Kneippianum: Wie geht es nun weiter?
Die Folgen der Schließung wurden nun doch in einer öffentlichen Stadtratssitzung diskutiert. Schnell wurde klar, was auf keinen Fall geschehen darf
Bad Wörishofen Eigentlich wollte Bürgermeister Paul Gruschka (FW) unter Ausschluss der Öffentlichkeit über die Schließung des Kneippianums sprechen. Doch dann diskutierte der Stadtrat von Bad Wörishofen das Thema, das derzeit so viele Menschen bewegt, doch öffentlich. Die Ratsmehrheit war mit 12 zu 7 Stimmen einem Antrag von SPD-Fraktionssprecher Stefan Ibel gefolgt und hatte die Tagesordnung geändert. Gruschka hatte zuvor betont, dass wesentliche Teile der Anträge von Baureferent Wilfried Schreiber (FW) und der GrünenFraktionsvorsitzenden Doris Hofer nicht in einer öffentlichen Sitzung diskutiert werden könnten. Schreiber, so Gruschka, wolle zum Beispiel über einen Ankauf des Areals sprechen. Er selbst, so Gruschka, wolle den Stadtrat zuerst über Details informieren, was ebenfalls nicht öffentlich geschehen müsse. Danach werde er die Folgen der Schließung des Kneippianums gerne in einer öffentlichen Sitzung diskutieren. „Aber Sie brauchen erst eine Basis, auf der wir dann diskutieren können“, so Gruschka.
Schreiber hatte bereits am 22. August beantragt, das Kneippianum im Stadtrat zu behandeln. Doris Hofer hatte wenig später einen erweiterten Antrag der Grünen nachgelegt. Gruschka sagte, Hofer habe entgegen der Pressemitteilung der Grünen nicht beantragt, in öffentlicher Sitzung zu diskutieren. Hofer wiederum stellte klar, sie habe das zwar nicht beantragt, Gruschka aber in einer Mail darum gebeten. „Das Thema bewegt Herzen und Gemüter“, sagte Hofer. Deshalb müsse man es öffentlich diskutieren.
„Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf zu erfahren, wie wir mit diesem Problem umgehen“, stellte Stefan Ibel fest. „Es gibt keinen Grund, es in einer nichtöffentlichen Sitzung zu verstecken“, kritisierte er.
Die Schließung der Stiftung Kneipps durch den Orden der Barmherzigen Brüder sei „schockierend und alarmierend“, stellte Baureferent Schreiber fest. Während Wolfgang Hützler, der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler, die Meinung vertrat, das Kneippianum sei keine „Angelegenheit des unmittelbaren Wirkungskreises“des Stadtrates, also nicht seine Angelegenheit, sieht Ibel das völlig anders. Auch Hützlers Parteikollege Schreiber ist anderer Meinung. Die Schließung des Kneippianums zum 1. November sei „keineswegs vergleichbar mit der Schließung eines anderen Unternehmens, in die sich die Stadt nicht einmischen sollte“, stellte er klar. Hier jedoch gelte es, Einfluss im Sinne Kneipps zu nehmen, sagte Schreiber sinngemäß.
Hofer zitierte Gruschka selbst, der gesagt hatte, es gehe jetzt darum, in die Zukunft zu blicken. „Mich würde interessieren, was Sie da sehen, wenn Sie in die Zukunft blicken“, sagte die Grünen-Sprecherin.
Gruschka berichtete dem Stadtrat, er habe den Barmherzigen Brüdern Unterstützung zugesichert, wenn es um die Vermittlung von Investoren für das Areal gehe. „Wir haben auch längst Adressen weitergegeben“, sagte Gruschka. Darunter seien „Kliniken und namhafte Träger sozialer Belange“, sagte der Rathauschef, allerdings ohne Namen zu nennen. Gruschka betonte aber auch, das Kneippianum sei ein privates Unternehmen, das „die Stadt nicht um Hilfe gebeten und eine Entscheidung getroffen hat.“Diese Entscheidung „sollten wir respektieren“, empfahl Gruschka der Ratsrunde.
