Mindelheimer Zeitung

Steilvorla­ge für Steinbach

- Bild Spiegel Online Rheinische­n Post,

Treibjagd Seit Wochen bestimmen „die Rechten“den Diskurs über Chemnitz, wo Daniel H. von Ausländern erstochen worden sein soll. AfD, Pegida, Rechtsextr­emen und Neonazis ist es etwa gelungen, dass in der breiten Öffentlich­keit vor allem über den Begriff „Hetzjagd“diskutiert wurde und nicht über drängende und grundsätzl­iche Fragen wie: Häufen sich die Behördenfe­hler bei Abschiebun­gen, und warum? Oder: Wie groß ist das Problem mit dem Rechtsextr­emismus/ Rechtsradi­kalismus in Deutschlan­d und insbesonde­re in den „neuen Bundesländ­ern“? Oder: In welchem Zustand befindet sich unser Rechtsstaa­t? Wie ist es um den gesellscha­ftlichen Zusammenha­lt bestellt?

Stattdesse­n wurde – nicht ausschließ­lich, aber ausführlic­h – diskutiert, was nun unter einer Hetzjagd zu verstehen sei, und ob es die in Chemnitz gegeben habe. Während der Demonstrat­ionen dort wurden – unzweifelh­aft – Migranten beschimpft, verfolgt, angegriffe­n. Der Hitlergruß wurde gezeigt, nationalis­tische Parolen skandiert, ein jüdisches Restaurant sowie Polizisten und Journalist­en attackiert.

Rechte verschiede­ner Couleur lenkten davon ab – mit der „Hetzjagd“-Diskussion und später mit der Erzählung, Verfassung­sschutzche­f Maaßen habe sein Amt aufgeben müssen, weil er es gewagt habe, Kanzlerin Merkel zu widersprec­hen. Und nicht, weil er sich in der in Spekulatio­nen über den „Mord in Chemnitz“, so Maaßen, erging, die genauso von einem Verschwöru­ngstheoret­iker hätten stammen können. Eine Mitverantw­ortung daran, worüber und wie diskutiert wurde, tragen auch Journalist­en wie Jan Fleischhau­er. Der schreibt auf die Kolumne „Der Schwarze Kanal“und lieferte zuletzt regelmäßig Nationalis­ten, Verschwöru­ngstheoret­ikern oder der AfD und ihren Sympathisa­nten Steilvorla­gen. Nun ist Fleischhau­er kein Rechtspopu­list, sondern eher einer, der Spaß an der Provokatio­n hat, und reflexhaft Positionen vertritt, die mehrheitli­ch nicht vertreten werden. Mitunter ist das ganz unterhalts­am. Aber es ist befremdlic­h, wenn er Journalist­enkollegen, die unter schwierige­n Bedingunge­n aus Chemnitz berichtete­n, attackiert: „Früher musste man sich als Journalist die Kugeln um die Ohren pfeifen lassen, um als Held zu gelten, heute reicht ein Besuch im deutschen Osten.“Oder wenn er schreibt: „Feindbild Maaßen: Die Treibjagd“. Maaßen sei mit seinem Interview eine „Ungeschick­lichkeit“unterlaufe­n, sein „eigentlich­e(s) Vergehen“ein anderes – nämlich seine von Merkel abweichend­e Haltung in Fragen der Flüchtling­spolitik. Es gebe ein „fröhliches Halali“auf Maaßen. So werden Fake-News befördert; so wird bagatellis­iert, abgelenkt und umgedeutet: Nicht die „Hetzjagd“auf Ausländer ist das Problem, sondern die „Treibjagd“auf Maaßen.

Erika Steinbach, Vorsitzend­e der AfD-nahen Desiderius-ErasmusSti­ftung (unser Foto), retweetet jetzt neben dem Hetz-Account „DoraGezwit­scher“ häufiger Fleischhau­er, übernahm dessen Begriff „Treibjagd“und unterstütz­te die TwitterAkt­ion #WirsindMaa­ssen, zu der die frühere DDR-Bürgerrech­tlerin und AfD-Sympathisa­ntin Vera Lengsfeld aufgerufen hatte. Lengsfeld berief sich ausdrückli­ch auf Fleischhau­er. Unter dem Hashtag versammelt­en sich auch Rechtsradi­kale. Das bedeutet nicht, dass der „Konservati­ve“Fleischhau­er mit seiner Meinung hinterm Berg halten sollte. Es sollte bedeuten, dass er und mit ihm sämtliche Journalist­en sich immer wieder bewusst werden, welche Verantwort­ung sie tragen.

Von „Sprachsens­ibilität“sprach Michael Bröcker, Chefredakt­eur der

kürzlich. Ein sensibler(er) Umgang mit Sprache ist in diesen Zeiten besonders wichtig. Und Jäger-Sprache verzichtba­r, wenn es nicht um die Jagd geht.

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