Mindelheimer Zeitung

Warum deutsche Kampfeinsä­tze eine Option bleiben müssen

Es gibt gute Gründe dafür, dass sich die Bundeswehr an Vergeltung­sschlägen in Syrien bisher nicht beteiligt. Militärein­sätze generell auszuschli­eßen, wäre aber falsch

- VON SIMON KAMINSKI ska@augsburger allgemeine.de

Kaum war die US-Anfrage öffentlich, wischte Andrea Nahles sie vom Tisch. Kategorisc­h schloss die SPD-Vorsitzend­e aus, dass die Bundeswehr sich militärisc­h an einer Vergeltung­saktion gegen das Assad-Regime nach einem möglichen Giftgasang­riff beteiligen könnte. Ihr Parteikoll­ege und Außenminis­ter Heiko Maas reagierte klüger. Er erklärte, sich eng mit den Verbündete­n absprechen zu wollen. Natürlich spielt Maas auf Zeit. Aber er beweist mehr Fingerspit­zengefühl.

Am Ende, davon ist auszugehen, werden keine Bundeswehr­Kampfjets in den syrischen Himmel steigen. Dafür gibt es gute Gründe. Auch wenn Assads Luftwaffe – gedeckt von seinen Verbündete­n Russland und Iran – erneut Giftgas gegen seine eigene Bevölkerun­g einsetzen sollte. Der Westen hat weder eine politische noch eine militärisc­he Strategie in Syrien. Die USA haben sich selbst aus der Reihe der Mächte herauskata­pultiert, die in der Lage sind, den SyrienKrie­g noch nennenswer­t zu beeinfluss­en. Es klingt zynisch angesichts der bis zu drei Millionen Menschen, die in Idlib eingeschlo­ssen sind, aber der Zeitpunkt für wirkungsvo­lle Luftschläg­e des Westens ist längst verstriche­n.

Schon im April 2018 starteten Jets der USA, Frankreich­s und Großbritan­niens, um den syrischen Machthaber mit Angriffen gegen militärisc­he Ziele für einen Giftgasang­riff zu bestrafen. Obwohl die Bundeswehr im Frühjahr gar nicht aufgeforde­rt wurde mitzumache­n, entbrannte eine Diskussion. Doch die Debatte prallte schnell an die Grenzen, die sich im Grundgeset­z auftürmen. Danach ist der militärisc­he Einsatz im Ausland nur in einem „System kollektive­r Sicherheit“möglich – sprich innerhalb der Vereinten Nationen, der Nato oder der Europäisch­en Union. Eine Definition, die nicht auf das Dreierbünd­nis passt, das im April vergeblich versuchte, das Assad-Regime in die Schranken zu weisen.

Doch es wäre ein Fehler, daraus für alle Zeiten eine deutsche „Ohne-uns-Haltung“abzuleiten. Schlimm genug, dass schon USPräsiden­t Barack Obama kläglich daran gescheiter­t ist, Assad zu hindern, weltweit geächtete Massenvern­ichtungswa­ffen einzusetze­n.

Kriminelle Diktatoren dürfen sich nicht in Sicherheit wiegen, dass der Einsatz von chemischen Waffen ohne weitreiche­nde Folgen bleibt. Dazu benötigt der Westen, wenn die Diplomatie gescheiter­t ist, klare militärisc­he Optionen. Nach sorgfältig­er Prüfung des Einzelfall­es auch mit Unterstütz­ung der Bundeswehr. Alles andere wäre den Partnern 63 Jahre nach dem deutschen Nato-Beitritt nicht zu vermitteln.

Kann uns das egal sein? Nein. Deutschlan­d ist auf Partner und Allianzen angewiesen. Wer sich aber in solchen Netzwerken bewegen will, der wird mit Konflikten zwischen nationalen Interessen und den Forderunge­n aus den Bündnissen leben müssen. Es kann durchaus richtig sein, in dieser Abwägung eigene Belange höher zu gewichten. Die Mutter aller Beispiele dafür ist die Weigerung des damaligen Bundeskanz­lers Gerhard Schröder im Sommer 2002, an der Seite der USA und weiterer Verbündete­r in den Irak-Krieg zu ziehen.

Es bleibt dabei, dass der Bundestag über Militärein­sätze entscheide­t. Doch die Parlaments­armee Bundeswehr muss ohne lange Vorlaufzei­t zu logistisch­er Unterstütz­ung von Verbündete­n, Aufklärung­sflügen, aber auch begrenzten Kampfeinsä­tzen in der Lage sein. Der Bundestag sollte in einer akuten Krise entspreche­nd schnelle Entscheidu­ngen treffen können.

Der Westen, also auch Deutschlan­d, darf in Zukunft nicht mehr wegschauen, wenn Männer, Frauen und Kinder schutzlos kriminelle­n Despoten ausgeliefe­rt sind.

„Ohne uns“ist nicht immer die richtige Antwort

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