Mindelheimer Zeitung

Wer war zuerst am Zug?

Gleich mehrere Politiker wollen derzeit die Bahnanbind­ung Bad Wörishofen­s verbessern. Prompt gibt es Reibereien. Es geht um Hybrid-Züge, Barrierefr­eiheit und einen angebliche­n „Schildbürg­erstreich“

- VON MARKUS HEINRICH

Bad Wörishofen Wie sieht die Zukunft der Bahnverbin­dung von und nach Bad Wörishofen aus? Wie steht es um die Barrierefr­eiheit am Bahnsteig der Kurstadt? Das sind Fragen, mit denen sich derzeit gleich mehrere politische Vertreter beschäftig­ten. Prompt gibt es Reibereien. „Staatsmini­sterin Aigner stellt Verbesseru­ngen auf der Bahnstreck­e zwischen Türkheim und Bad Wörishofen in Aussicht“verkündete­n jetzt Bad Wörishofen­s Altbürgerm­eister Klaus Holetschek und Wirtschaft­sminister Franz Pschierer (beide CSU). Umgehend folgte der Konter von deren Landtagsko­llegen Bernhard Pohl (Freie Wähler). Er habe die Erklärung von Pschierer und Holetschek „mit großer Verwunderu­ng“zur Kenntnis genommen, sagt Pohl und spricht von „altbekannt­en Tatsachen.“Denn auch Pohl und Bad Wörishofen­s Bürgermeis­ter Paul Gruschka (Freie Wähler) reklamiere­n für sich, in München Verbesseru­ngen für die Bahn und die Bahnkunden in Bad Wörishofen zu erreichen.

Pschierer und Holetschek betonen in ihrer Erklärung, dass Bad Wörishofen als „ältester und bekanntest­er Kneipp-Kurort in besonderem Maße“auf eine moderne Bahnverbin­dung angewiesen sei. Deshalb wurden beide bei Bayerns Verkehrsmi­nisterin Ilse Aigner vorstellig, mit dem Ziel, alsbaldige Verbesseru­ngen zwischen Türkheim und Bad Wörishofen zu erreichen. Schließlic­h würden Bad Wörishofen­s zumeist ältere Gäste gerne auf den öffentlich­en Nahverkehr zurückgrei­fen. Das hat sich zuletzt wieder gezeigt, als Gäste davon überrascht wurden, dass sie zurzeit Bad Wörishofen nur mit Bussen erreichen können. Man sei mehrfach drauf angesproch­en worden, teilt der Kur und Tourismusb­etrieb Bad Wörishofen mit. Bekanntlic­h wird die Bahnstreck­e zwischen Buchloe und Leutkirch noch bis zum 15. Oktober elektrifiz­iert, der Bahnhof Türkheim umfassend umgebaut.

Gerade für Menschen, die einen Rollator benötigen, sei es „recht umständlic­h und unangenehm“, von der geänderten Anreise überrascht zu werden, teilte der Kurbetrieb daraufhin mit und bat um rechtzeiti­ge Informatio­n der Gäste durch die Gastgeber. Die Strecke von Türkheim nach Bad Wörisho- fen wird aber auch nach den Arbeiten nicht elektrifiz­iert sein. Das wäre nur möglich, wenn zugleich auch die Strecke Augsburg – Buchloe elektrifiz­iert wäre, so Holetschek und Pschierer.

Diese Maßnahme mache aus bayerische­r Sicht Sinn, sei auch beim Bundesverk­ehrswegepl­an angemeldet, aber vom Bund nicht berücksich­tigt worden.

Aigner, Pschierer und Holetschek sind sich einig darin, dass die Elektrifiz­ierung langfristi­g kommen muss, auch zwischen Türkheim und Bad Wörishofen. Für die Stichstrec­ke nach Bad Wörishofen „stellt die Ministerin allerdings eine mittelfris­tige Lösung in Aussicht“, teilen Pschierer und Holetschek mit. Hier sei zu überlegen, ob nicht anstelle einer Elektrifiz­ierung der Einsatz von elektrisch­en Hybrid-Zügen eine Alternativ­e sein wird.

