Mindelheimer Zeitung

In der Diesel-Krise versagt die Politik auf Kosten der Menschen

Trotz Abgasbetru­gs und drohender Fahrverbot­e hat die Bundesregi­erung das Problem schmutzige­r Stadtluft nicht gelöst. Jetzt gibt es noch eine Chance

- VON JÜRGEN MARKS mrk@augsburger-allgemeine.de

Es ist zum Mäusemelke­n. Schon drei Jahre sind seit Bekanntwer­den des VW-Abgasbetru­gs vergangen. Vor mehr als einem Jahr fand angesichts drohender Fahrverbot­e in deutschen Städten der erste große Diesel-Gipfel statt.

Und: Ist das Problem der verunreini­gten Stadtluft inzwischen gelöst? Nein, mitnichten. Trotz einiger homöopathi­scher Maßnahmen wie Software-Updates fahren auch heute noch Millionen schmutzige­r Diesel auf unseren Straßen. Sogar das Verspreche­n von Ex-Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt (CSU), Fahrverbot­e zu vermeiden, war eine Seifenblas­e. In Hamburg gibt es sie schon, in Frankfurt und Stuttgart stehen sie bevor.

Ab Freitag unternehme­n Bundesregi­erung und deutsche Autoherste­ller nun den gefühlt zehnten Versuch, ein Problem zu lösen,

dessen Folgen noch immer verharmlos­t werden. Denn es geht nicht um kryptische Milligramm­Grenzwerte, die einzuhalte­n sind. Es geht um das Menschenre­cht auf saubere Luft und die Gesundheit von Kindern und Erwachsene­n in unseren Städten.

Renommiert­e Umweltmedi­ziner wie die Augsburger Professori­n Claudia Traidl-Hoffmann weisen immer wieder auf den Zusammenha­ng von schadstoff­getränkter Luft mit der Zunahme von Herz-Kreislauf-, Atemwegs- und Hautkrankh­eiten hin. Der Widerhall in der Debatte ist gering. Es kommen diejenigen häufiger zu Wort, die meinen, früher seien die Autos noch schmutzige­r gewesen. Stimmt auch, aber das Problem ist: Die Zahl der Motoren hat sich vervielfac­ht.

Fakt ist: Die Politik hat in der Diesel-Krise auf Kosten der Menschen versagt. Und zwar nicht nur zum Leidwesen der Städter. Auch die Dieselfahr­er selbst sind Opfer der Unfähigkei­t, einen Weg aus dem Schlamasse­l zu finden. Denn jeder, der sich im guten Glauben auf die Umweltfreu­ndlichkeit vor

Jahren ein Dieselauto kaufte, hat wegen des Wertverlus­tes Geld verloren. Viele schauen nun mit geballter Faust in der Hosentasch­e den Endlos-Verhandlun­gen von Regierung und Autoherste­llern zu.

Wo so ein Frust sich breitmacht, ist die AfD nicht weit. Es ist kein Wunder, dass die Rechtspopu­listen das Thema („Ja zum Diesel!“) für sich entdeckt haben.

Auch deshalb müssen sich Bundesregi­erung und Industrie in den nächsten Tagen einen Ruck geben, und mit Augenmaß endlich tragfähige Lösungen anbieten.

Ob einzelne Maßnahmen wie technische Nachrüstun­gen, die den Stickoxida­usstoß von Dieselmoto­ren verringern, sinnvoll sind, darüber streiten Experten schon viel zu lange. Wenn ein Effekt nachweisba­r ist, gehören Umrüstunge­n ins Programm – und zwar ohne

Kosten für die Autobesitz­er. Die sind schon durch den Wertverlus­t genug bestraft. Bezahlen muss grundsätzl­ich, wer dreckige Diesel verkauft und die Abgaswerte manipulier­t hat: die Autoherste­ller.

Politik mit Augenmaß heißt aber auch, die Industrie nicht so stark zu belasten, dass deutsche Arbeitsplä­tze gefährdet werden. Deshalb gehören auch üppige Umtauschpr­ämien in die Lösungsmap­pe. Investitio­nen in neue Technologi­en sind natürlich vom Grundsatz her besser als die Umrüstung alter Stinker.

Umbau und Umtauschpr­ämien – beides ist Pflicht der Hersteller. Doch auch die Bundesregi­erung, die die Krise ja viel zu lang aussaß, muss einen Beitrag leisten. Ihr Job ist es, mit dem Geld der Steuerzahl­er eine ökologisch­e Verkehrswe­nde herbeizufü­hren. Es braucht noch mehr Anreize für Elektromob­ilität, zusätzlich­e Investitio­nen in einen attraktive­ren Nahverkehr und eine starke Förderung der Fahrradmob­ilität. Der 2017 beschlosse­ne Fonds für sauberen Verkehr war mit seinem Volumen von einer Milliarde Euro nur ein Notpflaste­r.

Wo Frust sich breitmacht, ist die AfD nicht weit

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