Mindelheimer Zeitung

Aus dem Leben einer Society-Reporterin

Interview Marie Waldburg kennt die Reichen und Schönen, die Diven und B-Promis. Was sie von den früheren und heutigen Stars hält. Und wie sich der sogenannte „People“-Journalism­us in den vergangene­n Jahrzehnte­n verändert hat

- Interview: Tilmann P. Gangloff

Frau Waldburg, sind Sie beleidigt, wenn man Sie eine Klatschtan­te nennt?

Marie Waldburg: Beleidigt nicht, aber ich bevorzuge den Begriff Society-Reporterin. Ich habe mich allerdings dran gewöhnt, dass es einen gewissen Dünkel gegenüber meiner Arbeit gibt. Intellektu­elle und Schriftste­ller wie Wolf Wondratsch­ek oder Patrick Süskind wollen nicht in People-Magazinen stehen, weil ihnen das zu klatschig ist.

Dabei behaupten Sie in Ihrem Buch „Meistens diskret“, dass Klatsch heilsam sei. Wie kommen Sie darauf?

Waldburg: Weil die Menschen feststelle­n: Dieser oder jene Prominente führt auch kein perfektes Leben. Die Frau ist ihm weggelaufe­n, er steckt in finanziell­en Schwierigk­eiten oder was auch immer. Der scheinbar entrückte Held ist in Wirklichke­it einer von uns. Das ist meines Erachtens der tiefere Sinn von Klatsch. Ich möchte aber gern noch anmerken, dass mein Buch keine Lobeshymne auf den Klatsch ist. Ich schreibe nicht, dass Klatsch das Größte ist, denn ich weiß natürlich, dass er auch seine Schattense­iten hat.

Woher rührt die Neugier auf die Welt der Reichen und Schönen?

Waldburg:

Ich halte das für zutiefst menschlich. Ich habe gelesen, dass es schon in der Steinzeit Klatsch gegeben hat. Der Mensch schaut einfach gern durchs Schlüssell­och, und da ist das Leben der Windsors natürlich spannender als das der Nachbarn, weil man glaubt, dort ginge es immer noch zu wie im Märchen. Darin mag auch ein wenig Nostalgie stecken, also die Sehnsucht nach jenen Zeiten, als Königshäus­er tatsächlic­h auch Herrscherh­äuser waren. Außerdem hegen die Leute einfach eine gewisse Bewunderun­g für Frauen wie Prinzessin Maxima oder Herzogin Kate.

Haben Sie trotzdem Verständni­s dafür, wenn Prominente diese Sehnsucht nicht bedienen wollen und sich notfalls mit juristisch­en Mitteln wehren?

Waldburg: Im Gegensatz zu den Chefredakt­euren jener Magazine, die von solchen Storys leben, habe ich dafür Verständni­s: Wenn die Tür erst mal offen ist, hat man keinen Einfluss mehr darauf, welche Ecken ausgeleuch­tet werden. In dieser Hinsicht hat sich der Journalism­us mittlerwei­le sehr geändert, weil viele Illustrier­te statt wahrhaftig­er Berichters­tattung viel öfter GerüchteBe­richtersta­ttung betreiben. Wenn sich beispielsw­eise Barbara Schöne-

berger standhaft weigert, ihren Mann vorzuzeige­n, fordert das manche Kollegen erst recht heraus.

Hat sich die Situation durch das Internet noch verschärft?

Waldburg: Das auch, aber vor allem wegen Frauen wie Daniela Katzenberg­er, Sylvie Meis oder Verona Pooth, die überhaupt nur deshalb prominent sind, weil es ihnen gelingt, ständig in den Medien präsent zu sein. Die teilen über Facebook oder Instagram permanent alles mit, was sie gerade treiben. Veronica Ferres macht das im Übrigen auch,

und sie tut sich keinen Gefallen damit. Ernsthafte Schauspiel­erinnen wie Iris Berben oder Hannelore Elsner unterlasse­n das, denn die meisten wirklich Prominente­n wollen nicht mit den sogenannte­n Medienstar­s in einen Topf geworfen werden.

Aber werden sie durch ihr Verhalten für die einschlägi­gen Illustrier­ten und TV-Magazine nicht erst interessan­t?

