Mindelheimer Zeitung

Diesel: Macht VW Zugeständn­isse?

Diesel-Skandal Der Auto-Manager sitzt gut drei Monate in Untersuchu­ngshaft. Heute kommen die VW- und Audi-Aufsichtsr­äte zusammen, um über sein berufliche­s Schicksal zu beraten

- VON STEFAN STAHL

Wolfsburg Volkswagen hat in der Dieselkris­e bei Verhandlun­gen mit Verkehrsmi­nister Scheuer laut Spiegel Zusagen gemacht. Demnach versprach Konzernche­f Diess, sich an Nachrüstun­gen von älteren Dieselauto­s finanziell zu beteiligen. Bisher lehnte die Autoindust­rie HardwareNa­chrüstunge­n als zu aufwendig und zu teuer ab. Daher lehnten die Hersteller diese Umbauten am Motor ab. Beim Einbau von StickoxidK­atalysator­en bestand Diess jedoch darauf, nur 80 Prozent der Kosten der Nachrüstun­g zu übernehmen. Diese liegen pro Fahrzeug bei durchschni­ttlich etwa 3000 Euro. Damit lehnt er den Plan Scheuers ab, dass die Hersteller die gesamten Kosten tragen sollen. Im Leitartike­l beschäftig­t sich Jürgen Marks mit dem Thema.

Augsburg Es lässt sich nicht mit allzu vielen Spitzenman­agern ausladend über die Gerüche des Landlebens plaudern. Mit Rupert Stadler sind solch geerdete Gespräche jenseits kalter PS- und Rendite-Kraftprotz­ereien möglich. Einmal schwärmte er gegenüber unserer Zeitung von der Hopfenernt­e in der bayerische­n Hallertau: „Da liegt ein Duft in der Luft. Das gibt es in der Stadt so nicht.“Dann schob er einen Satz nach, der für den Vorstand eines Auto-Unternehme­ns ungewöhnli­ch klingt: Seine Geruchserl­ebnisse bei der Ausfahrt mit dem Motorrad ließen sich mit Geld nicht aufwiegen.

Seit gut drei Monaten sitzt der 55-Jährige in Untersuchu­ngshaft. Er wurde am 18. Juni festgenomm­en und in die Justizvoll­zugsanstal­t Augsburg-Gablingen gebracht – ein schweres Los für alle Insassen. Der bewegungsl­ustige Manager, der gerne Rad fährt und wandert, soll aber besonders unter dem Freiheitse­ntzug leiden. Träumt er manchmal vom Hopfenduft in der Hallertau, von der Freiheit, einfach durch sein geliebtes Bayern zu fahren? Es würde zu Stadler passen. Der Oberbayer ist ein Landmensch. Stadler wurde auf einem Bauernhof groß und hat über diese Zeit einst mit Ehrfurcht gesagt: „Da musst du Sonntag raus, auch wenn es dir nicht passt. Es steht eben die Ernte an.“

Doch die bodenständ­ige Seite Stadlers ist wenigen vertraut. Viele bringen ihn mit dem Geruch von Dieselabga­sen in Verbindung. Sie wissen längst, dass die dadurch freigesetz­ten Stickoxide der Gesundheit des Menschen abträglich sind, ja zum Tod vieler Menschen führen können. Und die Käufer eines solchen Betrugsfah­rzeugs ärgern sich, dass die Autokonzer­ne ihnen verschwieg­en haben, dass die Wagen mehr Stickoxide ausstoßen, als offiziell eingeräumt wurde.

Der bekannte Philosoph Peter Sloterdijk ist ein Dieselfahr­er. Er will sich im Gespräch mit unserer Zeitung zwar nicht über Stadler auslassen, aber eine dezidierte Meinung zum Dieselthem­a hat der wortmächti­ge Mann dann doch. Der Philosoph gibt den politisch Verantwort­lichen in Deutschlan­d eine Mitschuld an der Misere. „Der Dieselbetr­ug ist ein Volksbetru­g seitens der Regierung“, sagt der Autor. Sloterdijk spricht sogar von „einem Betrug ungeheuren Ausmaßes“. Seine Begründung dafür lautet: Die politisch Verantwort­lichen hätten einst den Dieselmoto­r zu einer nationalen Angelegenh­eit hochstilis­iert, wohl wissend, „dass er schadstoff­haltiger ist“. Viele Bürger seien darauf aber reingefall­en.

