Eine Genusstour zwischen Mattsies und Mindelheim
Fahr Rad! Warum der Autor mit großen Zielen losfuhr, sich unterwegs aber umentschied. Eine Entdeckungsfahrt rund um Mindelheim
Mindelheim Wer garantiert nichts von seiner Umgebung mitbekommen will, setzt sich vor den Fernseher, den Computer, ins Auto oder Flugzeug. Oder er verschanzt sich am besten gleich daheim hinter heruntergelassenen Rollos und lässt sich sein Essen durch die Katzenklappe durchschieben. Wer so lebt, wird wohl nie erfahren, wie schön unsere Gegend wirklich ist. Idealerweise lässt sich mit dem Fahrrad das Unterallgäu besonders gut erkunden. Das entschleunigt ungemein.
Das ist ja das Schöne am Unterallgäu: Mittlerweile gibt es ein flächendeckendes Netz an gut ausgebauten Radwegen, die zum vergnüglichen Ausritt geradezu einladen. Und wo es noch keine Radwege gibt, sind die Nebenstraßen so wenig befahren, dass sie fast wie breite Radwege daherkommen.
Einen Haken hat die unbeschwerte Radlerei rund um Mindelheim freilich: Wirklich flott vorankommt nur, wer nicht links und rechts schaut. Alle anderen werden feststellen: Hier gibt es an jeder Ecke etwas zu entdecken. Start unserer kleinen Runde ist Mindelheim. Da geht es gleich mal vom Wohngebiet im Norden der Stadt auf eine Straße ganz ohne motorisierten Verkehr. Es ist die alte Mattsieser Straße, die der Stadtrat seit Jahren nur noch Fußgängern und Radfahrern überlässt. Alle anderen müssen außen herumfahren, wenn sie nach Nassenbeuren wollen.
Entlang der Bahnlinie in Richtung Günzburg geht es erst einmal an mächtigen Maisfeldern entlang. Demnächst werden die Häcksler anrollen und das Ende dieses rekordverdächtigen Sommers für jeden sichtbar einläuten. In Nassenbeuren lohnt sich, auch mal die eine oder andere Nebenstraße zu nehmen. Die Weststraße zum Beispiel bietet schöne Häuser mit prächtigen Gärten. In diesem Sommer quellen die Obstbäume regelrecht über, so großzügig ist heuer die Natur.
Weiter im Norden treffen wir auf zwei ungewöhnliche Häuser. Da ist die alte Bahnhofsgaststätte, die es längst nicht mehr gibt. Hier ist ein Fuhrunternehmen eingezogen. Nicht weit davon steht eine Villa aus dem Jahr 1913. Auch das war einmal ein Firmensitz. Hier hatte ein Handwerksbetrieb seine Bleibe.
Wer jetzt schon eine Pause braucht – bitteschön: Bei Blumen & Café Birkle lässt sich prima inmitten all des Grüns sitzen und rasten. Aber auch das nächste Lokal ist nicht weit: Oben am Hang, am Weg Richtung Mattsies, liegt der Landgasthof Nassenbeuren. Wer hier Rast unter Kastanien einlegt, wird mit herrlichem Blick ins Mindeltal belohnt – neben der gehobenen heimischen Küche, die einen guten Ruf besitzt. So weit sind wir aber noch nicht. Neben der Nassenbeurer Kirche St. Vitus liegt das von Fritz Birkle schön restaurierte ehemalige Pfarrhaus. Vor 200 Jahren hat hier der Pfarrer Christoph von Schmid gelebt und hier womöglich auch sein weltberühmtes Weihnachtslied geschrieben. Jedes Kind kennt „Ihr Kinderlein kommet.“Und so hat der gebürtige Dinkelsbühler Schmid seiner Wahlheimat Nassenbeuren ein Geschenk für die Ewigkeit gemacht.
Nur einen Katzensprung entfernt lohnt der nächste Halt. Die Lindenallee mit ihrem verschlungenen Weg, die zur Wallfahrtskirche Maria Schnee führt, ist ein sehenswertes Naturdenkmal. Sie ist der ganze Stolz der Nassenbeurer. Daneben stolziert ein Storch über die Wiese. Das Idyll ist perfekt.
Jetzt aber rauf aufs Rad weiter in Richtung Mattsies. Da geht es erst einmal auf der normalen Ortsverbindungsstraße durch ein Waldstück, vorbei an ein paar kleineren Teichen. Wer die Strecke mit dem Auto fährt, hat die Gewässer vielleicht noch gar nicht wahrgenommen.
Auch Mattsies wartet mit viel Historischem auf. Die Gaststätte Schafhäutl ist leider Geschichte. Und auch in der Dorfkirche weht die Besucher gleich der Hauch der Vergangenheit an. Als ranghöchster Geistlicher ist dort im Jahr 1458 ein gewisser Enea Silvio Pikkolomini vermerkt. Dieser Italiener wurde später Papst Pius II. In Mattsies war der gute Mann aber nie. Die Episode zeigt aber immerhin: Mattsies war im 15. Jahrhundert eine wichtige und wohl auch sehr vermögende Pfarrei.
Im Süden, etwas außerhalb von Mattsies, spitzt noch das Dach des Schlosses über den Baumwipfeln heraus. Die verwunschene Burg wartet immer noch darauf, wachgeküsst zu werden. Weiter geht die kleine Radrundreise in Richtung Rammingen. Zwei Störche lassen sich durch nichts in ihrem Streifzug über die Felder stören, schon gar nicht von Pedalrittern.
Nächster Halt Rammingen. Jetzt wird es richtig gemütlich. Im Braustadel wartet ein luftiger Biergarten mit kräftiger Brotzeit und selbst gebrautem Bier. Und jetzt ist es Zeit zur Beichte. Lagen auch ein paar Kirchen auf dem Weg. Die große Runde über Bad Wörishofen, Hartenthal, bis zum Gasthof Rehwinkel in Osterlauchdorf und dann zurück über Mindelau nach Mindelheim – die haben wir an diesem Ausflugstag nicht mehr geschafft. Oder nicht mehr schaffen wollen.
Radfahren im Unterallgäu heißt ja nicht, die Tour die France im Westentaschenformat nachspielen. Hier zählt ruhiges Genießen – auf der Strecke wie im Biergarten. Zurück von Rammingen ging es dann über Waldwege und über die drei Tore im Osten der Kreisstadt. Und irgendwie hatten wir das Gefühl, eine Mördertour geschafft zu haben.
Schöne Häuser und prächtige Gärten