Wahnsinn der Welt
Tipp des Tages Ein Diplomat muss miterleben, wie sein Land an Hitler verschachert wird
Arte, 20.15 Uhr Der Diplomat spielt Klavier, vor ihm verglüht eine Zigarette im Aschenbecher, ein kleiner Junge im Pyjama starrt ihn an. Dann richtet ein Mann ein Gewehr auf ihn. Jan Masaryk blickt auf. „Das ist ein bisschen düster“, sagt er und lässt sich verhaften. Es ist Oktober 1938 und der tschechoslowakische Botschafter will in den USA in die Irrenanstalt eingeliefert werden.
„Masaryk und der Verrat von München“handelt vom Versuch, den Irrsinn der Geschichte als privates Trauma zu bewältigen. Verraten wird damals die Tschechoslowakei, als Briten und Franzosen Deutschland erlauben, sich Teile der jungen Republik einzuverleiben. Verraten fühlt sich auch Jan Masaryk (Karel Roden) selbst, in den 1930ern zunehmend verzweifelter Botschafter in London, den der Film als kokainsüchtigen Helden champagnergetränkter
Partys zeigt und als Liebhaber blonder Schönheiten.
Der Verrat treibt Masaryk ins Sanatorium, bloß erscheint dort nicht der amerikanische Arzt, den er erwartet. Stattdessen findet er sich bei Dr. Stein wieder, verkörpert vom deutschen Film- und Fernseh-Alleskönner Hanns Zischler („Die fetten Jahre sind vorbei“): einem stoisch-gewitzten deutschen Flüchtling. Nach erstem Entsetzen lässt sich der Diplomat auf die Therapie ein.
In Rückblenden voller Jazz, Marmor und rauchender Männer entspinnt sich nun die Geschichte Masaryks und Europas. Immer wieder fallen Sätze wie: „Keine Sorge, es wird schon nicht so weit kommen.“Andererseits: Was heute wahnsinnig scheinende Geschichte ist, war einst unvorstellbare Zukunft – bis sie Wirklichkeit wurde. (dpa)