„Wo bleibt der Anstand?“
Autor und Schriftsteller Axel Hacke spricht beim Clubtreffen in Sontheim über US-Präsident Trump und einen Zivilisationsverlust
Sontheim Beim sechsten Clubtreffen des Vereins ProNah in der Dampfsäg in Sontheim war der Journalist und Schriftsteller Axel Hacke zu Gast. Zuvor hatten einige flinke Hände das 52-teilige Landkreis-Puzzle mit allen Unterallgäuer Gemeinden vor der Rückwand der Bühne aufgebaut. Vorsitzender Hermann Kerler begrüßte rund 120 Gäste, darunter viele Bürgermeister und deren Stellvertreter sowie Landrat Hans-Joachim Weirather. Unter dem Motto „Wirtschaftlich – Ökologisch – Sozial“hat es sich der in den 1990er Jahren gegründete Verein zur Aufgabe gemacht, durch Stärkung der Nahversorgung Lebensqualität zu schaffen, zu erhalten und zu verbessern. Damit hat er sich auch der Bewusstseinsbildung im Kneippland Unterallgäu verschrieben. Um Bewusstseinsbildung ging es auch dem Gastredner des Abends, Axel Hacke. Der auch vom Bayerischen Rundfunk und dem „Streif-licht“sowie dem Magazin der Süddeutschen Zeitung her bekannte Journalist und Schriftsteller ging in einem 45-minütigen Vortrag der Frage nach: „Wo bleibt der Anstand?“Er ist auch Autor des beziehungsreichen, 2017 erschienenen Buches „Über den Anstand in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wir miteinander umgehen“.
Ohne auch nur ansatzweise schulmeisterlich mit erhobenem Zeigefinger moralisierend von oben herab zu sprechen, stellte er lapidar fest: „Wir leben heute in einer Welt mit Verlust des Anstandes.“Seit einiger Zeit schwappe nicht nur eine Woge von Anstandslosigkeit um die Welt, „sondern ein Ozean tobt“. Mit dem signifikanten Beispiel „eines Menschen namens Trump“, der erst einmal twittert, bevor er anfängt zu denken, falls er das überhaupt tut, machte Hacke deutlich, dass selbst der „Verlust jedes menschlichen Anstandes diesen Mann nicht daran gehindert hat“, Präsident der USA zu werden. Die „Zurschaustellung eigener Niedertracht“habe ihm „den Weg in dieses Amt sogar geebnet“. Als Beispiel führt Hacke Schauspielerin Meryl Streep an. Sie habe Anfang 2017 mit eigenen Augen gesehen, wie Trump einen körperlich behinderten Journalisten nachäffte. Das habe ihr „das Herz gebrochen“.
Auch sonst, so Hacke, hätten wir uns durch ach so „Social Media“daran gewöhnt, mit vielem eigentlich Unerträglichen zu leben. Zum Beispiel mit Shitstorms, die mancher über sich ergehen lassen muss. Vor gar nicht langer Zeit habe das vor Entsetzen sprachlos gemacht. Mit Blick auf die „schäbigen Ereignisse“im Februar 2016 im sächsischen Clausnitz, wo ein grölender Mob einen Bus mit einigen Asylbewerbern aufhielt und attackierte, stelle sich die Frage: Warum ausgerechnet bei uns, in einer so reichen Gesellschaft?
Nach weiteren Beispielen aus dem Alltagsleben fasste Hacke zusammen: Fast jeder könne eine Geschichte solcher Art erzählen. In der Summe seien das viel zu viele. Seine Frage: „Warum in unserer Zeit, die weder Not noch Überlebenskampf kennt, ein solcher Zivilisationsverlust?“
Völlig ohne erhobenen Zeigefinger