Mindelheimer Zeitung

Mann begrapscht Elfjährige

Ein Unterallgä­uer kommt der Freundin seiner Tochter zu nahe. Vor Gericht liefert er eine abenteuerl­iche Erklärung

- VON LEONIE KÜTHMANN

Memmingen Lisa S.* und Michelle P.* sind Freundinne­n. Sie chatten viel und tun, was elfjährige Mädchen so machen. Bei der Freundin übernachte­n beispielsw­eise. So auch im August des vergangene­n Jahres. Lisa übernachte­t bei ihrer Freundin Michelle, sie sind bis spät in die Nacht wach und spielen mit Michelles kleiner Schwester Karten auf dem Fußboden. Gegen vier Uhr kommt Michelles Vater Martin P.* nach Hause, setzt sich zu den Mädchen auf den Boden und legt den Arm um Lisa. Als er mit der Hand in das Dekollete des Mädchens fasst, schiebt die Elfjährige seinen Arm weg. Martin P. versucht es noch zweimal, dann fängt er an, den Oberschenk­el des Mädchens zu streicheln.

Handlungen, die nach deutschem Gesetz als sexueller Missbrauch von Kindern gelten. Handlungen, über die Markus Veit sagt: „Elfjährige Mädchen kapieren das sehr wohl, dass so etwas nicht okay ist.“Er ist der vorsitzend­e Richter in der Verhandlun­g gegen Martin P., die vor dem Memminger Amtsgerich­t geführt wird.

Martin P. lebt allein mit seinen vier Töchtern. Dass er die Freundin seiner Tochter unsittlich berührt haben soll, bestreitet er vor Gericht: „Ich kam von der Arbeit und habe alle Mädchen umarmt und begrüßt – an den Busen gefasst habe ich ihr aber sicher nicht.“Auch die Tatsache, dass er Lisa nahe des Intimberei­chs gestreiche­lt haben soll, leugnet er: „Sie hatte so eine Leggins in Jeansoptik an – ich wollte nur den Stoff fühlen.“

Auch darauf erwidert Markus Veit, dass elfjährige Mädchen den Unterschie­d zwischen „einmal den Stoff prüfen“und unangebrac­hten Berührunge­n sehr wohl kennen. „Ja, vielleicht hat sie das geträumt oder so ...“, macht der Angeklagte einen weiteren Versuch.

Ihn belastet jedoch nicht nur Lisas Aussage, sondern auch ein Chat zwischen Lisa und seiner Tochter Michelle. „Ich denke die ganze Zeit an das, was mit deinem Papa passiert ist“, schreibt Lisa ihrer Freundin. „Tut mir Leid, dass mein Vater so dumm ist. Das war so peinlich“, antwortet Michelle. In ihrer Verzweiflu­ng wendet sich Lisa auch per Whatsapp-Nachrichte­n an Michelles ältere Schwester, beschreibt, wie sehr sie der Vorfall noch Tage danach belastet, aber auch, dass sie Angst hat, Michelle wäre sauer auf sie, wenn sie die Geschichte weitererzä­hlt.

Das Mädchen ist deutlich mitgenomme­n – Richter Veit will ihr daher eine Aussage vor Gericht unbedingt ersparen. „Man kann dem Mädchen die Belastung nehmen“, wendet er sich an den Angeklagte­n. „Wenn Sie gestehen, muss sie nicht aussagen.“Martin P. zögert. „Wenn wir das Mädchen vernehmen, kann ich ihnen sicher sagen, dass keine milde Strafe wartet“, betont der Richter. Außerdem würden dann unweigerli­ch die Töchter des Angeklagte­n mit hineingezo­gen. „Das ist irrsinnig, unzumutbar! Kinder sind loyal, für oder gegen den Vater auszusagen, bringt sie in große seelische Not“, erklärt Markus Veit dem Angeklagte­n.

Dieser zögert immer noch. Die Verhandlun­g wird unterbroch­en. Mehrere Male ziehen sich der Richter, Staatsanwa­lt Sebastian Murer und Verteidige­r Michael Bogdahn zurück. Es folgen Gespräche zwischen dem Angeklagte­n und seinem Verteidige­r. Immer wieder reden die Juristen auf den Mann ein. „Ich glaube Ihnen nicht – ich bin überzeugt, dass das so war wie es in der Anklage steht“, so das deutliche Statement des Staatsanwa­lts. Außerdem sei da noch „eine alte Geschichte“aus dem Jahr 2015, die der Richter und der Staatsanwa­lt mehrfach erwähnen. „In einer Verhandlun­g müssten wir auch diesen Planschbec­ken-Mist aufrollen.“Mehrfach fallen Andeutunge­n zu einem Vorfall im Schwimmbad, in dem Martin P. sich offenbar schon einmal unangemess­en verhalten hat.

Nach langen Unterbrech­ungen versuchen die Juristen es mit einem Deal: Eine Freiheitss­trafe auf Bewährung zwischen sechs und acht Monaten und eine „überschaub­are“Geldstrafe. Vorausgese­tzt, Martin P. gesteht. Mehrfach erklären die Juristen dem 41-Jährigen, wie das Ganze funktionie­rt, bis er schließlic­h leise und hastig sagt: „Ja, ich war’s, es tut mir leid.“Ein Geständnis, das dazu führt, dass Richter Veit aus dem Gerichtssa­al eilt und Lisa S. sagt, dass sie nicht aussagen muss. „Da hat man große Erleichter­ung auf dem Gesicht gesehen“, sagt der Richter, als er zurückkomm­t.

Das Urteil für Martin P. fällt so aus, wie im Deal abgesproch­en: sechs Monate Freiheitss­trafe auf Bewährung, 800 Euro Geldstrafe und vom Staatsanwa­lt die eindringli­che Warnung: „Töchter und Freundinne­n sind tabu!“

*Namen von der Redaktion geändert

Er wollte nur mal den Stoff ihrer Leggins prüfen

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