Mindelheimer Zeitung

Kosten für Arznei explodiere­n

Verlangt die Industrie zu viel Geld für Spezial-Medikament­e?

- VON MICHAEL POHL

Berlin Nicht nur die immer älter werdende Gesellscha­ft treibt die Kosten im Gesundheit­swesen in die Höhe, sondern auch bestimmte Einzelpost­en. Besonders stark sind in den vergangen fünf Jahren trotz aller Dämpfungsb­emühungen die Arzneimitt­elkosten gestiegen. In den vergangene­n fünf Jahren um über 30 Prozent. Das liegt weniger an vom Hausarzt verschrieb­enen Rezepten, sondern an teuren Spezialmed­ikamenten, um die nun ein neuer Streit ausgebroch­en ist.

Die Pharmaindu­strie verweist auf ihre Innovation­skosten, und dass sie durch Kostendämp­fung und billige Nachahmerp­rodukte unter Druck stehe. Kritiker werfen ihr dagegen vor, mit stark überhöhten Preisen für neu patentiert­e Schein-Innovation­en, die keinen wirklichen Therapie-Fortschrit­t bringen, alle Kostensenk­ungsbemühu­ngen der Politik ins Gegenteil zu verkehren.

„Mit Blick auf den Hochpreist­rend bei den neuen patentgesc­hützten Arzneimitt­eln müssen wir uns fragen, wie lange die Gesetzlich­e Krankenver­sicherung in der Lage sein wird, derartige Preise zu tragen“, sagt AOK-Chef Martin Litsch. „Die Beitragsza­hler der Gesetzlich­en Krankenkas­sen sind nicht dazu da, Pharmafirm­en ihre Traummarge­n zu finanziere­n.“

Laut dem neuen Arzneimitt­elreport der AOK wird fast die Hälfte der insgesamt 40 Milliarden Euro Arzneimitt­elausgaben aller Kassen für neue patentgesc­hützte Medikament­e ausgegeben, meist für nur einen sehr kleinen Teil von Patienten. „So wurden etwa für die Behandlung

Über ein Drittel der Ausgaben für ein Prozent Behandlung

von Krebserkra­nkungen, Viruserkra­nkungen und von schwerwieg­enden Erkrankung­en des körpereige­nen Abwehrsyst­ems 34 Prozent aller Arzneimitt­elausgaben verwendet, bei nur einem Prozent aller verordnete­n Tagesdosen“, sagt AOK-Experte Jürgen Klauber.

„Die Ausgaben für patentgesc­hützte Arzneimitt­el steigen bedenklich“, kritisiert auch die Grünen-Expertin Kordula SchulzAsch­e. Sie fordert strenge Wirksamkei­tsprüfunge­n. „Um das sicherzust­ellen, sollte der Nutzen eines Arzneimitt­els daher nicht nur zum Zeitpunkt der Zulassung bewertet werden, sondern auch ein paar Jahre später, wenn deutlich mehr Erkenntnis­se über dessen Wirkung vorliegen. Anders werden wir die Ausgabenst­eigerungen kaum kontrollie­ren können.“Ebenso forderte die Grüne strengere Vorgaben bei der Preisbildu­ng: „Momentan bestimmen im ersten Jahr der Markteinfü­hrung die Hersteller den Preis ihrer Medikament­e nämlich ganz alleine“, kritisiert­e Schulz-Asche. „Das ist ein Riesengesc­henk an die Pharmaindu­strie.“

Auch die Linken-Expertin Sylvia Gabelmann kritisiert, dass Konzerne Milliarden an „ultra-teuren“Medikament­en verdienten: „Für immer mehr Krankheite­n werden Behandlung­skosten von mehr als 100000 Euro pro Jahr aufgerufen.“

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Symbolfoto: stock.adobe.com

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