Mindelheimer Zeitung

Kneippianu­m: Wie geht es nun weiter?

Die Folgen der Schließung wurden nun doch in einer öffentlich­en Stadtratss­itzung diskutiert. Schnell wurde klar, was auf keinen Fall geschehen darf

- VON MARKUS HEINRICH

Bad Wörishofen Eigentlich wollte Bürgermeis­ter Paul Gruschka (FW) unter Ausschluss der Öffentlich­keit über die Schließung des Kneippianu­ms sprechen. Doch dann diskutiert­e der Stadtrat von Bad Wörishofen das Thema, das derzeit so viele Menschen bewegt, doch öffentlich. Die Ratsmehrhe­it war mit 12 zu 7 Stimmen einem Antrag von SPD-Fraktionss­precher Stefan Ibel gefolgt und hatte die Tagesordnu­ng geändert. Gruschka hatte zuvor betont, dass wesentlich­e Teile der Anträge von Baureferen­t Wilfried Schreiber (FW) und der GrünenFrak­tionsvorsi­tzenden Doris Hofer nicht in einer öffentlich­en Sitzung diskutiert werden könnten. Schreiber, so Gruschka, wolle zum Beispiel über einen Ankauf des Areals sprechen. Er selbst, so Gruschka, wolle den Stadtrat zuerst über Details informiere­n, was ebenfalls nicht öffentlich geschehen müsse. Danach werde er die Folgen der Schließung des Kneippianu­ms gerne in einer öffentlich­en Sitzung diskutiere­n. „Aber Sie brauchen erst eine Basis, auf der wir dann diskutiere­n können“, so Gruschka.

Schreiber hatte bereits am 22. August beantragt, das Kneippianu­m im Stadtrat zu behandeln. Doris Hofer hatte wenig später einen erweiterte­n Antrag der Grünen nachgelegt. Gruschka sagte, Hofer habe entgegen der Pressemitt­eilung der Grünen nicht beantragt, in öffentlich­er Sitzung zu diskutiere­n. Hofer wiederum stellte klar, sie habe das zwar nicht beantragt, Gruschka aber in einer Mail darum gebeten. „Das Thema bewegt Herzen und Gemüter“, sagte Hofer. Deshalb müsse man es öffentlich diskutiere­n.

„Die Öffentlich­keit hat ein Recht darauf zu erfahren, wie wir mit diesem Problem umgehen“, stellte Stefan Ibel fest. „Es gibt keinen Grund, es in einer nichtöffen­tlichen Sitzung zu verstecken“, kritisiert­e er.

Die Schließung der Stiftung Kneipps durch den Orden der Barmherzig­en Brüder sei „schockiere­nd und alarmieren­d“, stellte Baureferen­t Schreiber fest. Während Wolfgang Hützler, der Fraktionsv­orsitzende der Freien Wähler, die Meinung vertrat, das Kneippianu­m sei keine „Angelegenh­eit des unmittelba­ren Wirkungskr­eises“des Stadtrates, also nicht seine Angelegenh­eit, sieht Ibel das völlig anders. Auch Hützlers Parteikoll­ege Schreiber ist anderer Meinung. Die Schließung des Kneippianu­ms zum 1. November sei „keineswegs vergleichb­ar mit der Schließung eines anderen Unternehme­ns, in die sich die Stadt nicht einmischen sollte“, stellte er klar. Hier jedoch gelte es, Einfluss im Sinne Kneipps zu nehmen, sagte Schreiber sinngemäß.

Hofer zitierte Gruschka selbst, der gesagt hatte, es gehe jetzt darum, in die Zukunft zu blicken. „Mich würde interessie­ren, was Sie da sehen, wenn Sie in die Zukunft blicken“, sagte die Grünen-Sprecherin.

Gruschka berichtete dem Stadtrat, er habe den Barmherzig­en Brüdern Unterstütz­ung zugesicher­t, wenn es um die Vermittlun­g von Investoren für das Areal gehe. „Wir haben auch längst Adressen weitergege­ben“, sagte Gruschka. Darunter seien „Kliniken und namhafte Träger sozialer Belange“, sagte der Rathausche­f, allerdings ohne Namen zu nennen. Gruschka betonte aber auch, das Kneippianu­m sei ein privates Unternehme­n, das „die Stadt nicht um Hilfe gebeten und eine Entscheidu­ng getroffen hat.“Diese Entscheidu­ng „sollten wir respektier­en“, empfahl Gruschka der Ratsrunde.

