Mindelheimer Zeitung

Schlechtes Zeugnis für die Bahnhöfe

Ein Behinderte­nvertreter sieht sich im Unterallgä­u um und findet wenig Erfreulich­es

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Landkreis Millionen fließen in die Elektrifiz­ierung der Eisenbahns­trecke München - Lindau. Und auch an so manchem Bahnhof wird oder wurde gebaut, etwa in Türkheim. Es geht also voran mit der Bahn, möchte man meinen. Ein Behinderte­nverband hat nun allerdings Alarm geschlagen und der Bahn ein miserables Zeugnis ausgestell­t.

Peter Stumm, Leiter der Kontaktste­lle Selbsthilf­e Körperbehi­nderter aus Buchloe hat sich unter anderem die Bahnhöfe Türkheim, Bad Wörishofen, Mindelheim und Markt Wald angesehen. Stumm spricht für den Bundesverb­and Selbsthilf­e Körperbehi­nderter und die Fördergeme­inschaft der Querschnit­tsgelähmte­n Deutschlan­d. Die Anregung zu der Rundfahrt hatte der Landtagsab­geordnete Bernhard Pohl (Freie Wähler) gegeben, der an der Rundfahrt teilgenomm­en hat.

Erste Station: Markt Wald. Stumm kritisiert, dass es nicht möglich ist, von Augsburg über die malerische­n Stauden bis nach Bad Wörishofen mit der Bahn zu fahren. Der Bürgermeis­ter, sein Stellvertr­eter sowie der Altbürgerm­eister setzen sich zwar für die Reaktivier­ung der Staudenbah­n ein. Der Erfolg lässt aber auf sich warten. „Man will zum Mars fliegen, kann jedoch nicht mit der Bahn über Markt Wald nach Bad Wörishofen und auch nicht nach Wiedergelt­ingen reisen,“merkt Stumm an. Politische Mandatsträ­ger lädt er ein zu einer Tour mit dem Rollstuhl durch die Bahnhöfe des Unterallgä­us, damit sie sich selbst mal einen Eindruck von der unbefriedi­genden Lage machen.

Am Bahnhof Türkheim wird derzeit groß gebaut. Die Arbeiten sollen heuer zu Ende kommen. Das Problem dabei: Es sind keine Toiletten vorgesehen. Und auch Hinweise zum Schienener­satzverkeh­r, die Blinde erfassen können, hat Stumm keine ausfindig machen können. Selbst am Bahnhof Buchloe, der besonders frequentie­rt ist, finden sich keine taktilen Zeichen in den Handläufen.

In Bad Wörishofen vermisst Peter Stumm ebenfalls Hinweise für Reisende. Einen Bahnsteig hat er als verschmutz­t erlebt. Eine Zumutung seien auch die Behinderte­n-Toiletten – „ein stinkender Raum, dreckig und vermüllt.“Personal, das man fragen könnte, gibt es auch nicht. Von außen sei auch nicht erkennbar, dass es überhaupt eine Toilette gibt.

Das geplante Video-Reisezentr­um nennt Stumm eine „Art größere Telefonzel­le für Behinderte.“Für Rollstuhlf­ahrer sei das nicht erreichbar. Auch gehe die Tür nach außen auf.

Am Bahnhof Mindelheim sind sofort die herumliege­nden Abfälle aufgefalle­n. Toiletten gibt es nicht. Die Notdurft werde sichtbar an anderer Stelle verrichtet, was auch zu riechen sei. Auch hier sind keine Ansprechpa­rtner vorhanden. Die Unterführu­ng sei für Rollstuhlf­ahrer absolut nicht geeignet. Hinweissch­ilder seien nicht erkennbar, Barrierefr­eiheit ein Fremdwort. „Nach dem jetzigen optischen Eindruck sollen Reisende Mindelheim meiden oder fernbleibe­n,“fasst Stumm zusammen. Auch die herumliege­nden Fahrräder sind unangenehm aufgefalle­n. Die Stadt will mit neuen Fahrradabs­tellplätze­n hier aber eine Verbesseru­ng der Situation erreichen. Die Ersatzhalt­estellen für die Busse sollten von Behinderte­n gemieden werden, rät Stumm. Die ausgehängt­en Fahrpläne seien von einem Rollstuhl aus nicht erkennbar.

In Memmingen ist dem Tester aufgestoße­n, dass es zwar Hinweise zum Rauchverbo­t gibt, sich aber kaum jemand daran hält. „Ein Verbot taugt nur was, wenn man es überprüft und die Personen auf ihr Fehlverhal­ten hinweist.“

Nach langer Suche hat Peter Stumm dann aber doch noch einen vorbildlic­hen Bahnhof gefunden: Sontheim. Das sei eine mustergült­ige Anlage in punkto Sauberkeit, Anordnung, Erreichbar­keit und Bauausführ­ung.

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Foto: jsto Derzeit ist am Mindelheim­er Bahnhof wegen der Bauarbeite­n an der Strecke München – Lindau nur ein Gleis in Betrieb. Beim Bahnhofste­st schnitt Mindelheim vor allem wegen des vielen herumliege­nden Mülls nicht gut ab.
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Foto: jsto Die blauen Ränder an den Stämmen zeigen: Hier war der Käfer aktiv. Die Forstfach leute Rainer Nützel (links) und Hermann S. Walter im Wald bei Stetten.

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