Jóannes bewohnt Europas ältestes Wohnhaus. Es ist 900 Jahre alt. Darin steht ein Sessel aus Walfischknochen
Was sagt das über eine Inselgruppe aus, wenn noch noch nicht mal Reise-Experten wissen, wo sie liegt? Rückblick: ITB Berlin, die größte Reisemesse der Welt. Levi Hansen steht auf einer kleinen, mit rotem Teppich bezogenen Bühne in einer Messehalle. Hinter ihm, auf einer Leinwand, ein Bild wie aus einem Fantasyfilm. Es zeigt zwei scharfkantige, steil nach rechts abfallende Felsen. Beide ragen gut und gerne hundert Meter hoch aus dem Meer auf. Vor ihm sitzt das Fachpublikum. Reisekaufleute, Touristikunternehmer, Blogger, Journalisten.
„Wie viele von Ihnen können auf Anhieb die Färöer-Inseln auf einer Weltkarte finden?“, fragt er. Nur eine spärliche Anzahl der Zuhörer meldet sich. „Nicht schlimm“, sagt er.
Auf vielen Weltkarten ist an der Stelle nämlich einfach blauer Ozean. Weil nicht einmal „Google Street View“Bilder von den Färöer-Inseln zeigte, montierten die Färinger, wie sie sich nennen, vor zwei Jahren einfach Kameras auf ihre Schafe und schufen so den „Google Sheep View“. Wer wollte, konnte nun aus Schafsperspektive und in 360 Grad die raue Schönheit der Färöer bewundern. Aus dem Marketing-Gag wurde ein riesiger Erfolg. „Wir hatten fast 8000 News-Artikel rund um die Welt, Millionen User konnten wir über das Internet erreichen“, erzählt Hansen in der Berliner Messehalle.
Eins dieser Schafe hat vielleicht Jóannes Patursson aufgezogen. Der vollbärtige 48-Jährige steht, gegen Regen und Wind gelehnt, auf seinem Hof in Kirkjubøur, unweit der kleinen Hauptstadt Tórshavn. Seinen rechten Arm hält er angewinkelt unter einem dunklen, dicken Wollpullover verborgen. „Ein Unfall mit einer Kuh“, sagt er zur Begrüßung.
Patursson ist Farmer hier, bereits in der 17. Generation. Schnurgerade kann er auf seine Familiengeschichte zurückblicken, sie reicht bis ins Jahr 1550. Klar, dass in Jahrhunderten auch die ein oder anderen Charakterköpfe die Ahnentafel bevölkern.
So wie sein Ururgroßvater, der schon den gleichen Namen trug. Wenn die Schafzucht ihm damals Zeit ließ, schrieb Patursson senior. Und er schrieb viel. Gedichte, Bücher, politische Reden. Das machte ihn quasi nebenbei zu einer der schillerndsten Figuren der Inselgeschichte. Er gründete zwei Parteien, komponierte eine berühmte Schlachtballade und legte sich mit der dänischen Krone an, indem er 1888 zusammen mit anderen Gleichgesinnten die bis dahin verbotene färöische Schriftsprache und damit auch die Nation wieder zum Leben erwecken wollte.
Für seinen Ururenkel ist diese lange Familiengeschichte keine Bürde. „Wir kennen es ja nicht anders“, sagt dieser. In Jóannes Paturssons Leben verschmelzen Geschichte und Gegenwart. Nicht nur der Name, auch der Hof mit dem 900 Jahre alten Haus sind untrennbar mit ihm verbunden. „Angeblich ist es Europas ältestes noch bewohntes Holzhaus“, sagt Patursson. Schnitzereien aus der Wikingerzeit weisen darauf hin. Zusammen mit seiner Frau Gudrid und den vier Kindern bewirtschaftet er 800 Hektar nach einem uralten Lehenssystem, was bis heute gültig ist.
Mit einer Tasse Kaffee in der unverletzten Hand setzt er sich auf eine Bank an den langen Tisch in der „Roykstova“, dem feuergewärmten Gemeinschaftsraum, so wie es vor Jahrhunderten schon seine Vorfahren taten. In einer nicht wirklich ausgeleuchteten Ecke, aber alles sehend, blickt als Porträtplastik Jóannes Patursson der Ältere mit ernster Miene in den Raum. Wenn Gäste kommen, so wie heute, setzen sie sich noch immer auf einen der bequemen Schemel, die irgendwann einmal aus den gewaltigen Wirbelsäulenknochen eines Wals hergestellt wurden.
Angesichts dieses langen Atems der Geschichte, der zwischen den halbmeterdicken Holzbalken weht, wirken die gut 20 Jahre, die Färöer mit dem Internet verbunden ist, wie ein paar langsame Wimpernschläge. „Aber es hat alles verändert“, sagt Kurz informiert
● Anreise Die Anreise erfolgt meist mit der Fluglinie Atlantic Airways über den Flughafen Kopenhagen Kas trup. Aufgrund der nordatlantischen Winde kann der Landeanflug ruckelig sein.
● Info Auf die Färöer Inseln aufmerk sam geworden sind viele durch die Projekte „Sheep View 360˚“, https://visitfaroeislands.com/ sheepview360/ und „faroe translate“, www.faroeislandstranslate.com
● Wandern Eine der besten Adressen ist der Wanderführer Pól Sundskar. Buchbar unter www.hiking.fo.
● Unterkunft Ein guter Ort, um die Atmosphäre von Färöer auf sich wir ken zu lassen, ist die Herberge Gása dalsgarurin in Gásadalur.
» In der kleinen Hauptstadt Tórshavn ist das Hotel Føroyar die beste Adresse, www.hotelforoyar.fo. Nicht weit entfernt das Café „Smakka“.