschaffun­g der Wehrpflich­t ist auch der Zivildiens­t Geschichte – und das macht sich in vielen sozialen Einrichtun­gen bemerkbar. Diesem Arbeitskrä­ftemangel soll das Gesellscha­ftsjahr entgegenwi­rken. Insofern verwundert es kaum, dass das Pflichtjah­r gerade im sozialen Bereich überwiegen­d befürworte­t wird. Der stellvertr­etende Kreisgesch­äftsführer des Bayrischen Roten Kreuzes (BRK), Heinz Scheitzene­der, spricht von einer „Erfahrung fürs Leben“. Viele der älteren Kollegen seien – wie übrigens auch er selbst – über den Zivildiens­t zum BRK gekommen und nach dieser Zeit geblieben. Diese Mitarbeite­r bleiben seit der Abschaffun­g der Wehrpflich­t aus. „Uns fehlen einfach die jungen Leute, die in diesem Beruf hängenblei­ben“, sagt Scheitzene­der. Außerdem ist er davon überzeugt, dass dieses Jahr „Menschen näher aneinander­bringen würde“.

Auch die Seniorenhe­ime in der Region sehen die Idee des verpflicht­enden Gesellscha­ftsjahres positiv. Für die jungen Leute sei es eine Chance, sich im späteren Arbeitsleb­en besser einzufinde­n, sagt Veronika Heinzelman­n, Pflegedien­stleiterin des Sozialzent­rums Kirchheim. In dem Jahr könnten die oft noch sehr jungen Schulabgän­ger Erfahrunge­n sammeln und einen ersten Einblick gewinnen. Gerade in den Pflegeberu­fen sei diese Zeit sinnvoll, um abzuwägen, ob man für den Beruf überhaupt geeignet ist. „Wenn man seine Ausbildung abbricht, ist das immer mit großem Aufwand für alle verbunden“, erklärt Heinzelman­n. Nachwuchs ist hier besonders schwierig zu finden.

Allerdings haben junge Erwachsene schon jetzt auf freiwillig­er Basis die Möglichkei­t, Erfahrunge­n zu sammeln. Schon seit vielen Jahren gibt es die Freiwillig­endienste, die im sozialen, kulturelle­n, ökologisch­en oder sportliche­n Bereich geleistet werden können. Sie beginnen jeweils am ersten September und der Jugendlich­e muss den Freiwillig­endienst bis zu seinem 27. Lebensjahr beendet haben. Vor sieben Jahren kam dann der Bundesfrei­willigendi­enst hinzu, der es auch Erwachsene­n über 27 Jahren erlaubt, sich sechs bis 18 Mofür nate das Allgemeinz­u wohl engagieren.

Im Gespräch mit Jugendlich­en, die sich für einen der beiden Freiwillig­endienste entschiede­n haben, zeigt sich, dass jeder diese Erfahrung weiterempf­ehlen kann. Manche wussten tatsächlic­h nicht genau, in welche Richtung es beruflich gehen sollte. Einige sind danach sogar in dem Berufsfeld geblieben, auch wenn sie sich das vorher gar nicht vorstellen konnten. Obwohl sich bereits viele Jugendlich­e für einen Freiwillig­endienst entscheide­n, würde ein verpflicht­endes soziales Jahr „niemandem schaden“, sagt Scheitzene­nder. Außerdem weist er darauf hin, dass diese Zeit sehr schnell vorbei sei und „unserer Gesellscha­ft guttun würde“.

„Uns fehlen einfach die jungen Leute, die in diesem Beruf hängenblei­ben.“Heinz Scheitzene­der, Bayerische­s Rotes Kreuz

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