Was uns die Plakate sagen wollen
Landtagswahl K!ar.text hat die Wahlplakate im Unterallgäu analysiert – nicht immer ganz ernsthaft
CSU: Kurz mal das Image poliert
Also, man wird doch wohl noch ...? Mh? Ein Selfie, wenigstens eins? Nee, schon klar – Selfies sind für ich-bezogene Instagram-Nutzer, die nur zeigen wollen, wie hübsch sie sind. Wer die eigene Eitelkeit ganz subtil verkaufen will, kann sich eines perfiden Tricks bedienen: Gruppen-Foto mit den #girls machen und einfach das posten, auf dem man selbst am besten aussieht.
Ob das Markus Söders Hintergedanken waren, als er dieses Plakat in Auftrag gab? Bezweifle ich in dem Fall – es gibt ja auch das prominente Portrait-Plakat vom Markus. Ne – er dachte sich wahrscheinlich: Wie kann ich Horsts All-Men-Show vom März ausgleichen? Ihr erinnert Euch? Dieses Foto aller Mitarbeiter in Seehofers „Heimatministerium“, auf dem nur Männer waren? Ganz schön clever von Markus Söder: Einfach vor der Wahl ein Plakat gestalten zu lassen, auf dem es aussieht, als wären Frauen in der bayerischen Regierung zukünftig so überpräsent wie Männer im „Heimatministerium“. Hat ja keiner gesagt, dass man Versprechen, die man vor der Wahl macht, einhalten muss – oder? (lekkü)
Bayernpartei: Rockin’ Retro
Rebooks, Crop Tops, Tattoo Choker – ich gebe zu: Ich find’s cool, dass das alles wieder in ist. Erinnert es mich doch an meine Kindheit in den 90ern, als das Leben noch einfach und schön war. Heute, 2018, hat jeder kapiert: Retro ist in. Wahrscheinlich dachte sich auch die Bayernpartei: Warum nicht auf diesen Zug aufspringen? Also kurz die Plakate von 1990 – und aus allen anderen Jahren – rauskramen und fertig ist der Wahlkampf. Das Motiv ist bei der Bayernpartei ein Dauerbrenner. Schließlich ist es so einfach: Partei-Logo auf Pappe, zack, fertig. Slogans und Fotos werden überbewertet – was soll man auch versprechen, wenn man tief drinnen weiß, dass am Ende der Wahl wieder die Fünf-Prozent-Hürde den Weg versperrt. Mit einem kann sich die Bayernpartei aber über die Enttäuschung hinwegtrösten: Die Plakate kann man ja in fünf Jahren wiederverwenden. Umweltschonender als die Grünen, ökonomischer als die FDP. Wie wär’s damit als Slogan für die nächste Wahl? Lässt sich ja auch auf die bestehenden Plakate draufkleben ... (lekkü)
AfD: Freiheit oder Freizügigkeit?
So. Endlos. Lang. Letzte Schulstunde, heißer Sommertag, du und circa 21 andere motivierte bayerische Schüler leiden. Ja, Schulstunden können sich dehnen, vor allem wenn man sich mit unhandlichen Definitionen rumschlägt. Freiheit, zum Beispiel. Wie definiert ihr das? Auslegungssache. So auch das Wahlplakat der AfD. Hier kann jeder für sich auslegen, wie er Freiheit definiert. Kurzer Blick aufs Bild: Eine Frau in Burka, darunter der Schriftzug „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“. Wer jetzt sagt „Ja, das seh’ ich auch so und Burka will ich nicht tragen“, macht es sich einfach. Kurzer Blick ins Parteiprogramm: Hier wird beispielsweise gefordert, dass Frauen nicht selber bestimmen können, ob sie abtreiben wollen. Auch das vielfach propagierte Mutter-Vater-Kinder-Ideal rückt Frauen in eine bestimmte Position. Ja, Mutter-Vater-Kinder. Plural. Auch sexistische Wahlwerbung war für die AfD in anderen Bundesländern bisher kein Problem: „Burkas? Wir steh’n auf Bikinis“. Seid ihr sicher, dass ihr nicht „Freizügigkeit“statt „Freiheit“auf die Plakate drucken wolltet? Fun fact, liebe AfD: Die Freiheit der Frau beginnt nicht bei der Kleiderordnung, sondern bei der Selbstbestimmung: egal, ob Mutterglück oder Karrierekick, ob Ehe oder Lebenspartnerschaft. Ja, der Begriff der Freiheit ist weitläufig. Am liebsten wäre mir, er wäre so dehnbar, dass er alle Frauen so leben lässt wie sie wollen.
FDP: Sind wir hier im Autohaus?
