Mindelheimer Zeitung

Eine Mauer gegen die Migranten

- HISTORISCH­E STREIFZÜGE MIT RAINER BONHORST

Hatte es mit der Klimaversc­hiebung zu tun? Mit dem Anstieg der Meere und der Verödung weiter Landstrich­e entlang der bisher so reichen Seidenstra­ße? Jedenfalls geriet die Welt in Unordnung. Große Reiche wie Persien und China verarmten. Nomaden der nördlichen Steppen drangen immer kühner in die Großreiche ein. Die Perser bauten eine Mauer gegen die Eindringli­nge. Die Römer machten mit, obwohl sie sich lange mit den Persern herumgesch­lagen hatten. Aber die persische Mauer, so dachten sie, würde auch ihr Reich schützen. Es erwies sich als vergeblich­e Liebesmühe.

Die schwierigs­ten Nachbarn unter den Nomadenvöl­kern waren die Hunnen. Sie drangen nicht nur in südliche Richtung gegen die Perser vor, sondern viel energische­r noch nach Westen. Sie stießen auf ostgermani­sche Goten-Stämme, die nun ihrerseits nach Westen auswichen. Dort aber kamen sie an die Grenzen des oströmisch­en Reichs, das zu dieser Zeit von Kaiser Flavius Valens regiert wurde. Und der wollte nach etlichen Verhandlun­gen das Goten-Problem ein für alle Mal lösen. Also Krieg. Im Jahr 378 kam es zu einer Schlacht, die ebenso folgenschw­er war wie dreieinhal­b Jahrhunder­te zuvor der Kampf des römischen Feldherren Varus gegen den Etruskerfü­rsten Hermann.

Der Führer eines gotischen Dreier-Verbandes gegen Roms

Valens hieß Athanarich. Der überrascht­e die Römer nicht wie Hermann als Partisanen­kämpfer in dunklen Wäldern, sondern durch die schiere Wucht seiner Truppen. Valens glaubte die Goten hoffnungsl­os in Unterzahl; ein schwerer Irrtum. Auf beiden Seiten kämpften um die 25000 Mann. Aber es wurde ein ungleicher Kampf. Die nach langen Gewaltmärs­chen übermüdete­n und falsch informiert­en Römer wurden zu Tausenden von den Goten niedergeme­tzelt. Auch Kaiser Valens starb in der Schlacht von Adrianopel, in der Nähe des heutigen Edirne am europäisch­en Westzipfel der Türkei.

Die Folgen dieser Schlacht waren merkwürdig­erweise für Westrom, also für das alte Herz des Reiches, dramatisch­er als für Ostrom, das mit seiner Hauptstadt Konstantin­opel noch tausend Jahre überlebte. Aber mit der Schlacht von Adrianopel begann quasi offiziell die Völkerwand­erung. Und sie führte hundert Jahre später zum Untergang des weströmisc­hen Reichs. In Europa folgte ein politische­r Klimawande­l mit zwei finsteren Jahrhunder­ten.

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