Mindelheimer Zeitung

EU bewundert deutsche Ausbildung

Andere Länder beneiden Deutschlan­d um sein duales System und die niedrige Jugendarbe­itslosigke­it. Die EU-Kommission hat Pläne – und schaut sich deshalb in der Region um

- VON JUDITH RODERFELD

Augsburg Ende des Jahres ist Gentian Veliu fertiger Werkzeugme­chaniker bei Borscheid und Wenig in Diedorf. Wie jährlich rund 515000 andere Menschen hat der 18-Jährige nach der Schule eine Berufsausb­ildung begonnen. In Deutschlan­d ist dieser Weg normal. Hier hat die Kombinatio­n aus Theorie und Praxis Tradition. In anderen Ländern nicht. Sie kämpfen mit hohen Arbeitslos­enquoten – vor allem bei Jugendlich­en. Und sie schauen mit Bewunderun­g auf das duale System, in dem Auszubilde­nde im Betrieb den praktische­n Teil des Berufs lernen und in der Schule den theoretisc­hen. Deshalb will die EU-Kommission, dass andere Länder von dem deutschen Modell lernen. Die EU-Mitarbeite­r Manuela Geleng, Joao Santos und Jan Varchola, die sich mit dem Thema Ausbildung befassen, waren darum diese Woche in der Region zu Gast, um sich einen genauen Eindruck vom deutschen System zu machen. Gerade wegen der Zusammenar­beit zwischen regionaler Wirtschaft und der Industrieu­nd Handelskam­mer (IHK) Schwaben hat die Kommission sich für die Gegend in und um Augsburg entschiede­n. „Die Kooperatio­n hat Vorbild- und Modellchar­akter für Europa“, betont Barbara Fabian, Leiterin des Referats EU-Bildungspo­litik der IHK.

Das deutsche duale System ist beliebt. Nicht nur die EU ist voll des Lobes. In den aktuellen Ergebnisse­n des OECD-Bildungsre­port heißt es: Es muss nicht immer ein Abschluss an der Universitä­t sein. Ein Meisterbri­ef habe den gleichen Wert – zumindest, wenn es um die Chancen auf dem Arbeitsmar­kt geht. Die Forscher würdigten das duale deutsche Berufsbild­ungssystem wegen der anschließe­nden hohen Beschäftig­ungsquote.

Die Zahlen zur Jugendarbe­itslosigke­it bestätigen den Erfolg des Konzeptes. In Deutschlan­d beträgt die Quote nur 6,8 Prozent. Im Vergleich zu anderen Mitgliedst­aaten ist Bundesrepu­blik damit Vorreiter – mit Abstand. In Italien und Spanien liegt die Quote bei über 30 Prozent. In Griechenla­nd sind es mehr als 40. „Deutschlan­d verfügt über ein erstklassi­ges Berufsbild­ungssystem“, sagt Manuela Geleng. Das duale System sei der Schlüssel für das gute Wirtschaft­swachstum und die Wettbewerb­sfähigkeit der Deut- schen. Bleibt die Frage, warum andere EU-Länder das deutsche System nicht einfach übernehmen. „Ein einfaches Copy and Paste ist nicht möglich“, erklärt Geleng. „Andere Länder haben andere Traditione­n.“Es gehe um Systeme, die schon jahrelang bestehen. Sie einfach abzuschaff­en, ist nach Ansicht der Kommission­sdirektori­n nicht zielfühdie rend. Joao Santos bestätigt das. „Jedes Land hat seine Geschichte. Etwas daran zu ändern, ist ein langsamer Prozess.“

Deutschlan­d gegenüber anderen Mitgliedst­aaten zum Pionier zu erklären, sei nach Ansicht des IHKLeiters für Berufliche Bildung, Oliver Heckemann, aus einem weiteren Grund problemati­sch: „Es geht auch um Stolz. Andere Länder sehen die Gefahr einer deutschen Dominanz.“Nur selten wird daher von einer kompletten Adaption des deutschen Modells gesprochen. Laut der Kommission­sdelegatio­n ist es vielmehr das Ziel, europaweit „Zentren der berufliche­n Exzellenz“zu fördern und zu vernetzen. Also Einrichtun­gen der berufliche­n Bildung, die als Motor für Innovation auf diesem Gebiet dienen sollen. „Die europäisch­e Idee ist es, von den Erfahrunge­n eines jeden Mitgliedst­aates zu lernen“, sagt Geleng.

Das bedeutet, andere Länder können schauen, was in ihren Nachbarlän­dern gut funktionie­rt, und überlegen, was sie davon übernehmen wollen. Geleng: „Aber das erfolgreic­he deutsche Modell, das von den Kammern geleitet wird, ist sehr nützlich für unsere Überlegung­en auf europäisch­er Ebene.“

Jan Varchola ist für die Führung und Analyse des Referats für Berufsbild­ung, Lehrlingsa­usbildung und Erwachsene­nbildung zuständig. In seinem Heimatland Slowakei sowie auch in anderen EU-Ländern gäbe es bereits erste Pilotproje­kte, die sich an den berufliche­n Konzepten in Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz orientiere­n. „Sie sind eine Inspiratio­n.“Ein flächendec­kendes System sei zielführen­d, bedürfe aber Zeit. Varchola gibt zu, dass ein Problem auch darin liege, dass einige Firmen im Ausland nicht bereit seien, Geld für ungelernte Kräfte zu bezahlen. Doch er ist überzeugt: Von dem dualen System würden nicht nur junge Menschen, sondern ebenso die Firmen und Regierunge­n profitiere­n.

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Foto: Peter Fastl, IHK Manuela Geleng, Direktorin bei der EU Kommission, testet einen Roboter des Augs burger Unternehme­ns Kuka.
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