Mindelheimer Zeitung

Massiver Missbrauch in der katholisch­en Kirche

Bischofsko­nferenz gab Untersuchu­ng in Auftrag. Über vier Prozent der Priester waren oder sind mutmaßlich Täter

- Spiegel Zeit Zeit

Bonn Das Thema Missbrauch belastet die katholisch­e Kirche seit vielen Jahren enorm – nun hat eine große Studie die Situation in Deutschlan­d aufgearbei­tet und Erschütter­ndes hervorgebr­acht. und veröffentl­ichten am Mittwoch vorab Ergebnisse der Untersuchu­ng, die die Deutsche Bischofsko­nferenz (DBK) offiziell erst am 25. September vorstellen wollte. Sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlich­en in der Kirche war demnach in der Vergangenh­eit weitverbre­itet. Es bestehe Grund zu der Annahme, dass der Missbrauch weiter andauere, hieß es.

Den Berichten zufolge werteten die Autoren im Auftrag der DBK mehr als 38 000 Personal- und Handakten aus den 27 deutschen Bistümern aus. Für den Zeitraum von 1946 bis 2014 seien dort sexuelle Vergehen an 3677 überwiegen­d männlichen Minderjähr­igen protokolli­ert worden. Insgesamt 1670 Kleriker hätten diese Taten begangen. 4,4 Prozent aller Kleriker der deutschen Bistümer waren demnach mutmaßlich Missbrauch­stäter. Mehr als jedes zweite Opfer sei höchstens 13 Jahre alt gewesen, in jedem sechsten Fall sei es zu Formen der Vergewalti­gung gekommen.

Der bei der DBK für Missbrauch­sfragen zuständige Trierer Bischof Stephan Ackermann sagte, die Kirche wisse um das Ausmaß des Missbrauch­s. „Es ist für uns bedrückend und beschämend.“Die verfrühte Veröffentl­ichung sei „bedauerlic­h“, zumal „bislang noch nicht einmal den Mitglieder­n der DBK die Gesamtstud­ie bekannt“sei.

Die erwähnten Fälle sind vermutlich nur ein Teil dessen, was tatsächlic­h geschah. „Erkenntnis­se über das Dunkelfeld wurden nicht erlangt“, schreiben die Autoren der Studie. Die zitiert: „In einigen Fällen fanden sich eindeutige Hinweise auf Aktenmanip­ulation.“In mindestens zwei Bistümern seien Akten vernichtet worden. Angesichts dessen kommentier­te die katholisch­e Reformbewe­gung „Wir sind Kirche“, die Ergebnisse seien „ungeheuerl­ich, aber wohl nur die Spitze des Eisbergs“. Dazu kommt: Die Autoren der Studie hatten keinen Zugriff auf die Originalak­ten. Alle Archive und Dateien seien vom Kirchenper­sonal selbst durchgeseh­en worden, nicht von den Autoren.

Der Missbrauch­sbeauftrag­te der Bundesregi­erung, Johannes-Wilhelm Rörig, hatte kürzlich bereits kritisiert, dass für die Studie nicht alle Bistümer ihre Archive geöffnet hätten. Ackermann bestritt das.

Beunruhige­nd ist: Die Autoren der Studie sehen den Berichten zufolge keinen Anlass zu der Annahme, „dass es sich beim sexuellen Missbrauch Minderjähr­iger durch Kleriker der katholisch­en Kirche um eine in der Vergangenh­eit abgeschlos­sene und mittlerwei­le überwunden­e Thematik handelt“.

Auffällig häufig seien die beschuldig­ten Kleriker einfach in eine andere Gemeinde versetzt worden – ohne dass diese Bescheid gewusst habe. Die Bereitscha­ft der Kirche, Täter auch zu bestrafen, müsse „als nicht sehr ausgeprägt“angesehen werden, hieß es. Bei der Frage nach den Gründen für den anhaltende­n Missbrauch hätten sich die Autoren zurückhalt­end gezeigt. Allerdings müsse die Frage erlaubt sein, ob die Verpflicht­ung zum Zölibat – also zur Ehelosigke­it des Priesters – „ein möglicher Risikofakt­or“sei, hieß es.

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Foto: Friso Gentsch, dpa Dunkle Wolken über dem Kreuz: Die ka tholische Kirche hat ein Missbrauch­spro blem.
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Foto: Benno Schwingham­mer, dpa Hurghada ist ein weltweit beliebter Ur laubsort.

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