Gewaltig unterschätzt
Die Schließung des Kneippianums trifft alle. Zuerst natürlich die Mitarbeiter, die ihre Arbeitsstelle verlieren – und davon offenbar kalt überrascht wurden, wie die Darstellungen nahelegen. Ein Orden, der noch dazu das „Barmherzig“im Namen trägt, hätte das auch anders lösen können.
Das Aus für das Kneippianum zum 1. November – noch früher als zunächst erklärt – trifft aber auch die Kurstadt als Ganzes, die ja gerade heuer endlich den ersehnten – wenngleich sanften – Aufschwung erlebt. Die Übernachtungszahlen steigen – und das ist nun einmal die entscheidende Größe, denn mit den Übernachtungen wird das Geld verdient. In Sichtweite ist zudem das große Jubiläumsjahr 2021, in dem sich Kneipps Geburtstag zum 200. Mal jährt. Von seinen drei eigenen Stiftungen wird dann – Stand heute – nur noch eine einzige übrig sein. Welche Schmach.
Die Auswirkungen der Schließung des Kneippianums haben die Barmherzigen Brüder offenbar gewaltig unterschätzt. Nun schlägt ihnen die Kritik entgegen. Rund 250 Menschen sind gegen die Schließung und aus Solidarität mit den Beschäftigten auf die Straße gegangen. Sogar eine eigene Messe wurde in dieser Woche gelesen, um ein Zeichen gegen die Schließung zu setzen.
Das Thema wühlt die Menschen in Bad Wörishofen auf. Da war es keine gute Idee, den Umgang mit der Situation zunächst gänzlich in einer nichtöffentlichen Sitzung diskutieren zu wollen. Das Kneippianum ist eben kein Betrieb wie jeder andere. Er ist Kneipps Erbe, dem sich offenbar noch viele Bad Wörishofer sehr verpflichtet fühlen – und nun wissen wollen, wie die kommunalpolitischen Vertreter die Lage bewerten.
Entsprechend wurde den Barmherzigen Brüdern nun auch gezeigt, wie es laufen könnte. Stefan Ibel hat schon einmal klargemacht, dass mit ihm keine Wohnungen auf dem (Filet–)Grundstück des Kneippianums entstehen werden. Der Wink mit dem Planungsrecht ist ein Wink mit dem Zaunpfahl. Es darf unterstellt werden, dass diese Sichtweise mehrheitsfähig im Rat ist. Die Barmherzigen Brüder wären nun gut beraten, mehr Transparenz in Sachen Kneippianum an den Tag zu legen und die Menschen in Bad Wörishofen in die Überlegungen einzubinden, wie es dort weitergehen könnte.