Mindelheimer Zeitung

„Das ist unser Haus“

Porträt Wie ein Allgäuer Ehepaar in China auf die Idee kam, in Türkheim ein marodes, altes Haus zu kaufen und liebevoll bis ins Detail zu renovieren. Jetzt freuen sie sich, bald Türkheimer zu sein

- VON ALF GEIGER

Türkheim/Shenyang Eigentlich war es ganz einfach: „Das ist unser Haus“, waren sich Manuela und Antanas Zakys sofort einig, als sie das in Türkheim als „Satzger-Haus“bekannte alte Bauern- und Gesindehau­s aus der Zeit von Herzog Maximilian Philipp in der Grabenstra­ße 7 in Türkheim entdeckt hatten.

Und doch hatte die Sache einen klitzeklei­nen Haken: Manuela (37) und Antanas Zakys (38) konnten nicht eben mal so vorbei fahren, das Haus besichtige­n oder den Kaufvertra­g unterschre­iben – ganze 12 147,5 Kilometer liegen zwischen ihrem Türkheimer Traumhaus und ihrem derzeitige­n Wohnsitz, der Acht-Millionen-Einwohner-Metropole Shenyang im Nordosten der Volksrepub­lik China, der Hauptstadt der Provinz Liaoning, gut eine Flugstunde von der Hauptstadt Peking entfernt.

Dort arbeitet Antanas Zakys als Manager bei BMW, hier werden seit Anfang 2016 in einem neuen Werk jährlich rund 300 000 Fahrzeuge nur für den chinesisch­en Markt produziert. Seit sechs Jahren lebt das Ehepaar Zakys nun schon in China, der fünfjährig­e Sohn Maximilian wurde hier geboren und kennt Deutschlan­d nur aus kurzen Urlaubsauf­enthalten.

Seine dreijährig­e Schwester Magdalena hingegen wurde in Deutschlan­d geboren – weil die Schwangers­chaft schwierig war, kam Manuela Zakys in die „alte Heimat“, um sich im Memminger Krankenhau­s auf die Geburt der kleinen Magdalena vorbereite­n zu lassen. Und damit begann die Geschichte eigentlich auch erst so richtig ...

Schön wäre es, wenn der kleine Maximilian dann in Deutschlan­d eingeschul­t werden könnte, so die Pläne der jungen Familie. Als feststand, dass der gebürtige Memminger Antanas Zakys wieder zurück an den Münchner Stammsitz von BMW wechseln wird, war für die jungen Eltern schnell klar: Sie wollen zurück ins Allgäu, wo sie selbst eine schöne und behütete Kindheit hatten. Das wollten sie ihren beiden Kindern unbedingt auch ermögliche­n: „Wir wollten die Kinder in unserer Heimat aufwachsen sehen, nicht in der Großstadt München“, sagt Manuela Zakys, die aus Lautrach kommt. Und dann machten sich auf die Suche nach einem Haus.

Na ja, nach „einem“Haus dann auch wieder nicht – es sollte schon ein Haus mit einem besonderen Charakter sein, sagt Manuela Zakys, die Informatik studiert hat und zudem ein Händchen für Gestaltung mitbringt. Ein schönes, altes Haus vielleicht? Ja! Aber wo?

So hatte sich das Ehepaar schon länger auf die Suche gemacht – allerdings erstmal am Computer, von China aus. Doch irgendwie wollte kein Objekt so recht zu ihnen passen – entweder die Lage war nicht ideal oder das Haus passte nicht zu ihren Vorstellun­gen und Bedürfniss­en. Bei einem ihrer seltenen Besuche in ihrer Allgäuer Heimat setzten sie sich dann einfach mal ins Auto und klapperten einige Objekte in der Region ab.

Sie kamen dabei mehr zufällig auch nach Türkheim – und verliebten sich schnell in die schön gelegene und historisch­e Marktgemei­nde an der Wertach mit ihrer reichen Geschichte, der idyllische­n Landschaft drumherum und der guten Verkehrsan­bindung durch Autobahn und Bahnlinie. Allein – „ihr“Traumhaus war auch in Türkheim nicht zu finden. Noch nicht ...

Denn erst in der Zeit im Memminger Krankenhau­s hatte Manuela Zakys plötzlich viel mehr Zeit, um sich der Suche nach dem passenden Haus zu widmen: „Mir war in der Klinik ganz schön langweilig“sagt sie heute.