Der Freistaat werde Pilotproje­kte starten. Deren Ergebnisse müssten vor einer Ausschreib­ung abgewartet werden. Ob und wann ein HybridAnge­bot zwischen Türkheim und Bad Wörishofen entstehen könnte, unklar. „All das, was in der Pressemitt­eilung steht, habe ich gemeinsam mit Bürgermeis­ter Paul Gruschka und mit Staatsmini­ster Jo sef Zellmeier am 6. Juni 2018 besprochen“, teilt der Landtagsab­geordnete Pohl dazu mit. Das sei seit 27. Juli auch öffentlich bekannt, die Mitteilung war mit Zellmeier abgestimmt. „Die Informatio­nen der Kollegen besitzen somit keinerlei Neuigkeits­wert“, kritisiert Pohl.

Aus seiner Sicht geht es vorrangig für die Zukunft um zwei Punkte: Die komplette Barrierefr­eiheit und die Elektrifiz­ierung. Barrierefr­eiheit werde erst dann möglich sein, wenn die Bahn die richtigen Züge bestellt. „Ich bin über das neue Zugmateria­l alles andere als glücklich“, sagt Pohl. „Die alten Niederflur­züge wären für die Übergangsz­eit jedenfalls besser gewesen.“

Laut Aigner kommen zwischen Bad Wörishofen und Türkheim Neigetechn­ikzüge zum Einsatz. Mit Niederflur­fahrzeugen hätte man dagegen „gemeinsam mit einer Anhebung der Bahnsteigh­öhe mit vertretbar­em Aufwand eine komplette Barrierefr­eiheit hinbekomme­n“, sagt Pohl. „Die Neigetechn­ikzüge mögen zwar etwas schneller sein, haben aber den Nachteil, dass sie den Ausstieg nur mit Stufen ermögliche­n.“

Das hatten zwischenze­itlich auch Vertreter von Behinderte­nverbänden kritisiert. „Zwar kann Menschen mit Mobilitäts­einschränk­ungen über Hublifte und Begleitper­sonal in Zügen geholfen werden“, schildert Pohl.

„Ich erkenne diese Verbesseru­ng durchaus als positiv an. Allerdings hilft dies Menschen mit Gepäckstüc­ken wenig, insbesonde­re dann, wenn sie älter sind.“

Dennoch erkenne er den von Staatssekr­etär Zellmeier genannten Fortschrit­t, der zum Jahresende eintritt, als durchaus positiv an. „Der Einsatz von Bürgermeis­ter Paul Gruschka und mir in der Vergangenh­eit hat sich gelohnt“, stellt Pohl fest. „Es gibt Verbesseru­ngen. Das muss man in Richtung auf die Bahn und das neu geschaffen­e Bauund Verkehrsmi­nisterium lobend hervorhebe­n.“Die schnelle Elektriist fizierung von Türkheim nach Bad Wörishofen sei nicht nur wünschensw­ert, sondern eigentlich mit einem geringen Kostenaufw­and im Zuge der Elektrifiz­ierung der Strecke München-Memmingen-Lindau möglich, findet Pohl. Sie sei aber im Ausbauplan nicht vorgesehen, weswegen es keine kurzfristi­ge Realisieru­ng geben werde.

„Es ist eigentlich ein Armutszeug­nis, dass man eine derart wichtige Maßnahme nicht dann in Angriff nimmt, wenn ohnehin gebaut wird“, kritisiert Pohl.

„Bei den Gesamtkost­en der großen Maßnahme wäre diese kleine Zusatzstre­cke nicht ins Gewicht gefallen“, macht er deutlich. Das Vorgehen hier nennt er einen „Schildbürg­erstreich“.

Auf Aigner und Zellmeier ziele diese Kritik aber nicht ab, stellt er klar. Zuständig sei der Bund. Bürgermeis­ter Paul Gruschka stellte in der Erklärung vom 27. Juli klar, dass der komplett barrierefr­eie Ausbau an Bad Wörishofen­s Gleisansch­luss auf der Agenda ganz oben stehe.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Der Kneipp Lechfeld Express im Hauptbahnh­of von Augsburg. Das Ziel lautet Bad Wörishofen. Derzeit ist aber in Buchloe Schluss. Wegen der Elektrifiz­ierung der Bahnlinie in Richtung Lindau ist Bad Wörishofen letztlich nur per Bus erreichbar.
Foto: Silvio Wyszengrad Der Kneipp Lechfeld Express im Hauptbahnh­of von Augsburg. Das Ziel lautet Bad Wörishofen. Derzeit ist aber in Buchloe Schluss. Wegen der Elektrifiz­ierung der Bahnlinie in Richtung Lindau ist Bad Wörishofen letztlich nur per Bus erreichbar.

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