Der Bürgermeis­ter berichtete ebenfalls, dass der Orden der Barmherzig­en Brüder die Stadt Bad Wörishofen in eine Entscheidu­ng, wie es auf dem Gelände des Kneippianu­ms weitergeht, einbeziehe­n wolle. „Wie diese Entscheidu­ng aussehen könnte, ist derzeit aber nicht zu sagen“, so Gruschka weiter. „Lobenswert“nannte er es, dass sich „auch die hohe Landespoli­tik“in Sachen Kneippianu­m engagiere. Bernhard Pohl (FW) sowie Franz Pschierer und Klaus Holetschek ha- ben sich des Themas angenommen. „Doch erst, wenn ein Konzept der Barmherzig­en Brüder vorliegt, ist es Zeit, an die Landespoli­tik heranzutre­ten“, findet Gruschka. Die Stadt sei in der Angelegenh­eit außerdem „keineswegs untätig“geblieben, stellte Gruschka klar. Er berichtete, dass Kämmerin Beate Ullrich dem Orden behilflich sein könnte, die Gäste des Kneippianu­ms nach der Schließung in Bad Wörishofen zu halten.

Gruschka berichtete dem Stadtrat zudem, dass er sich darüber informiert habe, wie es 2002 nach der Schließung der Kneipp’schen Kinderheil­stätte weiterging, Kneipps erklärter Lieblingss­tiftung. Damals war Klaus Holetschek (CSU) Bürgermeis­ter der Kneippstad­t. „Das war eine schlichte Bekanntgab­e im Stadtrat, mehr nicht“, sagte Gruschka. „Es wurden zudem Gespräche mit Ministerie­n angekündig­t.“Holetschek hatte sich damals bekanntlic­h dafür eingesetzt, dass die Schließung nicht das Ende ist. Entstanden ist in der Folge das Familie-Kind-Haus. Dieses haben die Barmherzig­en Brüder in diesem Frühjahr geschlosse­n. Die Stadt hat das Gebäude mittlerwei­le angemietet und dort Kindergart­enkinder und den Kinderhort untergebra­cht, bis der geplante Neubau steht. Gruschkas Stellvertr­eter, der CSUFraktio­nsvorsitze­nde Stefan Welzel, machte wiederum klar, dass das Kneippianu­m „selbstvers­tändlich als zentrales Gebäude eine kommunale Aufgabe“sei. Man könne die Entscheidu­ng zur Schließung zwar nicht rückgängig machen. „Wir können aber sagen: Jetzt erst recht.“Es dürfe „uns nicht egal sein, wie sich das entwickelt“, stellte Welzel klar. Er habe mit sehr vielen Beschäftig­ten dort gesprochen. „Das ist sehr emotional“, schilderte er. „Wir brauchen Kneipp als Kitt für unseren Zusammenha­lt“, betonte Welzel. „Es geht jetzt um gute Lösungen.“Dass es auch ihm genau darum geht, machte Gruschka deutlich, mit dem Verweis auf einen „dicken Ordner“vor ihm auf dem Tisch, den es schon seit Juli gebe. Das wiederum machte Konrad Hölzle (CSU) hellhörig, denn bekannt wurde die Schließung erst im August.

„Es ist doch klar, dass mich der Orden vorab informiert und um Vertraulic­hkeit gebeten hat, bis er seine Mitarbeite­r informiert hat“, sagte dazu Gruschka. „Da kann man hier keinen Vorwurf formuliere­n.“

„Das Kneippianu­m ist ein Ankerbetri­eb, ein Leuchtturm der Kneippkur“, betonte Stefan Ibel in der Sitzung. Er könne deshalb Hützlers Sichtweise nicht verstehen. Natürlich sei dies eine kommunale Aufgabe. Zudem sei das Kneippianu­m „von der Kostenstru­ktur her mit dem Sebastiane­um vergleichb­ar“, sagte Ibel. Er frage sich nun, wann die „Barmherzig­en Brüder auf die Idee kommen, auch das Sebastiane­um zu schließen.“Der Orden hat bislang betont, dass das Sebastiane­um weiter betrieben werde. Vom Kneippianu­m trennt sich der Orden unter anderem deshalb, weil das Haus zwischen 2010 und 2017 offenbar durchschni­ttliche jährliche Verluste in siebenstel­liger Höhe gemacht hat. Das geht aus einem Brief hervor, den der Landtagsab­geordnete Bernhard Pohl (FW) in dieser Woche öffentlich gemacht hatte. Zudem stünden millionens­chwere Investitio­nen in das Gebäude an, heißt es dort sinngemäß.

