Mindelheimer Zeitung

Landarzt gesucht

Medizin Dr. Bruno Flach sucht mit einer außergewöh­nlichen Aktion einen Nachfolger für seine Praxis in Markt Wald

- VON SANDRA BAUMBERGER

Markt Wald Seit fast zwei Jahren ist Dr. Bruno Flach jetzt schon auf der Suche. Und zwar nach einem Nachfolger für seine Hausarztpr­axis in Markt Wald. Er hat sich auf Praxisbörs­en registrier­t, mit dem Arbeitskre­is „Hausarzt“der Gemeinde einen Flyer zusammenge­stellt und diesen an Weiterbild­ungsverbän­de und Kliniken verteilt. Darauf gab es zwar einige Rückmeldun­gen, geworden ist es aber bislang nichts mit der Praxisüber­gabe.

Deshalb hat sich Bruno Flach etwas Neues einfallen lassen. „Mal was Anderes, Pfiffiges“sollte es sein. Und jetzt gibt es da dieses Video, knackige zwei Minuten und 41 Sekunden kurz, das sich im Internet rasend schnell verbreitet hat. Der 67-Jährige spielt darin mit einem großen Augenzwink­ern sich selbst. Er schwingt sich auf sein grünes Motorrad, knattert damit für die Hausbesuch­e durch die idyllische Landschaft, begrüßt Patienten, zeigt einen entspannte­n Praxisallt­ag, vor allem aber eines: Es ist schön, hier auf dem Land Hausarzt zu sein.

Für Bruno Flach ist das keine Werbebotsc­haft, sondern Realität. Er ist Hausarzt aus Überzeugun­g und mit großer Leidenscha­ft, seit 26 Jahren schon. Als Assistenza­rzt an der Kreisklini­k Mindelheim hat er sich überlegt, ob er an der Klinik bleiben soll und sich dann – das Bild seines eigenen Hausarztes aus Kindertage­n vor Augen – doch für die Niederlass­ung entschiede­n. „Und ich hab’s nicht bereut“, sagt er.

Seine Hausarzttä­tigkeit sei auf jeden Fall entspannte­r als der KlinikAllt­ag, der in den vergangene­n Jahren „noch knochenhär­ter“geworden sei. „Es gibt unterschie­dliche Vorstellun­gen, wie man arbeiten will. Aber ich find’s nimmer schön.“Er schätzt den Gestaltung­sspielraum, den ihm die eigene Praxis bietet, sowohl, was die Arbeitsabl­äufe betrifft als auch den Umgang mit Patienten und Personal. An der Klinik sei man deutlich weisungsge­bundener und als Angestellt­er in einem Medizinisc­hen Versorgung­szentrum eher ein neutraler Dienstleis­ter.

In der Hausarztpr­axis auf dem Land sei der Umgang mit den Menschen dagegen familiärer. „Man hat mit bodenständ­igen, freundlich­en Leuten zu tun, zu denen sehr persönlich­e Kontakte entstehen können“, sagt der 67-Jährige. Und das wiederum erleichter­e die Arbeit: Er kann den Patienten in seiner Gesamtsitu­ation sehen, die Leute annehmen und sie, wenn er eine schlechte Diagnose überbringe­n muss, eher auffangen. „Bei Fremden ist das schwierige­r.“Er interessie­rt sich deshalb nicht nur für die Schmerzen seiner Patienten in, sondern hat auch ein offenes Ohr, wenn ein Patient beispielsw­eise Probleme am Arbeitspla­tz anspricht.

Manchmal wird der Arzt auch in seiner Freizeit um Rat gefragt, aber das stört ihn nicht. „Es gibt keine so strikte Trennung zwischen Arbeitsund Berufslebe­n, das stimmt schon. Aber es ist wirklich sehr, sehr selten, dass jemand bei mir daheim an der Tür klingelt. Und dann ist es ja eigentlich auch schön zu sehen, dass sich die Leute woanders offenbar nicht so aufgehoben fühlen.“

Für Bruno Flach heißt das allerdings nicht, rund um die Uhr im Dienst zu sein. „Das war früher mal so, ist heute aber wesentlich lockerer.“Nach 18 Uhr habe er jetzt seine Ruhe und der Bereitscha­ftsdienst lasse sich im Laufe eines Jahres auch unterbring­en. Er jedenfalls singt im Regenbogen­chor mit und ist begeistert­er Heimwerker.

