Als das „Texasrad“die Dreschmaschine in Gang setzte
Ein virtuelles Museum ermöglicht einen Spaziergang durch die Ottobeurer Vergangenheit. 600 Themen wurden schon aufbereitet
Ottobeuren Vor über fünf Jahren ist mit dem Online-Portal „Ottobeuren macht Geschichte“ein virtuelles Museum eröffnet worden. Seitdem können Interessierte täglich im Internet
einen virtuellen Spaziergang durch die Ottobeurer Vergangenheit unternehmen. Mittlerweile hat Initiator Helmut Scharpf den 600. Themeneintrag online gestellt. Dabei geht es um die Windkraft im damaligen Haitzener Ortsteil Schellenberg.
Ein Stromnetz gab es 1911 dort ebenso wenig wie eine 10-H-Regelung. Um regenerative Energie zu gewinnen, schafften die Schellenberger Bürger kurzerhand ein sogenanntes „Texasrad“an, das man heute vor allem aus Wildwest-Filmen
Verlagsveröffentlichung
kennt. Die Aufschrift auf der Fahne der Windkraftanlage zeigt: Hersteller war die „Deutsche Turbinenwerke Rudolph Brauns GmbH“aus Dresden. Brauns dürfte von einem der knapp 100 amerikanischen Herstellern eine Produktionslizenz für seine „Herkules“erworben haben; den Lizenzbau exportierte er bis in die deutschen Kolonien. Mit einem sogenannten „Eklipsesystem“, das die Anlage bei Sturm automatisch aus dem Wind drehte, war sie durchaus modern ausgestattet.
Oft wurden derartige Windmühlen zum Betrieb von Wasserpumpen genutzt. Rudolf Benz, der ein Bild des „Texasrads“seiner Vorfahren für das virtuelle Museum zur Verfügung gestellt hat, weiß aber, dass die gewonnene Windenergie bei seinen Vorfahren zum Antrieb der Dreschmaschine, verschiedener Sägen und der Getreidemühle beziehungsweise Schrotmaschine eingesetzt wurde. Nach neun Jahren Betrieb verkaufte man die Turbine 1920 nach Mittelneufnach. Ein „4 PS Bauman-Benzinmotor“musste zur Überbrückung aushelfen, bis am 5. Mai 1923 auch auf dem Hof in Schellenberg die Stromversorgung Einzug hielt.
Diverse Fundstellen im Ottobeurer Wochenblatt belegen ab 1900, dass solche Windmühlen im ganzen Allgäu weit verbreitet waren; auch in den Ottobeurer Ortsteilen Dennenberg und Betzisried gab es sie, einige haben die Zeit überdauert.