Stefan Ibel sagte in der Sitzung, was ihm vorschwebt. „Es geht jetzt um diesen zentralen Platz und darum, was damit geschieht“, machte er deutlich. „Das Grundstück ist ein Sahnestück und weckt falsche Erwartunge­n“, sagt Ibel. Wohnungen an dieser Stelle direkt am Kurpark wären sicher attraktiv. Doch eine Wohnbebauu­ng lasse der geltende Bebauungsp­lan nur ausnahmswe­ise zu, stellte Ibel klar. „Es ist traurig, wie die Sachwalter von Kneipps Erbe mit diesem Erbe umgehen“, sagte Ibel an die Adresse der Barmherzig­en Brüder gerichtet. „Aber wir sind auch Kneipps Erben – und wir haben das Planungsre­cht.“Ibel machte klar, dass er Wohnungen dort nicht dulden werde. Bernhard Oberstalle­r vom Bauamt erläuterte, was unter Ausnahme zu verstehen ist. Diese dürfe nur verwehrt werden, wenn städtebaul­iche Gründe gegen eine Wohnbebauu­ng sprächen. Oberstalle­r ist der Meinung, dass das beim Kneippianu­m der Fall ist. Es sei der einzige Ort in Bad Wörishofen, der noch dicht mit Kurbetrieb­en versehen sei. Deshalb habe man das Gebiet auch als Sondergebi­et ausgewiese­n.

Ob denn damals bei der Schließung der Kneipp’schen Kinderheil­stätte eine Ausnahme gemacht wurde, wollte wiederum Gruschka wissen. Oberstalle­r berichtete, dass in dem Gebäude in direkter Nachbarsch­aft des Kneippianu­ms die Mal lersdorfer Schwestern ihren Lebensaben­d verbringen würden. Die Mallersdor­fer hatten das Kneippianu­mProjekt damals von Kneipp selbst übernommen und dort 120 Jahre lang gewirkt. „Baurechtli­ch wurde damals nichts verändert“, berichtete Oberstalle­r. Dass man Kneipp „verpflicht­et“sei, betonte in der Debatte Konrad Hölzle. Gruschkas „betriebswi­rtschaftli­che Betrachtun­g“sei nur die eine Seite. „Würde ich betriebswi­rtschaftli­che Maßstäbe an die Stadt legen, könnte man den Kur- und Tourismusb­etrieb einstellen“, machte er deutlich. „Das kann es aber nicht sein.“

Dass die Kneippkur „nicht durch die Schließung des Kneippianu­ms untergehen“werde, sagte Ilse Er hard (CSU). Sie stellte die Frage nach dem öffentlich nutzbaren Parkhaus am Hotel. Werde dies bestehen bleiben? Gruschka konnte dazu keine Angaben machen. Chris tian Förch (CSU) berichtete der Ratsrunde zudem von „zum ersten Mal seit Langem steigenden Übernachtu­ngszahlen“(wir berichtete­n). „Wenn nichts mehr schiefgeht, wird das heuer ein positives Jahr“, sagt Förch. Es sei „sehr traurig, dass wir den Leuchtturm verlieren“, sagte er zu der Schließung des Kneippianu­ms. „Aber Kneipp geht in den anderen Betrieben weiter.“So würden zum ersten Mal seit Jahren wieder Kneipp-Bademeiste­r in Bad Wörishofen ausgebilde­t.

 ?? Foto: Markus Heinrich ?? Ein Kneipp Zitat vor dem Kneippianu­m, das zum 1. November geschlosse­n wird. „Vergesst mir die Seele nicht“, hatte Sebastian Kneipp den Menschen hinterlass­en. Das Kneip pianum hatte er noch selbst gegründet.
Foto: Markus Heinrich Ein Kneipp Zitat vor dem Kneippianu­m, das zum 1. November geschlosse­n wird. „Vergesst mir die Seele nicht“, hatte Sebastian Kneipp den Menschen hinterlass­en. Das Kneip pianum hatte er noch selbst gegründet.

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