Der Bürgermeister berichtete ebenfalls, dass der Orden der Barmherzigen Brüder die Stadt Bad Wörishofen in eine Entscheidung, wie es auf dem Gelände des Kneippianums weitergeht, einbeziehen wolle. „Wie diese Entscheidung aussehen könnte, ist derzeit aber nicht zu sagen“, so Gruschka weiter. „Lobenswert“nannte er es, dass sich „auch die hohe Landespolitik“in Sachen Kneippianum engagiere. Bernhard Pohl (FW) sowie Franz Pschierer und Klaus Holetschek ha- ben sich des Themas angenommen. „Doch erst, wenn ein Konzept der Barmherzigen Brüder vorliegt, ist es Zeit, an die Landespolitik heranzutreten“, findet Gruschka. Die Stadt sei in der Angelegenheit außerdem „keineswegs untätig“geblieben, stellte Gruschka klar. Er berichtete, dass Kämmerin Beate Ullrich dem Orden behilflich sein könnte, die Gäste des Kneippianums nach der Schließung in Bad Wörishofen zu halten.
Gruschka berichtete dem Stadtrat zudem, dass er sich darüber informiert habe, wie es 2002 nach der Schließung der Kneipp’schen Kinderheilstätte weiterging, Kneipps erklärter Lieblingsstiftung. Damals war Klaus Holetschek (CSU) Bürgermeister der Kneippstadt. „Das war eine schlichte Bekanntgabe im Stadtrat, mehr nicht“, sagte Gruschka. „Es wurden zudem Gespräche mit Ministerien angekündigt.“Holetschek hatte sich damals bekanntlich dafür eingesetzt, dass die Schließung nicht das Ende ist. Entstanden ist in der Folge das Familie-Kind-Haus. Dieses haben die Barmherzigen Brüder in diesem Frühjahr geschlossen. Die Stadt hat das Gebäude mittlerweile angemietet und dort Kindergartenkinder und den Kinderhort untergebracht, bis der geplante Neubau steht. Gruschkas Stellvertreter, der CSUFraktionsvorsitzende Stefan Welzel, machte wiederum klar, dass das Kneippianum „selbstverständlich als zentrales Gebäude eine kommunale Aufgabe“sei. Man könne die Entscheidung zur Schließung zwar nicht rückgängig machen. „Wir können aber sagen: Jetzt erst recht.“Es dürfe „uns nicht egal sein, wie sich das entwickelt“, stellte Welzel klar. Er habe mit sehr vielen Beschäftigten dort gesprochen. „Das ist sehr emotional“, schilderte er. „Wir brauchen Kneipp als Kitt für unseren Zusammenhalt“, betonte Welzel. „Es geht jetzt um gute Lösungen.“Dass es auch ihm genau darum geht, machte Gruschka deutlich, mit dem Verweis auf einen „dicken Ordner“vor ihm auf dem Tisch, den es schon seit Juli gebe. Das wiederum machte Konrad Hölzle (CSU) hellhörig, denn bekannt wurde die Schließung erst im August.
