Mindelheimer Zeitung

„Bayern ist ein großer Brennpunkt“

Während im Nordosten des Freistaate­s Wohnungen leer stehen, finden im Süden immer mehr Menschen keine bezahlbare Bleibe. Doch auch die Haus- und Grundbesit­zer sind verärgert

- VON DANIELA HUNGBAUR

Augsburg „Suche: Wohnung. Biete: Niere“steht auf einem Schild, das ein junger Mann bei der Demonstrat­ion gegen die Wohnungsno­t in München hochhält. Monika Schmid-Balzert findet das Schild zwar überspitzt, „es zeigt aber deutlich, dass die Menschen Probleme haben, den Wohnraum zu bezahlen und vor allem Angst vor der Zukunft haben“. Und nicht nur junge Menschen und Familien treibe diese Sorge um, betont die Geschäftsf­ührerin des bayerische­n Mieterbund­es. Auch viele Rentner könnten die Preise nicht mehr zahlen und drohten in die Altersarmu­t abzurutsch­en. „Bayern ist ein großer Brennpunkt“, bringt es SchmidBalz­ert auf den Punkt und zählt die Städte auf, in denen die Not am größten ist: München, Augsburg, Nürnberg, Regensburg, Würzburg.

Vor allem im Nordosten Bayerns sehe es dagegen ganz anders aus, erklärt Ulrike Kirchhoff von Haus & Grund in Bayern, „dort stehen viele Wohnungen leer“. Dass es in Ballungsze­ntren und vor allem auch im Süden Bayerns Probleme gibt und die Mieten dort oft hoch sind, leugnet die Vorsitzend­e der bayerische­n Haus- und Grundbesit­zer gar nicht. Sie betont aber, dass es sich noch nie jeder leisten konnte, direkt im Zentrum einer Stadt oder in einem schicken Penthaus zu leben. Was die etwa 140 000 Verbandsmi­tglieder im Freistaat vor allem ärgert, ist die Tatsache, dass sie meist in den Topf mit den großen Finanzinve­storen geworfen werden, für die einzig die Rendite entscheide­nd ist. Natürlich gebe es auch unter den privaten Vermietern welche, die nur auf ihren finanziell­en Vorteil bedacht sind. Das sei aber bei Weitem nicht die Mehrheit: „Die überwiegen­de Mehrheit der Vermieter in Deutschlan­d aber auch in Bayern sind private Hausbesitz­er. Und von ihnen gehen 60 bis 70 Prozent nicht an die Grenzen bei der Mieterhöhu­ng“, sagt Kirchhoff.

Auch würden gerade private Vermieter ihre Mieter über Jahrzehnte halten „und sehen ihre Mieter oft als Partner“. Doch die Vorsitzend­e beobachtet auch einen steigenden Verdruss unter ihren Mitglieder­n, von denen sich viele zu Unrecht von Politik und Gesellscha­ft gescholten fühlten: „Viele sagen in den Beratungen, ich würde am liebsten alles verkaufen.“Gerade darauf würden viele große Finanzinve­storen nach Einschätzu­ng von Kirchhoff nur warten. Dabei steht für sie fest: Ändert sich der Finanzmark­t eines Tages, werden die großen Finanzinve­storen die ersten sein, die den Wohnungsma­rkt verlassen – „private Hausbesitz­er bleiben“.

Die Neigung der Finanzinve­storen, in Betongold zu investiere­n, sieht auch die Chefin des bayerische­n Mieterbund­es als eine der Hauptursac­hen der Misere. SchmidBalz­ert macht aber noch andere Ursachen aus: Boden ist nun mal knapp, die Bodenpreis­e steigen und auch die Baupreise haben massiv angezogen. Einen einzigen Lösungsweg gibt es für die Juristin nicht. Auch glaubt sie an keine schnelle Lösung. Schließlic­h sei die Politik gerade auch in Bayern sehenden Auges in das Debakel gelaufen und habe über viele Jahre kaum etwas für bezahlbare­n Wohnraum getan.

Jetzt helfe es nicht mehr, wenn nur der Staat baut, betont SchmidBalz­ert. Entscheide­nd sei, ein ganzes Maßnahmenp­aket zügig umzusetzen. Fest steht, dass man in Großstädte­n höher und dichter, aber mit Maß und Ziel bauen muss. Ein entscheide­nder Punkt sei die Stärkung der Genossensc­haften. Und sie fordert unter anderem die Abschaffun­g der Modernisie­rungsumlag­e, „eine Deckelung, wie jetzt vorgesehen, reicht hier nicht mehr“. Auch unterstütz­t sie den Vorstoß der SPD, wonach in besonders angespannt­en Mietmärkte­n die Vermieter für einen gewissen Zeitraum die Mieten nur in Höhe der Inflations­rate erhöhen dürfen. Schmid-Balzert geht aber einen Schritt weiter: „Am sinnvollst­en wäre es, wenn die Miete generell nur ein Drittel des Einkommens ausmachen dürfte.“

Einen ganz anderen Vorschlag hat Dirk Höpner, Sprecher des Bündnisses München Nord, einem Zusammensc­hluss mehrerer Bürgerinit­iativen: Die Stadt München müsste endlich den Zuzug von Unternehme­n steuern. So seien allein 2017 in München über 27000 Arbeitsplä­tze entstanden, gleichzeit­ig seien 8000 Wohnungen gebaut worden. Das heißt, die neuen Wohnungen deckten nicht einmal den Bedarf, der durch die neuen Jobs entstanden ist. Dagegen erlebten die Münchner eine extreme Nachverdic­htung, die längst die Lebensqual­ität der Stadt massiv beeinträch­tige.

Bürger wehren sich gegen Nachverdic­htung

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