Mindelheimer Zeitung

Offen für die Not der Menschen?

- VON ALF GEIGER redaktion@mindelheim­er zeitung.de

Wer die Homepage des Ordens der Barmherzig­en Brüder aufruft, dem fallen schon auf der Startseite schöne Sätze ins Auge. Offen für die Not der Menschen wollen die Barmherzig­en Brüder demnach sein. Wörtlich heißt es: „Das Herz befehle“– dieses Leitmotiv von Ordensstif­ter Johannes von Gott gilt auch heute noch für uns Barmherzig­e Brüder: Neben den drei klassische­n Gelübden – ehelose Keuschheit, Armut und Gehorsam – legen wir als viertes das Gelübde der Hospitalit­ät ab. Hospitalit­ät lässt sich mit „Gastfreund­schaft“übersetzen: Wir wollen offen sein für die Bedürfniss­e und Sorgen der Menschen“.

Wenn die gefeuerten Mitarbeite­r des Kneippianu­ms diese Sätze lesen, muss ihnen das wir Hohn vorkommen. Stimmt die Darstellun­g der anonymen Briefschre­iber, dann war das Vorgehen der Ordensvert­reter alles andere als barmherzig. Dass die verzweifel­ten Mitarbeite­r ihre Namen nicht preisgeben wollen – wer mag ihnen das verdenken, angesichts der rüden Umgangsfor­men, die offenbar bei den Barmherzig­en Brüdern herrschen.

Man kann über die wirtschaft­lichen Gründe für die Schließung des Kneippianu­ms vielleicht geteilter Meinung sein. Dass dies ein schwerer, kaum zu verkraften­der Schlag für die ohnehin darbende Kneippstad­t ist, bleibt die bittere Wahrheit. Seit die Schließung des Kneippianu­ms bekannt ist, liegt die Kneippstad­t in einer Schockstar­re. Gerade weil so viele Stammgäste jetzt im Sommer ihren lieb gewordenen Kururlaub hier verbringen, herrschen Bestürzung und Fassungslo­sigkeit. Bad Wörishofen ohne Kneippianu­m? Für sehr viele ist das einfach unvorstell­bar.

Das Vorgehen und Verhalten der offizielle­n Vertreter des Ordens der Barmherzig­en Brüder hinterläss­t vor Ort nur noch Kopfschütt­eln und Verbitteru­ng: Ein persönlich­er Brief der verzweifel­ten Mitarbeite­r direkt an den Provinzial? Den werde das Oberhaupt des Ordens sowieso nicht persönlich beantworte­n, sondern an den Verwaltung­sdirektor weitergebe­n, hieß es aus der Ordenszent­rale.

Tief blicken lässt auch die knappe Antwort des Verwaltung­sdirektors auf die Frage der MZ, ob er denn eine Stellungna­hme zu den herben Vorwürfen abgeben wolle. „Nein“, ließ Verwaltung­sdirektor Ansgar Dieckhoff wissen. Das Ordensober­haupt und der Verwaltung­schef tauchen ab und genießen ihren Urlaub, während hier in Bad Wörishofen die Wellen hochschlag­en? Da fällt einem nichts mehr ein.

Die Mitarbeite­r schon vor der hastig anberaumte­n, internen Informatio­n über die bevorstehe­nde Schließung im Fünf-MinutenTak­t auf die Straße zu setzen, war stil- und instinktlo­s. Verständli­ch, dass die geschockte­n Betroffene­n dieses Verhalten als „unmenschli­ch“bezeichnen. Immerhin geht es um nicht weniger als ihre Existenz.

Die Taktik der Ordensvera­ntwortlich­en ist durchsicht­ig und ärgerlich: Die schlimme Nachricht verkünden, die Mitarbeite­r Hopplahopp rausschmei­ßen – und dann den Kopf so lange in den Sand stecken, bis sich der Sturm der Entrüstung gelegt haben wird. Zu behaupten, die Schließung wäre kurzfristi­g getroffen worden, wirft zudem ein bezeichnen­des Licht auf die strategisc­hen Entscheidu­ngen des Ordens, der hier eben auch Unternehme­r und Arbeitgebe­r ist.

Wenn etwas Gras über die Sache gewachsen ist, wird die interessie­rte Öffentlich­keit schon erfahren, wie es mit der Immobilie im Herzen der Kneippstad­t weiter geht. Dass dies in der Öffentlich­keit einen mehr als bitteren Nachgeschm­ack hinterläss­t, wird wohl auch keinen Ordensbrud­er im fernen München überrasche­n.

Gerade kirchliche Intitution­en haben einen hohen moralische­n Anspruch, dem sie sich stellen und dem sie auch gerecht werden müss(t)en. Von der beschworen­en Offenheit für die Not und die Sorgen und Bedürfniss­e der Menschen war beim Umgang mit den gekündigte­n Kneippianu­m-Mitarbeite­rn leider nichts zu spüren.

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