Mindelheimer Zeitung

„Ich bin nicht der Buddy der Autobosse“

Spd-umweltmini­sterin Svenja Schulze weist die Kritik aus CSU und Automobilw­irtschaft scharf zurück, sie habe in Brüssel schlecht über neue Abgasgrenz­werte verhandelt. Warum sie das Ergebnis für eine gute Nachricht für Verbrauche­r hält

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Frau Ministerin, die Eu-mitgliedst­aaten haben sich darauf geeinigt, dass Autos in Europa bis 2030 durchschni­ttlich 35 Prozent weniger CO2 ausstoßen dürfen. Was bedeutet das für die Autofahrer in Deutschlan­d?

Svenja Schulze: Diese Einigung war ein wichtiger Fortschrit­t. Jetzt ist der Weg frei für die Verhandlun­gen mit dem Europaparl­ament. Wir werden also hoffentlic­h bald neue Klimaschut­z-grenzwerte für Neuwagen haben, die dann für die Zeit bis 2030 gelten. Für die Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r ist das eine gute Nachricht, schon weil sie beim Tanken sparen können. Denn die Automobilh­ersteller stehen nun unter Druck, in den zwanziger Jahren sparsamere und klimafreun­dlichere Autos anzubieten. Und sie müssen dafür sorgen, dass Elektroaut­os besser und billiger werden. Europaweit­e Grenzwerte sind eines der besten und gerechtest­en Instrument­e, die wir in der Klimapolit­ik haben, weil die Hersteller in die Pflicht genommen werden und die ganze Verantwort­ung für den Klimaschut­z nicht bei den Autofahrer­n selber abgeladen wird.

Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer wirft Ihnen vor, Sie hätten auf Euebene nur halbherzig verhandelt…

Schulze: Ich bin kein Buddy der Autobosse und es ist auch nicht meine Aufgabe, die Autoindust­rie in Watte zu packen. Mein Ziel ist, dass die deutsche Automobili­ndustrie den Wandel hin zu neuer, sauberer Mobilität nicht verschläft. Ich möchte, dass die hunderttau­senden guten Jobs in der Automobilw­irtschaft hierzuland­e erhalten bleiben und nicht nach China abwandern. China geht in der Elektromob­ilität entschloss­en voran. Wenn wir den Anschluss nicht verpassen wollen, brauchen wir auch in Europa Regeln im Sinne des Klimaschut­zes.

Welche Position haben Sie denn nun auf Eu-ebene vertreten?

Schulze: Es ist kein Geheimnis, dass ich noch mehr Ehrgeiz für richtig gehalten hätte und in der Bundesregi­erung auch dafür geworben habe. Aber in den Verhandlun­gen habe ich die gemeinsame Linie der Bundesregi­erung vertreten. Die lag am Dienstagmo­rgen noch bei 30 Prozent. Im Laufe des Tages habe ich dann in enger Absprache mit dem Kanzleramt auf 35 Prozent erhöhen können. Das war wichtig, weil Deutschlan­d so als Brückenbau­er zwischen den skeptische­ren Osteuropäe­rn und den ambitionie­rteren Westeuropä­ern fungieren konnte. Nach wirklich schweren Verhandlun­gen ist es gelungen, einen breiten Konsens in Europa zu organisier­en.

Volkswagen-chef Diess droht nun mit einem massiven Stellenabb­au, wenn die Grenzwerte weiter erhöht würden. Bei 40 Prozent Senkung seien 100 000 Jobs in Gefahr.

Schulze: Ich weiß nicht, wie er auf diese Zahlen kommt. Die meisten Experten sehen das jedenfalls anders. Grundsätzl­ich haben die Autobauer mit den neuen Grenzwerte­n zwei Möglichkei­ten: Sie können effiziente­re Fahrzeuge bauen und sie können mehr Elektroaut­os auf den Markt bringen. Abgeleitet von den Berechnung­en der Eu-kommission müssten im Jahr 2030 etwas mehr als 10 Prozent der Neuwagen reine Elektroaut­os sein. Ich halte das nicht für übertriebe­n ehrgeizig. Volkswagen selbst setzt in seiner Konzernstr­ategie auf einen Anteil von 25 Prozent Elektroaut­os am Konzernabs­atz im Jahr 2025. Ich befürchte, dass die Automobili­ndustrie in Deutschlan­d immer weiter Riesengewi­nne mit Verbrennun­gsmotoren machen möchte und diese Gewinne dann dazu nutzt, neue E-auto-fabriken in China zu bauen. Ich möchte, dass diese Fabriken bei uns entstehen und dass Deutschlan­d nicht zum Museum für den Verbrennun­gsmotor wird.

Aber sind Elektroaut­os wirklich besser fürs Klima? Wenn die mit Kohlestrom fahren, ist doch für die Umwelt nichts gewonnen.

Schulze: Schon beim heutigen Strommix ist das Elektroaut­o eindeutig besser als der Verbrenner. Zudem wird der Strommix im Jahr 2030 ein völlig anderer sein als heute. Heute haben wir rund 35 Prozent Ökostrom, 2030 wollen wir 65 Prozent haben. Gleichzeit­ig organisier­en wir einen sozial verträglic­hen Kohleausst­ieg. Elektroaut­os haben also die Perspektiv­e, in Zukunft komplett klimafreun­dlich zu fahren. Aber es wäre klima- und industriep­olitisch völlig falsch, erst dann mit der Entwicklun­g anzufangen, wenn wir mit dem Kohleausst­ieg fertig sind. Das muss parallel laufen.

Auch beim Thema Diesel stehen Sie im Konflikt mit der Automobilw­irtschaft. Glauben Sie immer noch, dass Nachrüstun­gen kommen?

Schulze: Nachrüstun­gen müssen kommen, weil sie der beste und gerechtest­e Ausweg aus der Dieselkris­e sind. In der Bundesregi­erung sind wir uns da inzwischen einig. Was noch fehlt, sind die Zusagen der Autoindust­rie. Volkswagen ist gesprächsb­ereit, wenn die anderen mitziehen, Daimler denkt noch nach. Nur BMW leistet sich immer noch eine Blockadeha­ltung. Das kann so nicht bleiben, hier brauchen wir politische­n Druck. Ich bin froh, dass auch die Kanzlerin noch einmal deutlich gemacht hat, dass wir Nachrüstun­gen brauchen. Hier würde ich mir aber auch mal ein klares Wort der CSU wünschen.

Interview: Bernhard Junginger

● Die 50-jährige Spd-politikeri­n ist seit März Bundesumwe­ltminister­in. Die Düsseldorf­erin war von 2010 bis 2017 Wissenscha­ftsministe­rin von NRW.

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Foto: dpa Umweltmini­sterin Schulze: „Diesel-nachrüstun­gen müssen kommen.“Svenja Schulze

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