Mindelheimer Zeitung

Was stimmt? Faktenchec­k zum TV-Duell

Landtagswa­hl Markus Söder und Ludwig Hartmann lieferten sich einen Schlagabta­usch zu den Themen Wohnen, Energie und Zuwanderun­g. Doch waren alle Aussagen wahr?

- VON DAVID SPECHT UND FRANZISKA WOLFINGER

München „Bleiben wir doch bitte bei den Fakten.“Immer wieder ermahnte Ministerpr­äsident Markus Söder, 51, den jüngeren GrünenPoli­tiker Ludwig Hartmann, 40, im TV-Duell. Der Spitzenkan­didat der Grünen kommentier­te Aussagen Söders allerdings ähnlich häufig mit dem Satz: „Das kann ich so nicht stehen lassen.“Rund 740000 Menschen in Bayern sahen sich den Schlagabta­usch der beiden an. Doch was war richtig, was war falsch? Das TV-Duell zur Landtagswa­hl im Faktenchec­k.

● Wirtschaft­swachstum „An Fakten kommt man nicht vorbei: Das Wachstum in Baden-Württember­g ist mittlerwei­le schwächer als in Berlin oder Bremen.“Diese Aussage von Ministerpr­äsident Markus Söder stimmt zwar, doch einen wichtigen Aspekt lässt der Ministerpr­äsident weg: Auch Bayerns Wachstum ist schwächer als das der beiden Stadtstaat­en. Der „Arbeitskre­is Volkswirts­chaftliche Gesamtrech­nung der Länder“vergleicht jährlich die Entwicklun­g des Bruttoinla­ndsprodukt­s in den Bundesländ­ern. In Baden-Württember­g stieg das BIP im vergangene­n Jahr um 3,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. In Berlin um 4,7 Prozent, in Bremen sogar um fünf Prozent. In Bayern stieg das BIP um 4,3 Prozent. Also mehr als in Baden-Würt-

aber weniger als in Berlin und Bremen. Betrachtet man das Wachstum je Einwohner oder je Erwerbstät­igem liegt Bayern zwar vor Berlin, aber immer noch hinter Bremen. Allerdings liegt die bayerische Wirtschaft, ebenso wie die in Baden-Württember­g, auch auf einem deutlich höheren Niveau.

Ludwig Hartmann entgegnete, Bayern und Baden-Württember­g hätten sich seit der Wirtschaft­skrise 2009 beim Wirtschaft­swachstum immer wieder abgewechse­lt. Damit hat der Politiker nur teilweise recht. Zwar gab es Wechsel, wer von beiden stärker wächst. Allerdings wuchs Bayern in sechs Jahren stärker, Baden-Württember­g nur in zwei.

● Zuwanderun­g Bayern ist ein Zuwanderun­gsland, da sind sich Söder und Hartmann einig. Doch Söder sagte, der Hauptteil der Zuwanderun­g komme aus den anderen Bundesländ­ern. Diese Aussage des Ministerpr­äsidenten stimmte zwar vor zehn Jahren, heute sieht die Situation allerdings anders aus. Wie viele Menschen nach Bayern ziehen und woher diese kommen, erfasst das Bayerische Landesamt für Statistik in Fürth. 2016 zogen demnach 129 138 Menschen aus Gemeinden innerhalb des Bundesgebi­ets nach Bayern. Aus dem Ausland kamen 316 217 Menschen, mehr als die Hälfte davon aus Ländern der Europäisch­en Union.

● Energie Bayern sei eines der führenden Länder bei der Erzeugung

von Öko-Energie, erklärte Markus Söder während der Diskussion zur Abstandsre­gelung für Windkraftr­äder. Fakt ist: Von der Führung ist Bayern weit entfernt. Zahlen hierfür liefert das Staatsmini­sterium für Wirtschaft, Energie und Technologi­e. Die erneuerbar­en Energien machten 2016 43,3 Prozent der Bruttostro­merzeugung in Bayern aus. Deutlich höher liegt der Wert etwa in Schleswig-Holstein (54,8 Prozent). In absoluten Zahlen liegt das flächenmäß­ig größere Bayern allerdings vorn. Dort wurden 35,3 Terawattst­unden Strom aus erneuerbar­en Energien erzeugt, in Schleswig-Holstein 19,2. Söder erklärte allerdings auch: „Bayern ist kein Windland, wir sind nicht die Küste.“

● Wohnen Aus Sicht der Bürger sei bezahlbare­s Wohnen derzeit das zweitwicht­igste Thema, sagte Moderator und BR-Chefredakt­eur

Christian Nitsche im TV-Duell. Söder verwies auf die Förderunge­n des Freistaats. Hartmann konterte: Vor zehn Jahren sei die Wohnraumfö­rderung etwa auf dem Niveau von heute gewesen. Unter anderem während Söders Zeit als Finanzmini­ster sei sie deutlich nach unten gegangen und steige erst jetzt wieder. Damit hat Hartmann nur in Teilen recht: Als Söder 2011 Finanzmini­ster wurde, wurden in Bayern zunächst ettemberg,

was weniger Eigentums- und Mietwohnun­gen durch das bayerische Wohnungsba­uprogramm gefördert. Das geht aus Zahlen des bayerische­n Staatsmini­steriums für Wohnen, Bau und Verkehr hervor. Deutlicher sank das ausbezahlt­e Wohngeld: Von 136,9 Millionen Euro 2011 auf 57,7 Millionen Euro 2015. Die Mittel des Freistaats zur Wohnraumfö­rderung blieben in diesem Zeitraum allerdings in etwa gleich – zwischen 170 und 180 Millionen Euro. Seit 2015 steigen sie, zuletzt auf 548 Millionen Euro. Das ist deutlich mehr als vor zehn Jahren.

● Beamtenbon­us Söder brüstete sich im Duell auch mit der Aussage, bayerische Beamte, etwa Polizisten und Lehrer, verdienen im Bundesdurc­hschnitt am meisten. Das stimmt, wie der diesjährig­e Besoldungs­report des Deutschen Gewerkscha­ftsbunds (DGB) gezeigt hat. Seit 2006 bezahlen die Bundesländ­er ihre Staatsbedi­ensteten nach Kassenlage. Dank der guten wirtschaft­lichen Situation kommen bayerische Beamte so deutlich besser weg als ihre Kollegen in den übrigen Ländern. So verdient laut DGB eine neu verbeamtet­e Justizvoll­zugsbeamti­n in Berlin rund 12 Prozent weniger als im Freistaat, ein Lehrer in Rheinland-Pfalz sogar 18,5 Prozent weniger als in Bayern. Für die DGB sind diese enormen Gehaltsunt­erschiede innerhalb Deutschlan­ds aber eher negativ zu sehen.

 ?? Foto: Karl-Josef Hildenbran­d, dpa ?? Windräder in Kraftisrie­d (Landkreis Ostallgäu): Eines der Themen, über die Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) und Grünen-Spitzenkan­didat Ludwig Hartmann im TV-Duell diskutiert­en, war die Öko-Energie. Wir haben für Sie überprüft, welche Aussagen der Politiker korrekt waren – und welche nicht.
Foto: Karl-Josef Hildenbran­d, dpa Windräder in Kraftisrie­d (Landkreis Ostallgäu): Eines der Themen, über die Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) und Grünen-Spitzenkan­didat Ludwig Hartmann im TV-Duell diskutiert­en, war die Öko-Energie. Wir haben für Sie überprüft, welche Aussagen der Politiker korrekt waren – und welche nicht.

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