Wer war zuerst am Zug?
Gleich mehrere Politiker wollen derzeit die Bahnanbindung Bad Wörishofens verbessern. Prompt gibt es Reibereien. Es geht um Hybrid-Züge, Barrierefreiheit und einen angeblichen „Schildbürgerstreich“
Bad Wörishofen Wie sieht die Zukunft der Bahnverbindung von und nach Bad Wörishofen aus? Wie steht es um die Barrierefreiheit am Bahnsteig der Kurstadt? Das sind Fragen, mit denen sich derzeit gleich mehrere politische Vertreter beschäftigten. Prompt gibt es Reibereien. „Staatsministerin Aigner stellt Verbesserungen auf der Bahnstrecke zwischen Türkheim und Bad Wörishofen in Aussicht“verkündeten jetzt Bad Wörishofens Altbürgermeister Klaus Holetschek und Wirtschaftsminister Franz Pschierer (beide CSU). Umgehend folgte der Konter von deren Landtagskollegen Bernhard Pohl (Freie Wähler). Er habe die Erklärung von Pschierer und Holetschek „mit großer Verwunderung“zur Kenntnis genommen, sagt Pohl und spricht von „altbekannten Tatsachen.“Denn auch Pohl und Bad Wörishofens Bürgermeister Paul Gruschka (Freie Wähler) reklamieren für sich, in München Verbesserungen für die Bahn und die Bahnkunden in Bad Wörishofen zu erreichen.
Pschierer und Holetschek betonen in ihrer Erklärung, dass Bad Wörishofen als „ältester und bekanntester Kneipp-Kurort in besonderem Maße“auf eine moderne Bahnverbindung angewiesen sei. Deshalb wurden beide bei Bayerns Verkehrsministerin Ilse Aigner vorstellig, mit dem Ziel, alsbaldige Verbesserungen zwischen Türkheim und Bad Wörishofen zu erreichen. Schließlich würden Bad Wörishofens zumeist ältere Gäste gerne auf den öffentlichen Nahverkehr zurückgreifen. Das hat sich zuletzt wieder gezeigt, als Gäste davon überrascht wurden, dass sie zurzeit Bad Wörishofen nur mit Bussen erreichen können. Man sei mehrfach drauf angesprochen worden, teilt der Kur und Tourismusbetrieb Bad Wörishofen mit. Bekanntlich wird die Bahnstrecke zwischen Buchloe und Leutkirch noch bis zum 15. Oktober elektrifiziert, der Bahnhof Türkheim umfassend umgebaut.
Gerade für Menschen, die einen Rollator benötigen, sei es „recht umständlich und unangenehm“, von der geänderten Anreise überrascht zu werden, teilte der Kurbetrieb daraufhin mit und bat um rechtzeitige Information der Gäste durch die Gastgeber. Die Strecke von Türkheim nach Bad Wörisho- fen wird aber auch nach den Arbeiten nicht elektrifiziert sein. Das wäre nur möglich, wenn zugleich auch die Strecke Augsburg – Buchloe elektrifiziert wäre, so Holetschek und Pschierer.
Diese Maßnahme mache aus bayerischer Sicht Sinn, sei auch beim Bundesverkehrswegeplan angemeldet, aber vom Bund nicht berücksichtigt worden.
Aigner, Pschierer und Holetschek sind sich einig darin, dass die Elektrifizierung langfristig kommen muss, auch zwischen Türkheim und Bad Wörishofen. Für die Stichstrecke nach Bad Wörishofen „stellt die Ministerin allerdings eine mittelfristige Lösung in Aussicht“, teilen Pschierer und Holetschek mit. Hier sei zu überlegen, ob nicht anstelle einer Elektrifizierung der Einsatz von elektrischen Hybrid-Zügen eine Alternative sein wird.
Der Freistaat werde Pilotprojekte starten. Deren Ergebnisse müssten vor einer Ausschreibung abgewartet werden. Ob und wann ein HybridAngebot zwischen Türkheim und Bad Wörishofen entstehen könnte, unklar. „All das, was in der Pressemitteilung steht, habe ich gemeinsam mit Bürgermeister Paul Gruschka und mit Staatsminister Jo sef Zellmeier am 6. Juni 2018 besprochen“, teilt der Landtagsabgeordnete Pohl dazu mit. Das sei seit 27. Juli auch öffentlich bekannt, die Mitteilung war mit Zellmeier abgestimmt. „Die Informationen der Kollegen besitzen somit keinerlei Neuigkeitswert“, kritisiert Pohl.
Aus seiner Sicht geht es vorrangig für die Zukunft um zwei Punkte: Die komplette Barrierefreiheit und die Elektrifizierung. Barrierefreiheit werde erst dann möglich sein, wenn die Bahn die richtigen Züge bestellt. „Ich bin über das neue Zugmaterial alles andere als glücklich“, sagt Pohl. „Die alten Niederflurzüge wären für die Übergangszeit jedenfalls besser gewesen.“
Laut Aigner kommen zwischen Bad Wörishofen und Türkheim Neigetechnikzüge zum Einsatz. Mit Niederflurfahrzeugen hätte man dagegen „gemeinsam mit einer Anhebung der Bahnsteighöhe mit vertretbarem Aufwand eine komplette Barrierefreiheit hinbekommen“, sagt Pohl. „Die Neigetechnikzüge mögen zwar etwas schneller sein, haben aber den Nachteil, dass sie den Ausstieg nur mit Stufen ermöglichen.“
Das hatten zwischenzeitlich auch Vertreter von Behindertenverbänden kritisiert. „Zwar kann Menschen mit Mobilitätseinschränkungen über Hublifte und Begleitpersonal in Zügen geholfen werden“, schildert Pohl.
„Ich erkenne diese Verbesserung durchaus als positiv an. Allerdings hilft dies Menschen mit Gepäckstücken wenig, insbesondere dann, wenn sie älter sind.“
Dennoch erkenne er den von Staatssekretär Zellmeier genannten Fortschritt, der zum Jahresende eintritt, als durchaus positiv an. „Der Einsatz von Bürgermeister Paul Gruschka und mir in der Vergangenheit hat sich gelohnt“, stellt Pohl fest. „Es gibt Verbesserungen. Das muss man in Richtung auf die Bahn und das neu geschaffene Bauund Verkehrsministerium lobend hervorheben.“Die schnelle Elektriist fizierung von Türkheim nach Bad Wörishofen sei nicht nur wünschenswert, sondern eigentlich mit einem geringen Kostenaufwand im Zuge der Elektrifizierung der Strecke München-Memmingen-Lindau möglich, findet Pohl. Sie sei aber im Ausbauplan nicht vorgesehen, weswegen es keine kurzfristige Realisierung geben werde.
„Es ist eigentlich ein Armutszeugnis, dass man eine derart wichtige Maßnahme nicht dann in Angriff nimmt, wenn ohnehin gebaut wird“, kritisiert Pohl.
„Bei den Gesamtkosten der großen Maßnahme wäre diese kleine Zusatzstrecke nicht ins Gewicht gefallen“, macht er deutlich. Das Vorgehen hier nennt er einen „Schildbürgerstreich“.
Auf Aigner und Zellmeier ziele diese Kritik aber nicht ab, stellt er klar. Zuständig sei der Bund. Bürgermeister Paul Gruschka stellte in der Erklärung vom 27. Juli klar, dass der komplett barrierefreie Ausbau an Bad Wörishofens Gleisanschluss auf der Agenda ganz oben stehe.