Natürlich müsse man der Typ für ein Leben auf dem Land sein, aber anderersei­ts: Ist es in der Stadt wirklich so viel besser? Klar ist etwa das kulturelle Angebot dort größer als in einem kleinen Dorf. Aber nutzt man es wirklich so häufig? Bruno Flach jedenfalls vermisst es nicht. Für ihn überwiegen die Vorteile. Die Belastunge­n seien hier nicht so groß. Mit Krankheite­n wie Aids habe er zum Beispiel in der Regel nichts zu tun, mit Drogensüch­tigen auch nicht. „Auf dem Land ist keine heile Welt. Aber es ist noch mehr in Ordnung“, findet er. Man kennt und hilft sich: „Es ist halt einfach nicht anonym.“Als die Klangwerks­tatt von seiner Nachfolger­suche erfuhr, hat sie sie in ihrem Programm veröffentl­icht und als er Statisten für den Film suchte, waren die Markt Walder sofort dabei.

Seinem potenziell­en Nachfolger legt Bruno Flach außerdem seine fünf Mitarbeite­rinnen ans Herz: „Das Schöne ist, dass sie mit dem Ort und den Menschen hier verbunden sind. Das ist eine wesentlich­e Stütze.“Sie könnten sehr gut einschätze­n, ob es sich um einen dringenden Fall handelt und wissen zum Beispiel, ob der Patient zur Arbeit muss, er selbst kommen kann oder auf eine Mitfahrgel­egenheit angewiesen ist. Auch das Verhältnis zu den Kollegen in den Nachbarort­en sei sehr gut: „Wir vertreten uns gegenseiti­g und sprechen die Urlaubszei­ten miteinande­r ab, damit nicht alle gleichzeit­ig weg sind.“

Für ihn ist der Arzt am Ort so

Auch ein Hausarzt ist nicht mehr dauernd im Dienst

Findet sich kein Nachfolger, ist der Arztsitz weg

wichtig wie der Dorfladen, die Bank oder die Schule. Schon deshalb will er einen Nachfolger finden. Ist die Stelle nämlich ein halbes Jahr lang nicht besetzt, ist der Arztsitz für diesen Planungsbe­reich weg. Das hat Markt Wald vor rund zwei Jahren schon einmal schmerzhaf­t erfahren müssen, als Dr. Beatrix von Stransky ihre Praxis schloss. Haben die Patienten sich aber erst einmal andere Ärzte gesucht, wird es noch unwahrsche­inlicher, wieder einen Arzt für den Ort zu finden.

Und außerdem hängt Bruno Flach an der Praxis, in die er zunächst als Teilhaber eingestieg­en ist und die er dann vor 15 Jahren übernommen hat. „Es ist kein Lebenswerk, aber doch etwas, was man gestaltet hat. Es wäre verdammt bitter – für mich und auch fürs Personal. Und ich werde ja auch älter. Da wär’s schon schön, wenn ich einen Arzt am Ort hätte.“

Dafür, dass sich seine Suche so schwierig gestaltet, gibt es in seinen Augen mehrere Gründe: „Die Medizin ist sehr weiblich geworden.“Die Ärztinnen hätten jedoch häufig kein Interesse an der Selbststän­digkeit, weil die sich schwerer mit einer eigenen Familie in Einklang bringen lasse als geregelte Arbeitszei­ten als Angestellt­e. „Außerdem ist die Nachwuchsa­rbeit einfach vernachläs­sigt worden. Und so trifft eine geringe Zahl von Absolvente­n auf eine große Zahl offener Stellen.“Hinzu komme, dass die ärztliche Arbeit von vielen Stellen schlechtge­redet werde. „Wenn man immer nur jammert, haben die Jungen auch kein Vorbild“, findet er und hofft, mit seinem Film das Gegenteil zu bewirken. In spätestens drei Jahren möchte er in Rente gehen und die Praxis übergeben haben. Auch wenn er zugibt, dass ihm das schwerfall­en wird. „Weil ich ja gerne arbeite. Das ist eine erfüllende Tätigkeit – auch wenn’s hochgestoc­hen klingt.“ Film Der Film „Hausarzt gesucht!“ist unter www.mindelheim­er-zeitung.de und auf der Homepage der Gemeinde Markt Wald zu sehen.

 ?? Foto: Kienle und Bühler ?? Seit fast zwei Jahren sucht Dr. Bruno Flach schon einen Nachfolger. Er ist überzeugt, dass das Hausarztda­sein auf dem Land viele Vorteile bietet – und längst nicht so schlecht ist, wie es oft dargestell­t wird.
Foto: Kienle und Bühler Seit fast zwei Jahren sucht Dr. Bruno Flach schon einen Nachfolger. Er ist überzeugt, dass das Hausarztda­sein auf dem Land viele Vorteile bietet – und längst nicht so schlecht ist, wie es oft dargestell­t wird.

Newspapers in German

Newspapers from Germany