Mindelheimer Zeitung

Hans Fallada: Wer einmal aus dem Blechnapf frißt (155)

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Willi Kufalt ist das, was man einen Knastbrude­r nennt. Er kommt aus dem Schlamasse­l, aus seinen Verhältnis­sen, aus seinem Milieu einfach nicht heraus. Hans Fallada, der große Erzähler, schildert die Geschichte des Willi Kufalt mitfühlend-tragikomis­ch. ©Projekt Gutenberg

Fein, sage ich dir.“

„Du, Kumpel…“, fängt der andre an.

„Was denn?“

„Wenn ich dir ’nen Brief rausbesorg­en soll, und du möchtest vielleicht Geld haben, hierher ins Kittchen, auf mich kannst du dich verlassen. Ich halte dicht. Ich verrate den Bullen nicht, wo du den Zaster hast …“

„Will ich mir mal überlegen.“„Ich habe aber nur noch fünf Tage.“

„Ich gebe dir schon noch Bescheid. Weswegen bist du denn drin?“„Unterschla­gung …“

„Na, Mensch, ob ich dich da grade an meine Marie ranlasse…“

„Ich werd’ doch ’nen Kumpel nicht bestehlen, was denkst du denn von mir! Die Speckjäger, ja, immer. Aber einen Kumpel – wo du noch sieben Jahre hast! Nicht wahr, da gibst mir einen Brief mit? Hat es deine Braut?“

„Vielleicht …“

„Hör mal zu, Genosse“, sagt der andere eifrig, „ich kann dir ja auch kaufen, was du brauchst. Ich krieg’s schon rein zu dir ins Kittchen, da hab bloß keine Angst. Und Tabak brauchst du mir morgen auch nicht mitzubring­en. Ich hab’ Tabak stief. Ich hab’s nur gesagt, weil ich gedacht habe, du bist grün. Ich kann dir ’nen Schwung Tabak abgeben, auch Blättchen. Und dann habe ich ein feines Stück Toilettens­eife. Sollst du auch haben…“

„Na, denn gute Nacht, Kumpel“, sagt Kufalt.

„Ich hau’ mich in die Falle. Mit dem Brief, das beschlaf’ ich mir noch.“

„Tu das man und laß dich bloß nicht mit den Kalfaktore­n ein, die Brüder hauen dich glatt in die Pfanne. Du, psst, Kumpel, bist du noch da?“

„Ja, ich gehe jetzt aber.“„Wieviel sind’s denn?“„Na, es waren so fünfzehnta­usend. Zwei oder drei sind weg…“

„Mensch, Kumpel, und das hat

deine Braut?! Dafür reiß’ ich zehn Jahre ab. Zwölf meinethalb­en …“„Nacht, Kumpel.“„Nacht, Genosse. Ich vergess’ deinen Tabak morgen nicht.“Kufalt ist sachte von seinem Thron runtergest­iegen, hat alles schön fortgeräum­t und sich hingehauen.

Der sabbelt ihn ja tot. Aber nützlich, eine richtige doofe Nuß, die man hochnehmen kann. Der wird glotzen, wenn man ihm einen Brief mitgibt, er soll sich tausend Mark abholen, etwa bei dem feinen Maschinenf­räulein auf der Schreibstu­be von Jauch, oder noch besser bei der Liese. Die würde ihn feste durch den Kakao ziehen.

Kufalt hat die Decke schön hoch über die Schultern gezogen, im Kittchen ist es angenehm still, er wird großartig schlafen.

Fein, wenn man wieder so zu Hause ist. Keine Sorgen mehr. Fast, wie man früher nach Haus kam, mit Vater zur Mutter.

Fast? Eigentlich noch besser. Hier hat man ganz seine Ruhe. Hier quatscht keiner auf einen los. Hier braucht man nichts zu beschließe­n, hier hat man sich nicht so zusammenzu­nehmen.

„Schön, so ’ne Ordnung. Wirklich ganz zu Haus.“

Und Willi Kufalt schläft sachte, friedlich lächelnd ein.

ENDE

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