Waldburg: Ja, das ist ein Teufelskre­is. Selbst wenn jemand bei seiner Hochzeit keine Presse zulässt: Irgendein Gast findet sich immer, der bereit ist zu plaudern und ein paar Fotos zu verkaufen. Anderersei­ts: Als ich bei der Münchner Abendzeitu­ng angefangen habe, waren die Gästeliste­n bei Festen noch hochkaräti­g. Heute sind die Stars solcher Empfänge irgendwelc­he TV-Moderatori­nnen, Blogger oder sogenannte Influencer.

Sie schreiben, die Zeit der Diven sei vorbei, weil diese Frauen heute kein Geheimnis mehr hätten. Aber ist das nicht die Schuld unter anderem Ihrer eigenen Berichters­tattung?

Waldburg: Es gibt die Diven ja noch, aber über das Privatlebe­n von Frauen wie Senta Berger, Iris Berben oder Anna Netrebko erfährt man nicht viel, weil sie anders als Sylvie Meis eben nicht ihren Kleidersch­rank für die Presse öffnen. Zur allgemeine­n Entwicklun­g haben aber vor allem TV-Magazine wie „Brisant“, „taff“oder „Exclusiv“beigetrage­n.

Es gibt also guten und schlechten Society-Journalism­us?

Waldburg: Ja, natürlich. Aber der gute ist nicht mehr so gefragt wie früher. Heute muss alles eher krawallig sein. Scheidunge­n oder Krankheite­n sind den Magazinen anscheinen­d wichtiger als positive Berichte, und zur Not streut man halt ein paar Gerüchte oder Halbwahrhe­iten ein. Allerdings ist der Druck heute auch ein ganz anderer, weil man ständig liefern muss. Du bist ein paar Tage lang der Held, weil du zum Beispiel den jüngsten Fehltritt von Ernst August von Hannover aufgedeckt hast, aber dieser Ruhm verblasst auch schnell wieder. Früher war in den Redaktione­n auch der Neid nicht so ausgeprägt.

Neid und Häme sind ja ohnehin die weniger schönen Seiten Ihres Berufs. Viele Magazine machen jemanden wie Boris Becker erst zum Helden und begleiten seinen späteren Absturz mit unverhohle­ner Schadenfre­ude. Warum?

Waldburg: Das liegt auch am Zugzwang, dem diese Medien ausgesetzt sind. Wenn Bild anfängt, Häme über Boris Becker zu verbreiten, müssen die anderen nachziehen. Dabei bin ich überzeugt, dass die Menschen diese Art von Berichters­tattung überhaupt nicht so sehr schätzen. Häme ist unter den Journalist­en sicher weiter verbreitet als unter den Lesern und Zuschauern. Um bei Becker zu bleiben: Gerade unter den Angehörige­n meiner Generation überwiegt die Meinung, er habe für Deutschlan­d und das deutsche Tennis viel getan. Sollte er tatsächlic­h finanziell­e Probleme haben, weckt das bei den meisten Menschen eher Mitgefühl als Schadenfre­ude.

Und woher rührt die Häme?

Waldburg: Häme und „bad news“, also negative Schlagzeil­en, schlagen leider die „good news“, die positiven Berichte. Was in Redaktions­konferenze­n an Äußerungen über Promis fällt, ist mitunter purer Zynismus. Mir war es immer wichtig, nur zu beobachten und nicht zu werten. Heute wird für meinen Geschmack viel zu oft nicht nur berichtet, sondern auch gerichtet.

 ?? Fotos: teNeues Media, Waldburg/Eickhoff, privat ?? Marie Waldburg schreibt über dieses Foto: „Der Schreibtis­ch voll und die Wand gespickt von Bildern – nach einem Jahr in der Münchner Abendzeitu­ng war ich 1977 im Großraumbü­ro süchtig nach Geschichte­n über spannende Menschen der bayerische­n Hauptstadt.“
Fotos: teNeues Media, Waldburg/Eickhoff, privat Marie Waldburg schreibt über dieses Foto: „Der Schreibtis­ch voll und die Wand gespickt von Bildern – nach einem Jahr in der Münchner Abendzeitu­ng war ich 1977 im Großraumbü­ro süchtig nach Geschichte­n über spannende Menschen der bayerische­n Hauptstadt.“

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