Wie die regionale Wirtschaft ihr Tempo hält
Weltweit rechnen Experten mit einer Abschwächung des Wachstums. Schwabens IHK-Chef Andreas Kopton ist viel zuversichtlicher: Hierzulande herrsche weiter Hochkonjunktur. Einige Risiken nennt aber auch er
Schwabens IHK–Chef Andreas Kopton vergleicht die aktuelle Lage der Wirtschaft unserer Region mit einer rasanten Autofahrt: „Der Fahrer drückt aufs Gas und beschleunigt auf 200 km/h“, sagte der Präsident der Industrieund Handelskammer bei der Vorstellung der neuen Konjunkturumfrage. „Hat man irgendwann ein Tempo erreicht, bei dem man sich wohlfühlt, bleibt man dabei“, sagt er. Genau so gehe es derzeit der Mehrzahl der Betriebe in unserer Region. „Wir fahren mit gleichem Tempo, beschleunigen nur nicht mehr.“Aus Vollgas werde eine hohe Geschwindigkeit. Die Phase der Hochkonjunktur in Schwaben halte damit an. Die Erkenntnisse sind erstaunlich, zumal eben erst der Internationale Währungsfonds, aber auch führende Institute in Deutschland ihre Wachstumsprognosen nach unten korrigiert haben.
Die IHK kann ihre Zuversicht aber auf harte Zahlen stützen. Sie hat im August und September dieses Jahres 682 Unternehmen befragen lassen – Industrieunternehmen, Händler, große und kleine Betriebe. Das Ergebnis: 63 Prozent davon beurteilten ihre aktuelle Ge- schäftslage als gut. Das ist praktisch genau so viel wie vor einem Jahr. Damals waren es 61 Prozent. Besonders gut sei die Lage im Wohnungsbau, berichtete Kopton. Dort gebe es so viel Arbeit, dass die Betriebe an ihre Grenzen stoßen. Auch der Handel freue sich über den starken Konsum: „Die Leute verdienen Geld und geben es aus“, sagte Kopton. Wenn, dann gebe es die „stärksten Bremseffekte“bei den Industriebetrieben: Dort ging die Zahl der Neuaufträge leicht zurück. „Es ist aber immer noch ein solcher Überhang an Aufträgen da, dass wir kein Problem mit der Auslastung haben“, betonte Kopton.
Nach einem Rekordwert im Frühjahr bewerten die schwäbischen Betriebe in der Summe ihre Geschäftslage also minimal schlechter. Es ist aber nur ein kleiner Knick, wie IHK-Konjunkturexpertin Christine Neumann berichtete: „Seit 2009 ging es bisher nur nach oben.“Und trotzdem sagte auch Kopton, dass einige Risiken für Konjunktur und Arbeitsplätze vorhanden sind.
Ein Hauptproblem ist so bekannt wie ungelöst: Fast 80 Prozent der befragten Firmen hätten Probleme, eine offene Stelle zu besetzen. Der Fachkräftemangel ist inzwischen die größte Sorge der schwäbischen Unternehmen. Kopton begrüßte es deshalb, dass sich die Bundesregierung mit einem Einwanderungsgesetz befassen will.
Schwieriger als bisher laufe auch das Auslandsgeschäft, berichtete der IHK-Präsident, der sich zu Beginn des neuen Jahres der Wiederwahl stellen will, wie er unserer Zeitung sagte. Obwohl sich die USamerikanische Wirtschaft momentan gut entwickelt, wächst die Zahl der Aufträge von dort nicht mehr. Auch der Brexit – der Austritt der Briten aus der EU – mache Europa „hibbelig“. Verunsicherung rufe zudem die Schulden-Politik der neuen Regierung in Italien hervor.
Doch auch an der heimischen Politik haben die Unternehmer anscheinend wenig Freude: Mehr als die Hälfte der befragten Firmenlenker gab an, Angst vor „instabilen politischen Verhältnissen“in Berlin zu haben. Kopton nannte zudem zwei „Kellerängste“, die ihn und die Wirtschaft umtreiben – wie ein Kind, das in den Keller geht.
Einmal ist da die Angst vor steigenden Strompreisen. „Wir appellieren deshalb, an den Kohleausstieg mit Vernunft ranzugehen“, sagte Kopton. „Wir haben die Atomkraft nicht mehr, wir haben die Leitungen noch nicht – bringen Sie das nächste Mal eine Kerze mit“, meinte er scherzend. Fakt sei, dass Deutschland bei den Energiekosten international an der oberen Stelle liege – eine Belastung.
Und dann ist da das Thema Diesel-Fahrverbot: 60000 Arbeitsplätze in Schwaben hängen nach Berechnung der IHK am Auto – vom Zulieferbetrieb bis zur Kfz-Werkstatt. „Gibt es in der Automobilproduktion einen Einbruch, würden viele unserer regionalen Zulieferbetriebe leiden“, sagte Kopton. Für ihn läuft die Diesel-Debatte in die falsche Richtung. Alle älteren Dieselautos, die jetzt in der Kritik stehen, seien in Deutschland regulär zugelassen worden, argumentiert er. Zudem stellte er die Frage, ob viele Messstellen für Stickoxide in deutschen Städten nicht zu nahe an den Straßen stünden. „Wir leben vom Auto. Und ausgerechnet in einem Land, das vom Auto lebt, wird dieses verteufelt“, kritisierte Kopton.