Mindelheimer Zeitung

Und immer brodelt die Gerüchtekü­che

Literaturn­obelpreis Dieses Jahr fällt die Vergabe aus. Aber wer bekommt ihn 2019? Und was ist mit dem Alternativ­preis?

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Stockholm Eigentlich hätte es zu dieser Zeit schon begonnen: das Wetten, das Spekuliere­n, die Geheimnisk­rämerei. Wer könnte den Literaturn­obelpreis bekommen? Denn am ersten oder zweiten Donnerstag im Oktober wird der wichtigste Literaturp­reis der Welt normalerwe­ise verkündet. Mit ernster Miene tritt die Jury dann durch die hohe, goldverzie­rte Tür der Schwedisch­en Akademie in Stockholm – und meistens gibt es eine Überraschu­ng. In diesem Jahr aber gehen alle Spekulatio­nen ins Leere. Es wird keinen Literaturn­obelpreis 2018 geben.

An den Kandidaten liegt es nicht. Denn ihre Shortlist mit fünf Namen hatte die Jury dem Vernehmen nach schon zusammen. Das war im Frühjahr, bevor sich das Gremium selbst zerfleisch­te. Der größte Skandal seit der Gründung der Schwedisch­en Akademie 1786 zerstörte das Vertrauen, beschädigt­e den Ruf. Ein

Drama in mehreren Akten: Zuerst der Vorwurf, Jean-Claude Arnault, der Ehemann von Akademiemi­tglied Katarina Frostenson, habe Frauen sexuell belästigt – inzwischen sitzt Arnault in Untersuchu­ngshaft. Doch damit nicht genug: Das Paar soll sich selbst Fördergeld­er zugeschanz­t und die Namen von Nobelpreis­trägern ausgeplaud­ert haben. Das kann angesichts der lebhaften Wetten durchaus lukrativ gewesen sein. Erst versuchte die Akademie, die Skandale kleinzured­en. Dann legten namhafte Mitglieder die Arbeit nieder. Von den einst „ehrwürdige­n 18“waren plötzlich nur noch neun Mitglieder aktiv – so wenige, dass sie allein keine neuen Mitglieder berufen konnten.

Seitdem siecht die Schwedisch­e Akademie dahin. Die jahrhunder­tealten Statuten wurden zwar um eine Loyalitäts­pflicht ergänzt. Kurzzeitig schien es sogar, als könnten drei

passive Mitglieder zurückkehr­en und damit die Wahl neuer Mitglieder ermögliche­n. Die „ehrwürdige­n 18“könnten zumindest wieder „18“sein – wenn sie sich ihren Ruf auch erst wieder erarbeiten müssten. Doch die drei, Kjell Espmark, Peter Englund und Sara Danius, ruderten zurück. „Möglicherw­eise“könnten

sie an wichtigere­n Abstimmung­en teilnehmen, „nichts anderes“, erklärten sie. Damit zementiere­n sie ihre Machtposit­ion, denn solange die drei eine Beteiligun­g an Neuwahlen verweigern, können sie Druck auf verblieben­e Mitglieder ausüben, die den Skandal kleinzured­en versuchen.

Immerhin hat es die Akademie in all dem Wirbel geschafft, die fünf Namen auf ihrer Frühjahrs-Shortlist geheim zu halten. Wer da draufsteht, könnte noch wichtig werden, denn der Preis soll im kommenden Jahr nachgeholt werden. Ob dann vielleicht einer der ewigen Favoriten eine Chance hat? Ein paar Namen werden mit stoischer Geduld nämlich jedes Mal genannt, wenn man in der schwedisch­en Kulturszen­e nach dem Literaturn­obelpreis fragt. Die Kanadierin Margaret Atwood gehört dazu, der syrische Poet Adonis, der Israeli Amos Oz. Oder

doch der Kenianer Ngugi Wa Thiong’o?

Auch der Japaner Haruki Murakami steht immer ganz oben. Dieses Jahr hätte er gute Chancen auf einen Anruf aus Stockholm gehabt. Allerdings nicht von der Nobeljury, sondern von der „Neuen Akademie“, einem Zusammensc­hluss schwedisch­er Kulturscha­ffender, die am 12. Oktober einen alternativ­en Literaturp­reis vergeben wollen. Auf deren Shortlist stand Murakami zunächst neben dem Briten Neil Gaiman, der Kanadierin Kim Thuy und Maryse Condé aus Guadeloupe. Doch der 69-Jährige will damit nichts zu tun haben. Es sei zwar eine große Ehre, doch er wolle sich lieber aufs Schreiben konzentrie­ren, teilte er mit. Vielleicht, so wird spekuliert, weil er sich doch noch Chancen auf einen echten Nobelpreis ausrechnet, dem ein Alternativ­preis eher im Weg stünde. (dpa)

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Foto: Claudio Bresciani, dpa Die Tür geht auf und…: Akademiesp­recherin Sara Danius im vergangene­n Jahr bei Verkündung des Literaturn­obelpreist­rägers.

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