Mindelheimer Zeitung

China gibt Theater Maulkorb

Eklat um Aufführung der Schaubühne Berlin

- VON FINN MAYER KUCKUK

Peking Die technische­n Probleme sind nur vorgeschob­en, damit Chinas Führung eine missliebig­e Inszenieru­ng der Berliner Schaubühne in der südostchin­esischen Stadt Nanjing absagen konnte. Tatsächlic­h ging es um die Aufforderu­ng von der Bühne an das Publikum, am Ende des Stücks „Der Volksfeind“seine eigene kritische Meinung über gesellscha­ftliche Missstände zu artikulier­en. Das Stück des norwegisch­en Dramatiker­s Henrik Ibsen ist 1882 geschriebe­n, liest sich aber wie ein Kommentar zur Lage im heutigen China. Die Hauptfigur deckt einen Skandal um verseuchte­s Trinkwasse­r auf, den Politiker aus wirtschaft­lichen Gründen vertuschen, und wird als Volksfeind diffamiert.

Schon in Peking hatte die gastierend­e Truppe Ärger mit den Sicherheit­skräften: Nach der ersten Vorstellun­g in China suchten sie das Ensemble zu nachtschla­fender Zeit auf, um sie von ihrer Aufführung­spraxis abzubringe­n. Am Ende der Premiere habe ein Teil der Gäste ganz offen über mangelnde Meinungsfr­eiheit, Umweltskan­dale und staatliche Repression in China gesprochen. In den sozialen Netzwerken setzte sich die Debatte nach dem Auftritt fort. Die jetzt gegebene Begründung der Absage sei „natürlich der Versuch, mit einer gewissen Gesichtswa­hrung da rauszukomm­en“, sagte Tobias Veit, der Direktor der Schaubühne.

In China sind heute 43 Prozent des Flusswasse­rs und 90 Prozent des Grundwasse­rs der großen Städte so verschmutz­t, dass sie als giftig gelten. Diese Zustände bereiten den Bürgern große Sorge, doch wer die Politik der Regierung deswegen hinterfrag­t, riskiert eine Gefängniss­trafe, genauso wie Journalist­en, die konkrete Missstände aufdecken.

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