Gefährliches Leuchten?
Die Nacht wird immer heller. Warum das für Insekten ein Problem ist – und was dagegen hilft
Sommerzeit oder Normalzeit? Die Frage, welche Uhrzeit gelten sollte, wenn die Zeitumstellung tatsächlich abgeschafft wird, entwickelt sich zum großen Streitthema. Kein Wunder, ist der natürliche Wechsel von hellem Tag und dunkler Nacht doch der grundlegendste Rhythmus in unserem Leben. Er ist der große Taktgeber der Natur, beinahe alle Ökosysteme haben sich an ihn angepasst. Unterbrechungen des Hell-dunkel-Rhythmus bedeuten darum immer eine Störung. Doch längst ist die Nacht nicht mehr dunkel. Künstliches Licht macht die Nacht zum Tag – und das hat schwerwiegende Folgen. Für Insekten werden künstliche Lichtquellen oft zur tödlichen Falle.
Das Phänomen heißt „Staubsaugereffekt“: Nachtaktive Insekten – das sind immerhin gut die Hälfte aller bekannten Arten – werden zu Milliarden von künstlichen Lichtquellen angelockt. Entweder sie verenden dann direkt, weil Licht häufig auch Hitze produziert. Oder sie werden Opfer von Fressfeinden, denen das Essen quasi frei Haus geliefert wird. Mittel- und langfristig nimmt die Zahl der Insekten auch deswegen ab, weil sie keine Nahrung suchen oder sich fortpflanzen können, wenn sie ohne Unterlass um die künstliche Lichtquelle flattern. Und auf noch einen komplexeren Zusammenhalt weisen Forscher des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) hin: Künstliches Licht kann wie eine Barriere wirken, Insekten können sich nicht wie gewohnt ausbreiten. Dadurch fehlt der genetische Austausch vor allem innerhalb zergliederter Insektenpopulationen. In der Folge sinkt ihre Widerstandsfähigkeit gegen andere negative Umwelteinflüsse. Das ist besonders relevant für Populationen, die ohnehin schon unter Stress stehen, etwa in landwirtschaftlich intensiv genutzten Gebieten.
Für die Landwirtschaft bedeuten weniger Insekten aber auch weniger Nachtfalter, Käfer und Fliegen zum Bestäuben von Pflanzen. Und Veränderungen im Vorkommen einer Art können das eingespielte System aus dem Gleichgewicht bringen, weil sich Schädlinge etwa plötzlich besser vermehren können.
Seitdem klar ist, dass die Zahl der Insekten teilweise dramatisch sinkt – die Biomasse an Insekten ist in den vergangenen knapp 30 Jahren um bis zu 75 Prozent zurückgegangen –, ist auch die sogenannte Lichtverschmutzung als eine von mehreren Ursachen in den Fokus gerückt. Inzwischen hat die Bundesregierung ein Aktionsprogramm zum Insektenschutz beschlossen. Darin heißt es, der Bund werde eine Vorbildfunktion bei der Reduzierung der Lichtverschmutzung und der Umstellung auf insektenfreundliche Lichtquellen übernehmen. Der große Wurf steht noch aus. Empfehlungen, was getan werden könnte, um die Situation für Insekten zu entschärfen, gibt es schon seit Jahren.
Im Wesentlichen geht es dabei um Lichtlenkung, Lichtmenge und Lichtfarbe. Auch die entsprechende Technik existiert bereits. Die Vereinigung der Sternfreunde und das Haus der Astronomie in Heidelberg empfehlen konkret künstliches Licht nachts nur einzusetzen, wenn es unbedingt notwendig ist. Naturnahe Bereiche wie Bäume, Felsen, Gewässer sollten gar nicht beleuchtet werden. Außerdem sollte Licht mithilfe von voll abgeschirmten Leuchten nur dorthin gelenkt werden, wo es benötigt wird. Möglichst kein Licht sollte unnütz nach oben und horizontal abstrahlen.
Ferner sollte die Lichtmenge möglichst gering gewählt werden, oft wäre eine gleichmäßige Beleuchtungsstärke von wenigen Lux ausreichend. Zeitschaltuhren und Bewegungsmelder könnten helfen, Lichtquellen zu verringern, wenn sie nicht gebraucht werden. Und zuletzt: Weißes Licht sollte möglichst wenige Blauanteile enthalten. Warmweißes und gelbes Licht zieht deutlich weniger Insekten an.
Umgesetzt werden könnten die Maßnahmen, wenn sie von Kommunen in Bebauungsplänen festgeschrieben werden. Auch Fördermittel könnten an die Umsetzung dieser Maßnahmen geknüpft werden. Vor allem aber setzen die Forscher und ehrenamtlichen Aktivisten auf eine bessere Information der Öffentlichkeit sowie von Architekten, Lichtplanern und Elektrofirmen.