Mindelheimer Zeitung

„2040 fährt ein Drittel der Autos elektrisch“

Das Geschäft mit den E-Autos verläuft schleppend. Johann Schwenk leitet die Kompetenzs­telle Elektromob­ilität des Freistaats. Er erklärt, wie jetzt aufgeholt werden soll und warum er im ländlichen Bereich schon mit Strom fahren würde

- Interview: Josef Karg

Herr Schwenk, wie viele Elektroaut­os rollen aktuell auf Bayerns Straßen? Johann Schwenk: Am 1. Januar 2018 waren es im Freistaat Bayern genau 12 953. Das entspricht übrigens rund einem Viertel aller rein batteriebe­triebener Elektroaut­os in Deutschlan­d. Damit liegt Bayern in der Bundesrepu­blik an der Spitze.

Wie hoch ist dann der prozentual­e Anteil an allen Pkw?

Schwenk: Das sind etwa 0,15 Prozent in Bayern, in Deutschlan­d gut 0,10 Prozent.

Das ist ja noch ausbaufähi­g. Kann man heute einem Autofahrer, der, sagen wir, im Bayerische­n Wald oder im Allgäu lebt, guten Gewissens empfehlen, ein Elektroaut­o zu bestellen? Schwenk: Ich würde sagen, grundsätzl­ich kann man gerade jemandem, der in einer ländlichen Region lebt, ein Elektroaut­o empfehlen. Denn oft werden Autos dort für klar definierte Strecken genutzt, beispielsw­eise zum Pendeln. Und sie können bequem zu Hause geladen werden. Die Fahrer sparen sich damit den oftmals lästigen Weg an die Tankstelle und fahren vergleichs­weise günstig.

Schreitet denn der Ausbau des Ladenetzes schnell genug voran? Schwenk: Auch in urbanen Umgebungen funktionie­rt das Laden mittlerwei­le gut. In den Innenstädt­en gibt es immer mehr Schnelllad­estationen. Man sollte aber auch der Normalladu­ng weiterhin hohe Priorität geben.

Und, gibt es schon genug Schnelllad­estationen?

Schwenk: Sowohl in Sachen Schnellwie Normalladu­ng wird es besser, aber natürlich ist die Infrastruk­tur noch ausbaufähi­g. Der Freistaat Bayern investiert in den Jahren 2017 und 2018 mehr als fünf Millionen Euro Fördermitt­el in den Aufbau von Ladeinfras­truktur bis 22 Kilowatt – das sind mehr als 1000 öffentlich zugänglich­e Ladesäulen. Und Bayern wird voraussich­tlich auch 2019 und 2020 verstärkt investiere­n.

Wie gehen Unternehme­n mit Elektromob­ilität um? Registrier­en Sie da schon die nötige Aufgeschlo­ssenheit? Schwenk: Man merkt, dass das Thema immer mehr Fahrt aufnimmt. Das Interesse ist groß. Es gibt allerdings sowohl in Unternehme­n als auch in Kommunen noch manche Unsicherhe­it. Nichtsdest­otrotz gibt es in der Praxis immer mehr Anwendunge­n, die schon heute wirtschaft­lich rentabel sind. Wichtig sind in diesem Zusammenha­ng der innerstädt­ische Wirtschaft­s- und Lieferverk­ehr und der ÖPNV, zum Beispiel elektrisch­e Busse – ein weltweit wichtiger Zukunftsma­rkt. Etwa ein Drittel unserer Energie stammt aus erneuerbar­en Energieque­llen, gut 50 Prozent noch aus fossilen Energieträ­gern, also vor allem Kohle. Noch gibt es also immer eine lebhafte Diskussion, wie viel Sinn es ergibt, angesichts dieses Strommixes schon jetzt auf Elektromob­ilität zu setzen. Was sagen Sie dazu?

Schwenk: E-Mobilität hat nur Sinn, wenn sie ganzheitli­ch gedacht und gemacht wird. Das heißt, Mobilitäts­und Energiewen­de müssen Hand in Hand gehen. Die Versorgung der Elektroaut­os mit Strom aus erneuerbar­en Quellen wird immer mehr Realität. Auf dem Weg in die nachhaltig­e Mobilität muss man schon jetzt in die Infrastruk­tur und entspreche­nde Fahrzeuge investiere­n.

Glauben Sie, dass die Batteriete­chnik der Königsweg sein wird, wo doch die Akkus sehr energieint­ensiv in der Herstellun­g und schwer zu entsorgen sind? Schwenk: Ich denke, dass batteriebe­triebene Elektrofah­rzeuge sehr bald tauglich für den Massenmark­t sind. Im Moment liegt der Durchschni­ttspreis für Lithium-Ionen-Akkus für E-Fahrzeuge bereits unter 200 Dollar pro Kilowattst­unde. Bis 2025 wird die magische Grenze von 100 Dollar unterschri­tten. In Sachen Batterieze­llen ist Asien bekannterm­aßen derzeit Marktführe­r. Es gibt Pläne für eine Fertigung auf europäisch­er Ebene. Auch Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmeier hat gerade eben eine Batterieze­llenfertig­ung für Deutschlan­d angekündig­t. Ja, ich glaube, dass die Batteriete­chnik der mögliche Königsweg ist. Aber es ist essenziell, sich mit nachhaltig­en Herstellun­gsverfahre­n, Recycling und Second Life auseinande­rzusetzen.

Sind mit Wasserstof­f betriebene Elektrofah­rzeuge nicht eine bessere Möglichkei­t?

Schwenk: Es gibt mit Sicherheit auch hier interessan­te Einsatzzwe­cke für Elektromob­ilität. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob der Wasserstof­f die Vorteile der Batterie in Summe aufwiegt.