Betrachtet man dieses Plakat, stechen einem die grellen Farben ins Auge. An sich eine gute Idee der Freien Demokraten, denn durch die bunten Farben fallen die Plakate extrem auf. Allerdings wirkt die Darstellung des Spitzenkandidaten unnatürlich und entfremdend und gibt dem potenziellen Wähler weniger das Gefühl, er würde hier eine wirkliche Person wählen als mehr einen Roboter. Warum gerade diese Darstellung gewählt wurde, ist nicht ganz klar. Wollte die FDP modern wirken und dadurch mehr jüngere Wähler für sich begeistern?
Aber mal ganz abgesehen von den Farben: Was genau will uns dieser Slogan sagen? „Politik mit Neuwagengeruch“. Zunächst einmal steht das Wahlprogramm der FDP unter dem Motto „Frisches Bayern“. Daraus lässt sich schließen, dass die Freien Demokraten generell eine Weiterentwicklung Bayerns in verschiedenen Bereichen anstrebt, unter anderem die Digitalisierung. Auf diese Forderung nach Weiterentwicklung und Modernisierung könnte der „Neuwagengeruch“in der Politik irgendwie hinweisen. Allerdings ist diese Metapher für die Leute, die sich weniger mit Politik beschäftigen, unverständlich und irritierend. (jawe)
Die Linke oder der kleine Lord?
Es ist Wahlkampf und die tägliche Fahrt zur Schule ist gerade etwas abwechslungsreicher durch die vielen Plakate am Straßenrand. Rot leuchten die Plakate der Linken. Das erste Plakat, das ins Auge sticht, birgt ein Statement, das fast jedem gefällt: „Mehr für die Mehrheit“. Eine gerechtere Verteilung von Reichtum wünscht sich wohl jeder, außer den Millionären. Eine nicht ganz so klassische „Mehr für die Mehrheit“-Interpretation kommt von meiner Freundin: Sie denkt dabei nicht an Geld, sondern an Namen. Unter ihrem „keine zwei Vor- namen“-Dasein leidet sie schon immer. Ginge es nach ihr, wären mindestens zwei Vornamen Pflicht. Wer das Privileg hat, ein Dasein mit außergewöhnlichem zweiten Vornamen zu führen, ist Donald Duck: „Fauntleroy“. Ob er mit der Forderung nach „Millionärssteuer jetzt“einverstanden wäre? Ein anderer Fauntleroy, der kleine Lord, wäre es sicher. Er bringt seinen jähzornigen Großvater dazu, seinen Reichtum den Armen zukommen zu lassen.
Unbeirrt von Bedrohungsszenerien fordert Die Linke schlicht Frieden: „Waffenexporte verbieten“. Das wäre eine schöne Welt, in der Konflikte mit Herz und Verstand gelöst werden. Auf der anderen Straßenseite prangt der Schriftzug „Gegen geistige Brandstifter“. Das Plakat ist beschädigt. In unserer Gesellschaft, in der rechtsradikale Theorien wieder salonfähig sind, braucht es klare Haltung. Nehmen wir uns ein Beispiel am kleinen Lord. Von mir aus dürfte er gern in den bayrischen Landtag! (mayp)
Freie Wähler: Vorsicht, Baustelle!
„Ohh, baby, baby it’s a wild world“, sang Cat Stevens einst. Kennt ihr nicht mehr? Macht nichts. Heißt so viel wie: „Da draußen isch’s gefährlich, du Seckl!“Auf jeden Fall lauern selbst im beschaulichen Unterallgäu überall Gefahren. Kleinkriege auf der Autobahn, gefährliche Überholmanöver, Alkohol am Steuer – die Mindelheimer Zeitung hat schon über alles berichtet. Auch der ein oder andere Baustellenzaun kann zur Gefahr werden – einmal zu rasant abgebogen, zack hängt man drin. Dass dieser Zaun auf dem Bild vor dem Wahlplakat der Freien Wähler hängt, ist ein Zufall. Dass ich dieses Plakat der Freien Wähler fotografiert habe, ist keiner. Auch innerhalb der Partei hat sich in den vergangenen Wochen eine Baustelle aufgetan. Alter Asphalt wurde weggerissen, darunter kam etwas zum Vorschein, von dem man nur sagen kann: „Das stinkt zum Himmel!“Nein, die Rede ist nicht von der Kanalisation, sondern davon, dass „alte Verfehlungen“ausgerechnet vor der Wahl plötzlich wieder auftauchen. Wer unsere Zeitung liest, weiß, wovon ich spreche. Oh, baby, baby, it’s wild Wahlkampf. (lekkü)
Grüne: Konkrete Aussagen bitte
„Mut geben, statt Angst machen“– klingt nach WhatsApp-Status. Momentan sieht man diese aussagekräftige Weisheit aber auf den Wahlplakaten der Grünen. Auf den ersten Blick stimme ich sofort zu. Aber: Auf so einem Plakat sollte doch das zu lesen sein, womit eine Partei den Kampf um die Sitze im Landtag antritt. Einige entscheiden sich dafür, lediglich die Kandidaten abzudrucken. Andere nehmen Themen aus ihrem Programm mit aufs Papier.