Ein Glück, denn so stolperte sie auf einem Online-Portal über ein altes Haus in Türkheim: Zwar hatte der Zahn der Zeit schon erkennbar seine Spuren an dem historisch­en Gebäude hinterlass­en. Doch auf den Fotos sah es immer noch bezaubernd aus, erinnert sich Antanas Zakys.

Als Manuela Zakys noch im Wochenbett lag, hatte sie das Inserat entdeckt und spontan eine E-Mail an ihren Mann Antanas geschickt mit dem Kommentar: „Unser Haus!!!“. Ein paar Tage später nahm der frisch gebackene zweifache Papa dann mit seinem Vater das Haus erst einmal vorsichtig unter die Lupe – und kam begeistert zurück ins Krankenhau­s. Erst fünf Wochen nach der schwierige­n Geburt konnte auch Manuela Zakys ihr Traumhaus mit eigenen Augen sehen – aber nur ganz kurz, weil da schon wieder der Flieger nach China wartete. Solche „Kleinigkei­ten“wie Notartermi­n etc. musste die Familie dann nach der Abreise aus der Ferne per Mail und Telefon regeln.

An ihrer Begeisteru­ng änderte das aber ganz und gar nichts, denn es war ja eigentlich ganz einfach: „Das ist unser Haus!“

Ganz einfach, eigentlich – doch dann kamen auch schon die Probleme: Immerhin stammt das alte Gemäuer vermutlich aus dem Jahr 1767, wurde als Bauern- oder Gesindehau­s für die Bedienstet­en des Herzogs Maximilian Philipp gebaut.

Wie sich später herausstel­lte, wurde es wohl um das Jahr 1811 zu einem Wohnhaus umgebaut. Und danach auch immer wieder verändert, verbaut, neu genutzt, abgewohnt.

Wie kann man denn ein so altes und renovierun­gsbedürfti­ges Gebäude sanieren – von China aus, mehr als 12 000 Kilometer entfernt? „Nur mit der Unterstütz­ung von Menschen, auf die man sich absolut verlassen kann“, sagt Antanas Zakys heute. Der Memminger Architekt und Dipl.-Ing. Franz Arnold war für das Ehepaar Zakys der ideale Partner vor Ort, Vater Antanas Zakys senior (66) übernahm die Organisati­on vor Ort und ab und zu half auch Florian Miller (30), der Bruder von Manuela Zakys, tatkräftig mit.

Das klingt dann aber doch viel einfacher, als es tatsächlic­h war: Jeden Tag gingen mehrfach Fotos hin und her, wurden Pläne und Skizzen per E-Mail verschickt und abgestimmt, unzählige Telefonant­e geführt, Handwerker­firmen gesucht, Fliesen oder Fenster ausgesucht und und und.

„Ich glaube, das war für unsere Leute vor Ort manchmal schon ein bisserl anstrengen­d“, sagt Manuela Zakys heute mit einem entschuldi­genden Augenzwink­ern. Denn schließlic­h war auf manchem Foto das Ergebnis dann eben doch nicht immer so, wie sie sich das im fernen China vorgestell­t hatten. Also nochmal – hin und her, bis die optimale Lösung gefunden war.

Ein entscheide­ndes Mosaikteil­chen war letztlich ein 3-D-Modell, das Manuela Zakys auf Basis der Planunterl­agen des Architekte­n kurzerhand selbst erstellt hatte, um das Innendesig­n planen zu können und eine bessere Vorstellun­g vom Haus zu bekommen: „So können wir wenigstens virtuell schon mal durch unser Haus laufen und die wichtigste­n Entscheidu­ngen am Computer überdenken und gemeinsam treffen“, ist Manuela Zakys noch immer erleichter­t über die modernen Möglichkei­ten der Bautechnik. Dass der Zeitunters­chied – China ist Deutschlan­d sechs Stunden voraus – die Kommunikat­ion auch nicht gerade erleichter­te, liegt auf der Hand.

Ach ja, dann war da ja auch noch der Denkmalsch­utz: Immerhin konnte nicht einfach so losgewerke­lt werden an diesem historisch­en Gebäude aus dem 18. Jahrhunder­t. Vor allem der wunderschö­ne Stuck an der Hausfront und einige Stuckeleme­nte im Inneren wollten die neuen Hausbesitz­er unbedingt erhalten. Dass ihnen dabei vonseiten der Marktgemei­nde Türkheim, dem Landratsam­t und der Regierung von Schwaben auch finanziell­e Mittel zugutekame­n, freute die beiden Bauherren natürlich umso mehr.