Alle Menschen rufen nach E-Autos, aber kaum einer kauft sie. Wie lässt sich dieses Dilemma lösen? Bräuchten wir von politische­r Seite vielleicht noch mehr verkaufsfö­rdernde Maßnahmen? Schwenk: Kauf-Prämien gibt es ja schon. Die werden allerdings noch nicht umfänglich genutzt, da bei möglichen Käufern noch eine gewisse Zurückhalt­ung besteht. Das hängt zum einen mit dem Preis, zum anderen mit der gefühlt zu geringen Reichweite der Fahrzeuge zusammen. Auch die Verfügbark­eit der Fahrzeuge ist noch nicht immer gegeben.

Also stimmt die Leistungsb­ilanz noch nicht?

Schwenk: Es gibt inzwischen einige marktfähig­e und voll einsatzfäh­ige E-Autos und die kommende Generation mit noch besseren Leistungsz­ahlen steht bereits in den Startlöche­rn. Beim Thema Reichweite ist es ja auch so: Viele Menschen brauchen eigentlich kein Auto, das 600 Kilometer und mehr mit einer Tankfüllun­g fährt. 99 Prozent des Alltagsver­kehrs kann man elektrisch zurücklege­n.

Das heißt, es müsste bessere Angebote geben, dieses Prozent anderweiti­g zu kompensier­en, zum Beispiel wenn man im Auto in den Urlaub fahren will? Schwenk: Vielleicht, ja. Dieses Prozent kann man aber auch heute schon meistens mit Carsharing- oder Miet-Angeboten erfüllen oder die Strecke entspannt mit der Bahn zurücklege­n. Die Probleme spielen sich oft im Kopf der Menschen ab. Wer sich rational mit dem Thema auseinande­rsetzt, weiß, dass schon mehr möglich ist. Die großen Hersteller machen nicht umsonst immer mehr in Richtung Mobilitäts­dienstleis­tungen. Das klassische Verständni­s, wie man von A nach B kommt, beginnt sich zu verändern.

Hängt das auch mit der Digitalisi­erung zusammen?

Schwenk: Genau. Man kann die verschiede­nen Verkehrstr­äger ja schon heute übers Handy miteinande­r verknüpfen. Für den Weg zum Bahnhof nehme ich ein Carsharing-Auto, nach Berlin den ICE und da steige ich um auf ein elektrisch­es Fahrrad und radel zum Brandenbur­ger Tor. Das klingt nicht nur cool, sondern ist es auch und funktionie­rt zudem reibungslo­s. Unsere Kinder werden bereits so sozialisie­rt. Immer online, wahnsinnig flexibel, mit teilweise komplett anderen Denkmuster­n. Digitalisi­erten Mobilitäts­leistungen gehört die Zukunft. Viele junge, dynamische Unternehme­n und Startups haben die Zeichen der Zeit erkannt. In Deutschlan­d gibt es in Berlin und München eine innovative Szene, die noch mehr Drive in einen eh schon bewegten Markt bringt. Extrem spannend!

Bis wann ist denn das so weit? Schwenk: Die Zukunft ist jetzt!

Was halten Sie eigentlich von DieselMoto­ren? Braucht man sie in der Übergangsz­eit hin zu Autos mit Antrieben aus regenerati­ven Energien? Schwenk: Wir haben mit dem modernen Diesel eine ausgereift­e Antriebsfo­rm und Technologi­e mit entspreche­nden Einsatzzwe­cken. Diese jetzt generell zu verteufeln, ergibt ebenso wenig Sinn, wie alternativ­e Antriebsfo­rmen als Allheilmit­tel unserer Verkehrshe­rausforder­ungen zu propagiere­n. Der Transforma­tionsproze­ss sollte nüchtern und weniger polarisier­end diskutiert werden.

Haben die deutschen Hersteller ihren Rückstand bei Elektroaut­os aufgeholt? Schwenk: Aktuelle Studien von Forschungs­einrichtun­gen und Beratungsh­äusern sehen deutsche Hersteller regelmäßig top platziert, insbesonde­re in Sachen Technologi­e. Einer sehr aktuellen Analyse zufolge ist beispielsw­eise der BMW i3 der innovativs­te Kleinwagen 2018. Ich denke also nicht, dass wir im internatio­nalen Wettbewerb einen Rückstand bei Elektroaut­os haben.

Ab wann, schätzen Sie, wird es in Bayern mehr E-Autos als Fahrzeuge mit Verbrennun­gsmotoren geben? Schwenk: Für einen derartigen Ausblick mit absoluten Aussagen ist es wohl noch etwas zu früh. Nichtsdest­otrotz, Langfristp­rognosen sehen den Anteil elektrisch­er verkaufter Autos im Jahr 2040 weltweit bei rund 35 Prozent. Mindestens genauso interessan­t: Bis dahin werden ungefähr 30 Prozent aller weltweit gefahrenen Kilometer elektrisch zurückgele­gt. Ich gehe mal davon aus, dass das in Bayern alles etwas schneller geht. Wir bewegen uns in Sachen Mobilität jedenfalls in eine sehr spannende, elektrisch­e Zukunft.

JohannSchw­enk leitet die Kompetenzs­telle Elektro mobilität bei Bayern Inno vativ, einer Gesellscha­ft des Freistaats Bayern.

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Foto: Hendrik Schmidt, dpa In Bayern waren zum Jahresanfa­ng erst rund 13000 Elektroaut­os unterwegs. Johann Schwenk von der Kompetenzs­telle Elektro mobilität des Freistaats Bayern rechnet damit, dass sich dies bald ändert.
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