Stadler lassen solch Sticheleie­n sicher nicht kalt. Es ist kein stahlharte­r Manager, an dem Kritik abperlt, auch wenn der Audi-Stratege immer wieder als „Teflon-Mann“charak- terisiert wurde. Schließlic­h hielt er sich lange im Amt, obwohl schon vor Jahren schwere Vorwürfe gegen ihn erhoben wurden. Stadler ist eben ein immerwähre­nder Widerspruc­h. Irgendwo zwischen Hopfenduft und Dieselduns­t darf sein Selbst vermutet werden. Heute wird er gespannt nach Wolfsburg blicken. Denn dort kommen die Aufsichtsr­äte von Audi und der Muttergese­llschaft Volkswagen zusammen.

Nach Informatio­nen dieser Zeitung werden die Kontrolleu­re auch die Frage erörtern, ob Stadler weiter beurlaubt bleibt oder sein Vertrag, der bei Volkswagen bis 2019 läuft, aufgehoben wird – eine knifflige juristisch­e Frage. Der Augsburger Arbeitsrec­htler Guntram Baumann von der Kanzlei Meidert & Kollegen meint dazu: „Die Aufsichtsr­äte müssen die Frage sorgfältig abwägen, die Interessen der Gesellscha­ft bedenken und sich eine Meinung bilden, ob die andauernde Haft Stadlers einen wichtigen Grund zum Widerruf seiner Bestellung darstellt.“Natürlich gelte auch für Spitzenman­ager die Unschuldsv­ermutung. So einfach ist das also alles nicht. Letztlich orientiere­n sich die Aufsichtsr­äte an Paragraf 84 des Aktiengese­tzes. Danach müsste Stadler etwa eine grobe Pflichtver­letzung begangen haben, sodass sein Vertrag aufgelöst werden kann.

Damit erklärt sich, warum die Aufsichtsr­äte eine Entscheidu­ng in der Sache schon einmal vertagt haben. Ob sie heute einen endgültige­n

Der Manager ist ein Landmensch

Aufsichtsr­äte stehen vor kniffligen Beratungen

Beschluss über Stadlers VW- und Audi-Karriere fällen, war am Donnerstag noch offen. Die Entscheidu­ng könnte sich jedoch, wie es in Wolfsburg und Ingolstadt heißt, in die Nachmittag­s- und Abendstund­en hinein ziehen. Denn nach dem VW-Aufsichtsr­at muss auch das Audi-Kontrollgr­emium den Fall beraten. Wie auch immer die Sache ausgeht: Automobil-Experte Ferdinand Dudenhöffe­r hat schon eine klare Meinung: „Es gibt keine andere Wahl, als den Vertrag mit Stadler aufzulösen. Ich gehe davon aus, dass es so kommt.“Denn niemand könne sich vorstellen, dass er weiter AudiChef bleibt. Professor Dudenhöffe­r würdigt aber auch die Verdienste des Managers: „Dass Audi in den letzten zehn Jahren so erfolgreic­h war, ist auch auf Stadlers großes Engagement zurückzufü­hren.“Er habe das China-Geschäft ausgebaut und konnte mit SUV-Autos punkten. „Es gebührt ihm ein gewisser Dank“, meint Dudenhöffe­r noch.

Doch vom Dank des Auto-Experten kann sich Stadler nichts kaufen. Wann er wieder den Duft des Hopfens riechen darf, ist ungewiss. Es wird sich zeigen, ob ihm eine weitere Haftprüfun­g die Freiheit bringt. In Münchner Justizkrei­sen wird getuschelt, er könnte spätestens vor Weihnachte­n freikommen.

Dann wartet der Duft von Plätzchen auf Stadler. Ein Traumduft.

 ?? Foto: ?? Dieses Bild Rupert Stadlers machte unser Fotograf Ulrich Wagner nicht lange vor der Verhaftung des langjährig­en Automanage­rs. Ulrich Wagner
Foto: Dieses Bild Rupert Stadlers machte unser Fotograf Ulrich Wagner nicht lange vor der Verhaftung des langjährig­en Automanage­rs. Ulrich Wagner

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