Bei den Grünen verstehe ich die Zusammenstellung ihres Plakates allerdings nicht: Ich sehe darauf zwei lachende Gesichter und die dazugehörigen Namen, aber nichts, was mich überzeugt, diese zu wählen. Vor allem frage ich mich: Wovor sollte ich Angst haben? Wenn die Partei mit dem Anspruch antritt, mir Mut zu geben, wer nimmt ihn mir denn? Grundsätzlich wirft dieser Slogan mehr Fragen auf, als er beantwortet. Mir persönlich fehlt die konkrete Aussage. Was wollen die Kandidaten erreichen? Wenn ich an die Grünen denke, fallen mir sowohl ökologische als auch soziale Themen ein. Den Spruch „Mut geben, statt Angst machen“, kann ich allerdings überhaupt nicht mit der Partei in Verbindung bringen. (pod)
SPD: Bitte lesen Sie das Kleingedruckte!
Wenn die SPD damit wirbt, anständig zu sein, was sind dann andere Parteien? Dieses Schlagwort könnte wirklich jeder in den Raum werfen. Allerdings entsteht dadurch nicht wirklich eine richtige Aussage. Zu sehen ist auf dem Plakat die Spitzenkandidatin Natascha Kohnen. Aber was will sie sagen? Weiter ist hier zu lesen „Bayerns Politik braucht keine Egoisten. Sondern Zusammenhalt und Menschlichkeit.“Absolut nachvollziehbar, was ich hier sehe. Nur warum steht diese Aussage für die SPD und nicht auch für jede andere Partei? Kohnen wirbt meiner Meinung nach mit einem einzelnen Wort, das in keinen Zusammenhang eingebaut wird. Am meisten kann ich noch mit dem Wort „Zusammenhalt“anfangen. Die Zusammenarbeit der Politiker, auch über die eigene Partei hinaus, ist ausschlaggebend für das Gelingen einer Demokratie. Die Parteien müssen untereinander im Umgang mit schwierigen Themen zusammenhalten. Der Begriff Menschlichkeit steht wohl für die soziale Komponente der Partei. Passt ja auch irgendwie. Trotzdem verstehe ich nicht, warum Anstand ganz oben steht. Manchmal lohnt es sich, auch das Kleingedruckte zu lesen. (pod)
Die Partei: Dein erstes Mal
Das ist so, so aufregend. Also echt! Das erste Mal. Hast Du schon? Die, die hier jetzt eine bessere DoktorSommer-Kolumne erwarten: Geht weiter. Hier geht es um weit Wichtigeres: die Zukunft Bayerns. #govote #gehtwählen #demokratie. Das flutet Deine Insta-Story – und Du hast keine Ahnung, was Du damit anfangen sollst?
Hilfe naht, denn allen Erstwählern sagt Die Partei: Wählt Die Partei, sie ist sehr gut. Und freut sich bestimmt, wenn sie durch Eure Insta-Posts noch mehr Berühmtheit erlangt. Okay, okay, alle Politikinteressierten wissen wahrscheinlich, dass Die Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative – Acronym: „PARTEI“– eine Gruppierung ist, die vom Satiriker Martin Sonneborn repräsentiert wird. Sehr gut ist sie – wenn es darum geht, politische Themen satirisch abzubilden. Ob die Plakate jedermanns Humor treffen? Feinsinnigere Sprüche wie „Damit Bayern nicht zu Kurz kommt“, sorgen sicher beim Bildungsbürger für ein Schmunzeln. Auch „Tief in der Fürchtlingskrise“gibt noch Note 2 in Sachen Wortspiel. Zugegeben, der Spruch auf dem Bild ist nicht so feinsinnig. Aber immer noch besser als das ÖDP-Plakat auf dem obigen Bild. (lekkü)
ÖDP: Hauptsach’ gegen den Strom
Dass man das noch erleben darf: Themen, bei denen die super bayerisch-konservative CSU und die Ökos par excellence, die Grünen, einer Meinung sind. Alles schreit: Go digital! Und die ÖDP so: Nö! „Bildung braucht mehr Lehrer, keine Tablets.“Ich hatte mal einen Lateinlehrer, der mir folgende Begriffe beibrachte: „qualitas“und „quantitas“. Er erklärte uns, dass Nomen, deren Stamm auf T, C oder N endet, weiblich sind. Diese Nomen spielen im Tennis Club Nürnberg und dazu gehören nur Frauen. Eine grandiose Eselsbrücke, er war ein guter Lehrer. Andere waren es nicht. Über die Leistung meines Tablets musste ich mich bisher selten ärgern. Es ist ein hochwertiges Produkt, das immer abliefert. Wäre das doch bei Lehrern dasselbe ... Bildung braucht gute Lehrer und gute Tablets. Qualitas statt quantitas. (lekkü)