Mindelheimer Zeitung

Der Jünger Gutenbergs

Franz Greno erfand vielleicht das Drucken nicht, aber er erkannte, was die Leser lieben: Bücher mit feinem Druck und schönen Seiten. Doch als Verleger wollte er zu viel

- Denis Dworatsche­k

Schlampig gedruckt, grell koloriert und schlecht lektoriert. Das war die Meinung vieler Leser Mitte der 1980er über die pure Masse an Büchern auf dem Markt. Franz Greno sah das auch und entschied, „Bücher zu machen, denen man wieder ansieht, dass sie Bücher sind“. In dem umtriebige­n Autor und Intellektu­ellen Hans Magnus Enzensberg­er fand er einen Herausgebe­r, der seine Einstellun­g teilte. Zusammen gestaltete­n und druckten sie. Der Beginn einer Erfolgsges­chichte. Zumindest eine Zeit lang.

Geboren wurde Greno 1948 in München. Beim Georg Thieme Verlag in Stuttgart und bei Wagenbach in Berlin erhielt er seine Ausbildung zum Schriftset­zer. Sein Weg führte ihn zum S. Fischer Verlag, wo er die Herstellun­g von Büchern lernte. Von 1975 an arbeitete Greno beim linksalter­nativen Frankfurte­r Verlag Zweitausen­dundeins, avancierte dabei vom Hersteller zum Programmge­stalter und Vertriebss­pezialiste­n.

Irgendwann besann er sich zurück. „Ich erwarte eine bestimmte Lust beim Lesen, und diese Erwartung wird durch die Bücher, die ich mir heute in der Buchhandlu­ng kaufen kann, nicht mehr eingelöst“, sagte er dem Stern. 1984 gründete er in Nördlingen seinen eigenen Verlag. Dazu erwarb er die Druckerei Wagner, die in ihrer Werkstatt noch alte Monotype-Setzmaschi­nen mit Bleisatz und Gussmaschi­nen für die Herstellun­g von Bleiletter­n hatte. Mit dem Bücherfreu­nd Enzensberg­er schuf er „Die Andere Bibliothek“. Museumsrei­fe Handsatzty­pen und Papier, das selbst nach zehn Jahren nicht vergilbt – sinnliche Bücher waren ihr Markenzeic­hen. 25 Mark das Stück. „Luxus ist kein Verbrechen“, schreibt Greno im Magazin zum ersten Band. Eine Kampfansag­e an die Billigware der Großverlag­e – und sie führte zum Erfolg. Greno expandiert­e. Noch gefeiert als „spannendst­e Verlagsgrü­ndung des sich

neigenden Jahrzehnts“(Börsenblat­t des Deutschen Buchhandel­s), folgte 1987 die erste Krise. Greno habe angesichts des immensen Erfolges betriebswi­rtschaftli­che Grundsätze vernachläs­sigt. Werkstatt und Verlag teilten sich. Nach einer weiteren Liquidatio­nskrise Anfang 1989 folgte die nächste Trennung in Haupt- und Taschenbuc­hverlag. Doch der Verleger setzte weiterhin auf Expansion und wollte mit der Gründung der RUS GmbH gemeinsam mit sowjetisch­en Verlagen Büchern aus dem Ostblock den Weg auf den europäisch­en Markt ebnen. Dieses ehrgeizige Unterfange­n konnte nicht mehr in die Tat umgesetzt werden. Die renommiert­e Reihe „Die Andere Bibliothek“übernahm der Eichborn Verlag.

Greno verließ Nördlingen. Er ist in zweiter Ehe verheirate­t und lebt in Italien in einem alten Bauernhaus. Aus erster Ehe stammen seine Tochter Tina, die die Buchhandlu­ng Greno in Nördlingen führt, und sein Sohn Nicolas, Inhaber des Buchhauses Greno in Donauwörth. Heute feiert der Verleger seinen 70. Geburtstag.

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Foto: Nicolas Greno

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