Söder macht so einiges durch
Erst kapert die SPD eine Internetseite der CSU, dann schickt sie Spott hinterher. Wie die Christsozialen reagieren und warum dieser Vorfall nicht die erste digitale Panne ist
München So geht Wahlkampf in der heutigen Zeit. Plakate zieren Laternenmasten, Politiker besuchen Marktplätze und – die Digitalisierung lässt grüßen – auch im Internet werben die Parteien knapp zwei Monate vor der Landtagswahl um die Gunst der Wähler. Was sich die SPD nun geleistet hat, würden DigitalExperten womöglich als gelungenen Marketing-Coup bezeichnen.
Marketing-Coup? Markus Blume hat dafür wenig übrig: „Bei der SPD muss die Verzweiflung schon ziemlich groß sein, wenn sie CSU-Slogans klauen und den Wählern dreiste Lügen auftischen muss“, sagt der CSU-Generalsekretär unserer Redaktion. „Das ist die Bayern-SPD von heute: keine eigenen Inhalte, kein Ministerpräsidentenkandidat, kein Anstand, keine 13 Prozent“, schimpft er – und greift die Sozialdemokraten sowie die anderen Oppositionsparteien scharf an. „Die Opposition in Bayern steht für Klamauk, Fake News und Schmutzkampagne“, sagt er. „Eine Opposition, die politischen Anstand plakatiert, aber als erste wahrnehmbare Wahlkampfaktion Falschmeldungen verbreitet, ist maximal unglaubwürdig“, sagt Blume mit Blick auf SPD-Spitzenkandidatin Natascha Kohnen, die für die anstehende Landtagswahl Plakate mit dem groß gedruckten Wort „Anstand“aufstellen ließ.
Was war passiert? Unter dem Slogan „Söder macht’s!“wirbt die CSU nun für ihren Spitzenkandidaten. So steht auf einem Plakat: „Heimat – unsere bayerische Lebensart erhalten“. Und darunter: „Söder macht’s!“Allerdings nur analog. Die Partei hat es versäumt, sich rechtzeitig die dazugehörige Online-Adresse zu sichern. Das SPDWahlkampf-Team witterte die Chance und schlug zu. Das Ergebnis ist die Homepage soeder-machts.de.
Auf den ersten Blick sieht die Seite nach CSU aus. Das große Banner „Söder macht’s“, der Hintergrund im CSU-Blau. Doch ein Blick ins Impressum zeigt: Dahinter steckt Rainer Glaab, Kampagnen-Chef der Bayern-SPD. Und auch beim Lesen des Inhalts fällt schnell auf, dass dies kaum Dinge sind, die die CSU über sich verbreiten würde. Im oberen Teil wird unter dem Titel „Söder macht’s“aufgezählt, was dieser aus Sicht der SPD falsch gemacht hat. Drei Beispiele im Wortlaut:
● 32000 öffentliche Wohnungen an private Investoren verscherbeln – und damit 80000 Mieter im Regen stehen lassen;
● ein verfassungswidriges Polizeigesetz gegen alle Bedenken durchs Parlament peitschen und dann seine Kritiker beschimpfen;
● am Ende des Schuljahres tausende angestellte Lehrerinnen und Lehrer entlassen.
Fazit der SPD: „Damit hat er sich in Rekordzeit zu Deutschlands unbeliebtestem Ministerpräsidenten gemacht.“Weiter unten folgt die Aufzählung „Was Bayern wirklich braucht“, beispielsweise „eine wirksame Offensive für bezahlbaren Wohnraum“oder „kostenfreie Kitas und eine Kinder-Grundsicherung“.
Der Satz „Das alles gibt es hier“verweist auf das SPD-Wahlprogramm sowie die Homepage von Kohnen. Wie die Sozialdemokraten die Aktion in die Wege leiteten, erklärt Pressesprecher Ino Kohlmann. Am Samstag habe die Partei vom CSU-Slogan erfahren und gleich geprüft, ob online schon Inhalte einsehbar sind. „Wir waren sehr erstaunt, dass weder die URL noch die SocialMedia-Accounts zu ‚Söder macht’s‘ gesichert waren.“Mit URL ist die Internetadresse gemeint.
Sich Online-Auftritte zu Wahlkampfslogans zu sichern, sei „digitales Grundwissen“, lästert Kohlmann. Ihn freut der Coup: „Wenn der Ball auf dem Elfmeterpunkt liegt, muss man auch schießen.“Auf Twitter macht sich der Hashtag #soedermachts schon selbstständig und viele Nutzer lassen ihrer Kreativität freien Lauf. Eine Art Retourkutsche folgte umgehend. Wer am Abend nataschakohnen.bayern oder kohnen-plus.de eingab, wurde auf das CSU-Regierungsprogramm geleitet.
Die soeder-machts.de-Seite ist übrigens nicht der erste PR-Gag, den sich die SPD mit dem CSU-Spitzenkandidaten erlaubt. Söders Faschingskostüm als Comic-Figur Shrek nutzte sie, um über seine Wahl zum Ministerpräsidenten zu spotten. Dazu ließen die Sozialdemokraten sein grünes Konterfei auf Plakate drucken – betitelt mit dem Slogan „Ach, Du Schreck. Jetzt regiert er!“.
Auch jetzt im Wahlkampf ist für die CSU digital einiges schiefgelaufen. Eine Kampagne, mit der die CSU auf die #ausgehetzt-Kundgebung für Toleranz und Demokratie reagierte, löste teils amüsierte, teils erboste Reaktionen aus. Anschließend versuchte die Partei mit dem Hashtag #IchBinCSU Sympathiepunkte zu sammeln. Einige CSU-Mitglieder bestückten dafür ihr Facebook-Foto mit dem Hashtag. Statt Solidaritätserklärungen folgten jedoch größtenteils satirische Repliken wie „Menschen in Not diffamiere ich als Asyltouristen. #IchBinCSU.“oder „Ich bin Bundesminister für Bauen und Wohnen. Ich habe in dieser Funktion noch keinen Finger krumm gemacht. Ich bin Horst Seehofer, #IchBinCSU.“
Die SPD lästert: Das ist digitales Grundwissen