Und auch die reibungslo­se Zusammenar­beit mit den Behörden, allen voran mit Kreisbaume­ister Claus Irsigler und Oberkonser­vator Michael Habres vom Bayerische­n Landesamt für Denkmalsch­utz loben die Hausherren genauso in den höchsten Tönen wie die Arbeit der ausführend­en Handwerker­firmen.

So behutsam wie nur möglich wurde aus dem alten Gesindehau­s ein liebevoll restaurier­tes Traumhaus, das seinen altehrwürd­igen Charme auf einmalige Art und Weise bewahrt hat – und dennoch einer modernen jungen Familie ein wunderschö­nes Zuhause bieten wird. Bald ist es also vorbei mit dem „virtuellen Rundgang“durch ihr neues Türkheimer Zuhause – zum Jahreswech­sel will die vierköpfig­e Familie Zakys dann endgültig hier einziehen.

Alle vier freuen sich schon so sehr auf ihre neue Heimatgeme­inde Türkheim und die vielen freundlich­en Menschen, die sie bei den gelegentli­chen Besuchen an der Wertach in den vergangene­n zwei Jahren hier auch schon kennenlern­en durften. Und sie sind auch ganz sicher, dass sich Söhnchen Maximilian schnell in seine neue Heimat einleben wird. Er kennt Deutschlan­d zwar bislang nur aus kurzen Urlaubsauf­enthalten – aber mit zwei waschechte­n Allgäuern als Eltern wird es er hier ganz leicht haben: „Er spricht fließend Chinesisch und Deutsch. Und natürlich auch Allgäueris­ch...“, sagen seine Eltern lachend. Dann kann ja nichts mehr schief gehen ...

Eine unbeschwer­te Kindheit in der Allgäuer Heimat

Zwischen China und Türkheim hin und her

 ??  ?? Nachher: Mit viel Liebe zum Detail und einem Händchen für Gestaltung wurde aus dem maroden Gebäude ein Traumhaus für die Familie, die zum Jahreswech­sel nach Türkheim ziehen wird.
Nachher: Mit viel Liebe zum Detail und einem Händchen für Gestaltung wurde aus dem maroden Gebäude ein Traumhaus für die Familie, die zum Jahreswech­sel nach Türkheim ziehen wird.
 ?? Fotos: privat/Zakys ?? Seit sechs Jahren lebt die Familie Zakys in China, das Foto entstand in der „Verbotenen Stadt“in Shenyang, das während der Qing Dynastie kurzzeitig die Hauptstadt Chinas war. Von links: Maximilian (5), Manuela und Antanas Zakys sowie die dreijährig­e Magdalena.
Fotos: privat/Zakys Seit sechs Jahren lebt die Familie Zakys in China, das Foto entstand in der „Verbotenen Stadt“in Shenyang, das während der Qing Dynastie kurzzeitig die Hauptstadt Chinas war. Von links: Maximilian (5), Manuela und Antanas Zakys sowie die dreijährig­e Magdalena.
 ??  ?? Vorher: Das in Türkheim als „Satzger Haus“bekannte Gebäude wurde wohl um 1767 gebaut. Seit dieser Zeit hatte der Zahn der Zeit erkennbar Spuren hinterlass­en.
Vorher: Das in Türkheim als „Satzger Haus“bekannte Gebäude wurde wohl um 1767 gebaut. Seit dieser Zeit hatte der Zahn der Zeit erkennbar Spuren hinterlass­en.
 ??  ?? Nachher: Nicht mehr in Gelb, sondern in Grau und Blau strahlt das renovierte Haus. Diese Farben hatte es auch, als es vor mehr als 250 Jahren in der Zeit von Herzog Maximilian Philipp gebaut wurde.
Nachher: Nicht mehr in Gelb, sondern in Grau und Blau strahlt das renovierte Haus. Diese Farben hatte es auch, als es vor mehr als 250 Jahren in der Zeit von Herzog Maximilian Philipp gebaut wurde.
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Vorher: Die uralte Bausubstan­z hatte noch einige „Überraschu­ngen“für die Bauherren parat, die nur selten persönlich auf der Baustelle sein konnten. Sie wohnen gut 12 000 Kilometer entfernt in China.

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