Masterarbeit über einen fast vergessenen Künstler
Jürgen Markus Halm hat sich auf eine spannende Spurensuche begeben: Er widmet dem Babenhausener Kunstschreiner Wilhelm Engel eine wissenschaftliche Arbeit. Was er dabei erfuhr
Babenhausen Dass ein Handwerker aus Babenhausen im Mittelpunkt einer wissenschaftlichen Arbeit steht, ist nicht gerade alltäglich. Doch bei Wilhelm Engel (1838 bis 1933) ist genau das der Fall. Jürgen Markus Halm aus Obergriesbach im Kreis Aichach/Friedberg hat dem Babenhauser seine Masterarbeit an der Hochschule der Künste Bern gewidmet. Der Titel: „Ein in Vergessenheit geratener schwäbischer Schreinerbetrieb im Historismus und dessen Sakralausstattung“. Als Beispiel wählte Halm die zum Teil ausgelagerten Seitenaltäre in Probstried. Die Spurensuche begann.
Zunächst aber die Frage: Wie kam der inzwischen staatlich geprüfte Restaurator und Master in Konservierung und Restauration zu diesem Thema? Halm gibt unumwunden zu, dass es sich um reinen Zufall handelte. Im Rahmen seiner Restauratorentätigkeit wurde er auf einen Fund von Seitenaltären aufmerksam, die wieder in die Probstrieder Kirche St. Cornelius und Cyprian zurückgeführt werden sollen. Dabei stieß er auf den Namen Wilhelm Engel. Da er über den Kunstschreiner aus dem Fuggermarkt in der Literatur aber so gut wie nichts fand, startete er eine eigene Recherche. Diese führte ihn zum Babenhauser Heimatforscher Dieter Spindler, der ihn mit Material, darunter Artikel unserer Zeitung, versorgte. Für Spindlers Engagement und Unterstützung ist Halm sehr dankbar, wie er sagt.
Die Neugier war geweckt. Der Plan für die Masterarbeit nahm Gestalt an. Insgesamt 14 Monate lang war der inzwischen 39-jährige Konservator damit beschäftigt. Einerseits befasste er sich mit der Person Wilhelm Engel, andererseits mit dessen Werken. Ein Mosaikstein nach dem anderen fügte sich zum Bild zusammen. Engel stammt aus einer Schreinerfamilie, deren Wurzeln bis ins 17. Jahrhundert reichen. Neben Künstlertreffs im Fuggermarkt und Gesellschaftstagen war er in vielen Vereinigungen tätig. So war er unter anderem Zugführer bei der neu gegründeten Feuerwehr und an der Gründung des Turnvereins beteiligt. Dazu passt, dass er damals mit der höchsten zu vergebenden Auszeichnung der Deutschen Turnerschaft ausgezeichnet wurde – zumal er im Alter von über 90 Jahren noch am Gauturnfest teilnahm. Die Mitgliedsbezeichnung lautete oftmals: Kunstschreinereibesitzer.
Zeugnisse seiner Arbeit finden sich noch heute in einigen Babenhauser Haushalten: Schränke, Truhen, Kredenze oder kunstvoll intarsierte Schatullen. Auch die Wirtsstube im Sailerbräu stammt aus Engroßen gels Werkstatt. 1933, mit 95 Jahren, starb der Schreiner. Die letzte Ruhestätte fand er nur wenige Meter von seiner Werkstatt entfernt auf dem Babenhauser Friedhof.
Halm vertiefte sich in Kirchenpapiere, Archive und den Familienstammbaum. Dabei fand er etwa heraus, dass Engel die Werkstatt – heute die Gärtnerei Liedel – als junger Meister von seinem Vater übernommen und bis ins hohe Alter geführt hatte. Belegt ist auch, dass er mit über 90 Jahren noch Einlegearbeiten anfertigte. Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts hatte Engel Kirchenausstattungen vom „Ries bis ins Allgäu“gefertigt. Seine letzten sakralen Einrichtungen bezeugen Quittungen im Pfarrarchiv Kettershausen, wobei der letzte große Auftrag in St. Ursus in Klosterbeuren war.
Spindler zufolge sprachen Denkmalpfleger Mitte des vorigen Jahrhunderts wegen der gotischen Fialen und filigranen Baldachine oft verächtlich von „Schreiner-Gotik“. So erging es auch den Engel-Seitenaltären (aus den Jahren 1877/78) in der Probstrieder Pfarrkirche – von Halm als „byzantinischer Rundbogenstil“charakterisiert. Diesen soll neue Beachtung zuteilwerden, nachdem sie jahrzehntelang ein Schattendasein auf dem Dachboden des Pfarrhofs frönten.
Hierbei war Halm in seinem Element, ist er doch gelernter Schreinergeselle, der in mehreren Restaurierungswerkstätten sein Fachwissen erweiterte. Nach dem Fachabitur absolvierte der heute 39-Jährige zwei Studienabschlüsse in der Restaurierung/Konservierung samt Masterarbeit. Deshalb trägt er heute unter anderem den Berufstitel Staatlich geprüfter Restaurator für Möbel, Holzobjekte und Skulpturen und darf sich Master of Arts in Conservation-Restoration (Fachrichtung Architektur und Ausstattung) nennen. Zudem hat er einen Lehrauftrag als Dozent für zukünftige Restauratoren in München.
Der Engel-Virus lässt Halm nun nicht mehr los. Stück für Stück fördert er Erkenntnisse zutage, archiviert diese, verfasst Fachartikel darüber und plant, sie eventuell in einer Doktorarbeit detailliert zu untersuchen. Deshalb wäre er allen dankbar, die ihm Material und Hinweise zu dem Babenhauser Kunstschreiner liefern, wie er sagt.
OKontakt: Jürgen Markus Halm, Ober griesbach, Telefon 0176/23196233, E Mail: info@restaurierunghalm.de. Sein Atelier ist sich in Affing Haunswies.