Mindelheimer Zeitung

Pflegegeld Streit bringt Sozialverb­ände auf die Palme

Der SPD-Bundesmini­ster will die Landesleis­tung anrechnen, die CSU-Landesmini­sterin verspricht die vollständi­ge Auszahlung. Für bayerische Sozialverb­ände ist das Wahlkampf auf dem Rücken der Schwächste­n

- VON HENRY STERN

München Muss das neue bayerische Landespfle­gegeld auf andere Sozialleis­tungen angerechne­t werden? Ja, findet das SPD-geführte Bundessozi­alminister­ium. Nein, beteuert dagegen Bayerns Sozialmini­sterin Kerstin Schreyer (CSU). Ein politische­r Streit, der Sozialverb­ände in Bayern auf die Palme bringt: „Das ist ein unerträgli­ches Durcheinan­der auf dem Rücken der Schwächste­n“, schimpft etwa Georg Falterbaum, Caritas-Direktor der Erzdiözese München und Freising.

Am Dienstag hatte Bundessozi­alminister Hubertus Heil (SPD) mitgeteilt, dass das neue bayerische Landespfle­gegeld von 1000 Euro im Jahr zwar nicht auf die Grundsiche­rung nach Hartz IV, sehr wohl aber auf die staatliche „Hilfe zur Pflege“angerechne­t werden müsse. Dabei handelt es sich um eine Sozialleis­tung für Pflegebedü­rftige, die den Pflegeaufw­and nicht selbst bezahlen können. „Hilfe zur Pflege“und Landespfle­gegeld erfüllten den gleichen Zweck, deshalb sei eine Anrechnung zwingend, findet Heil. Eine Auffassung, die Bayerns Sozialmini­sterin Schreyer absolut nicht teilt: Anders als die „Hilfe zur Pflege“sei das Landespfle­gegeld nicht zur Deckung des pflegerisc­hen Bedarfs bestimmt. Es sei dafür gedacht, „das Selbstbest­immungsrec­ht der pflegebedü­rftigen Menschen“zu stärken – etwa indem sie sich damit selbst oder pflegenden Angehörige­n eine Freude machen. Heils Rechtsauff­assung spiele aber faktisch „keine Rolle“, findet Schreyer: Denn über die Anrechnung entscheide nicht der Bund, sondern die für die „Hilfe zur Pflege“zuständige­n bayerische­n Bezirke. Und die hätten klargestel­lt, dafür keine Notwendigk­eit zu sehen. Trotz des „Störfeuers aus Berlin“bleibe als Ergebnis „ein gänzlich anrechnung­sfreies Landespfle­gegeld“, beteuert die Sozialmini­sterin.

„Die Rechtsunsi­cherheit bleibt für die Betroffene­n leider bestehen“, glaubt dagegen die VdK-Landesvors­itzende Ulrike Mascher. Im schlimmste­n Fall müssten Pflegegeld-Bezieher das Geld nach jahrelange­m Rechtsstre­it zwischen Bund und Bayern zurückzahl­en. Laut VdK sind bis zu 15 Prozent der bislang rund 230000 Antragstel­ler für das Landespfle­gegeld von dem politische­n Streit betroffen. Einen Streit, den es laut Mascher überhaupt nicht geben dürfte, weil es für besonders Bedürftige einen Freibetrag geben müsse: Denn Landespfle­gegeld, Mütterrent­e oder Rentenerhö­hungen dürften gerade für diese Menschen „nicht einfach verpuffen, indem dieses Geld verrechnet wird.“Caritas-Mann Falterbaum kann zudem nicht verstehen, warum sich ein SPD-Bundessozi­alminister „nicht freut, wenn Pflegebedü­rftige, die es besonders nötig haben, tausend Euro im Jahr zusätzlich kriegen“.

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Foto: dpa Kerstin Schreyer ist gegen eine Anrech nung des Pflegegeld­es.

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