„Es ist doch klar, dass mich der Orden vorab informiert und um Vertraulichkeit gebeten hat, bis er seine Mitarbeiter informiert hat“, sagte dazu Gruschka. „Da kann man hier keinen Vorwurf formulieren.“
„Das Kneippianum ist ein Ankerbetrieb, ein Leuchtturm der Kneippkur“, betonte Stefan Ibel in der Sitzung. Er könne deshalb Hützlers Sichtweise nicht verstehen. Natürlich sei dies eine kommunale Aufgabe. Zudem sei das Kneippianum „von der Kostenstruktur her mit dem Sebastianeum vergleichbar“, sagte Ibel. Er frage sich nun, wann die „Barmherzigen Brüder auf die Idee kommen, auch das Sebastianeum zu schließen.“Der Orden hat bislang betont, dass das Sebastianeum weiter betrieben werde. Vom Kneippianum trennt sich der Orden unter anderem deshalb, weil das Haus zwischen 2010 und 2017 offenbar durchschnittliche jährliche Verluste in siebenstelliger Höhe gemacht hat. Das geht aus einem Brief hervor, den der Landtagsabgeordnete Bernhard Pohl (FW) in dieser Woche öffentlich gemacht hatte. Zudem stünden millionenschwere Investitionen in das Gebäude an, heißt es dort sinngemäß.
Stefan Ibel sagte in der Sitzung, was ihm vorschwebt. „Es geht jetzt um diesen zentralen Platz und darum, was damit geschieht“, machte er deutlich. „Das Grundstück ist ein Sahnestück und weckt falsche Erwartungen“, sagt Ibel. Wohnungen an dieser Stelle direkt am Kurpark wären sicher attraktiv. Doch eine Wohnbebauung lasse der geltende Bebauungsplan nur ausnahmsweise zu, stellte Ibel klar. „Es ist traurig, wie die Sachwalter von Kneipps Erbe mit diesem Erbe umgehen“, sagte Ibel an die Adresse der Barmherzigen Brüder gerichtet. „Aber wir sind auch Kneipps Erben – und wir haben das Planungsrecht.“Ibel machte klar, dass er Wohnungen dort nicht dulden werde. Bernhard Oberstaller vom Bauamt erläuterte, was unter Ausnahme zu verstehen ist. Diese dürfe nur verwehrt werden, wenn städtebauliche Gründe gegen eine Wohnbebauung sprächen. Oberstaller ist der Meinung, dass das beim Kneippianum der Fall ist. Es sei der einzige Ort in Bad Wörishofen, der noch dicht mit Kurbetrieben versehen sei. Deshalb habe man das Gebiet auch als Sondergebiet ausgewiesen.
Ob denn damals bei der Schließung der Kneipp’schen Kinderheilstätte eine Ausnahme gemacht wurde, wollte wiederum Gruschka wissen. Oberstaller berichtete, dass in dem Gebäude in direkter Nachbarschaft des Kneippianums die Mal lersdorfer Schwestern ihren Lebensabend verbringen würden. Die Mallersdorfer hatten das KneippianumProjekt damals von Kneipp selbst übernommen und dort 120 Jahre lang gewirkt. „Baurechtlich wurde damals nichts verändert“, berichtete Oberstaller. Dass man Kneipp „verpflichtet“sei, betonte in der Debatte Konrad Hölzle. Gruschkas „betriebswirtschaftliche Betrachtung“sei nur die eine Seite. „Würde ich betriebswirtschaftliche Maßstäbe an die Stadt legen, könnte man den Kur- und Tourismusbetrieb einstellen“, machte er deutlich. „Das kann es aber nicht sein.“
Dass die Kneippkur „nicht durch die Schließung des Kneippianums untergehen“werde, sagte Ilse Er hard (CSU). Sie stellte die Frage nach dem öffentlich nutzbaren Parkhaus am Hotel. Werde dies bestehen bleiben? Gruschka konnte dazu keine Angaben machen. Chris tian Förch (CSU) berichtete der Ratsrunde zudem von „zum ersten Mal seit Langem steigenden Übernachtungszahlen“(wir berichteten). „Wenn nichts mehr schiefgeht, wird das heuer ein positives Jahr“, sagt Förch. Es sei „sehr traurig, dass wir den Leuchtturm verlieren“, sagte er zu der Schließung des Kneippianums. „Aber Kneipp geht in den anderen Betrieben weiter.“So würden zum ersten Mal seit Jahren wieder Kneipp-Bademeister in Bad Wörishofen ausgebildet.