„Frankenstein“als Tagesroman
Ab morgen Mary Shelleys berühmte Horrorgeschichte in dieser Zeitung
Vor 200 Jahren waren Schriftstellerinnen eine klitzekleine Minderheit. Und Schriftstellerinnen, die mit nur 18 Jahren einen (späteren) Welterfolg zu schreiben verstanden, erst recht.
Eben dies aber gelang der Engländerin Mary Shelley 1816 am Ufer des Genfer Sees, als sie den berühmten Horror- und Science-Fiction Roman „Frankenstein oder Der moderne Prometheus“verfasste. Am 1. Januar 1818 zunächst anonym publiziert, wurde er zur Grundlage eines Mythos – und zur Grundlage zahlreicher Verfilmungen.
Wie es damals dazu kam, dass eine Achtzehnjährige solch einen brisanten Stoff um die Erschaffung einer künstlichen Kreatur mit all den geschilderten dramatischen Folgen ausarbeitete? Sicher haben die gebildeten Eltern der gebildeten Mary Shelley einen Anteil daran. Der Vater: ein Sozialphilosoph sowie der Begründer politischer Anarchie. Die Mutter: Schriftstellerin und eine bedeutende frühe Frauenrechtlerin. Dazu kamen zeitgeschichtliche Phänomene: Erstens die wissenschaftlichen Experimente um Muskelkontraktionen mittels Stromstößen, zweitens die Faszination am Faust’schen Wesen, das im Prinzip sogar mehr noch wissen will als nur das, was die Welt im Inneren zusammenhält.
Und es kam noch ein eher äußerer Umstand dazu, eine Art Wettbewerb, bei dem eine ganze Literatenrunde am Genfer See Schauergeschichten auch deshalb erfand, weil sie aufgrund lang anhaltenden Regens ans Haus gefesselt war. Der berühmteste der Runde: Lord Byron. Und so wurde durch Mary Shelley der begabte Schweizer Viktor Frankenstein in die Welt gesetzt, der an der Universität Ingolstadt Naturwissenschaften studiert und letztlich aus den dabei gewonnenen Erkenntnissen in die Lage versetzt ist, eine künstliche Kreatur zu erzeugen.
Aber wie das so ist, auch bei Goethe: Den Geist, den Viktor Frankenstein ruft, den wird er nicht mehr los. Schlimmer noch: Das Kunstwesen wird verantwortlich für Tod und Mord von Menschen, die Frankenstein nahe stehen – darunter Bruder, Freund, Vater, Braut. Kurzzeitig erwägt Frankenstein sogar, seiner Kreatur eine künstliche Frau beizugesellen, auf dass das Monster ausgeglichener werde. Aber er schreckt wegen möglicher Nachkommen zurück ...
Wie die Sache ausgeht, wird hier natürlich nicht verraten, nur wo. In der Arktis, im Eis. Morgen geht’s los mit unserem neuen Tagesroman, der vor 200 Jahren erschien, dessen Brisanz aber aktuell ist. Stichwort: künstliche Intelligenz.