Wer fliegt raus aus dem Landtag?
Unter den Abgeordneten, die am Sonntag das Maximilianeum verlassen, sind einige Hochkaräter mit teils überraschenden Plänen für die Zukunft. Warum im Parlament künftig noch weniger Frauen sitzen werden als bisher
München Nichts wird mehr so sein, wie es war im Maximilianeum – so viel steht jetzt schon fest, drei Tage vor der Landtagswahl in Bayern. Ungeachtet der aktuellen Umfragen, die der bislang allein regierenden CSU ein denkbar schlechtes Ergebnis und den Einzug von bis zu sieben Parteien in den Landtag vorhersagen, werden mindestens 39 der 180 Abgeordneten ihren Sitz im Parlament räumen. Sie treten nicht mehr zur Wahl an. Darunter sind weitgehend unbekannte Parteisoldaten sowie erfahrene Hochkaräter, Ex-parteichefs und Staatsminister.
Anderen droht dagegen ein unsanfter Rauswurf aus dem Landtag. So beispielsweise Landtagspräsidentin Barbara Stamm, eine der beliebtesten Politikerinnen Bayerns, die in Unterfranken auf Listenplatz eins der CSU geführt wird und es aller Voraussicht nach trotzdem nicht mehr ins Parlament schaffen wird. Ein ähnliches Schicksal droht Wissenschaftsministerin Marion Kiechle (ebenfalls CSU). Sie wurde nicht in den Landtag gewählt, sondern im März von Ministerpräsident Markus Söder ins Kabinett berufen. Jetzt kandidiert sie auf Platz fünf der Oberbayern-liste. An einen Sitz im Landtag ist kaum zu denken.
Schuld sind die vielen Direktmandate im Freistaat, von denen die meisten erfahrungsgemäß an Kandidaten der Christsozialen gehen, gleichzeitig aber dafür sorgen, dass bei einem schlechten Gesamtergebnis weniger Listenkandidaten nachrutschen. Bei der letzten Bayernwahl im September 2013 holte die CSU 89 von 90 Direktmandaten – zwölf weitere Kandidaten der Partei kamen über die Zweitstimmen ins Abgeordnetenhaus. Dieses Jahr gelingt das den Umfragen zufolge womöglich keinem einzigen Listenkandidaten der CSU.
Stamm und Kiechle stehen beispielhaft auch für eine weitere Veränderung im neuen Landtag. Denn allem Anschein nach wird künftig im Maximilianeum auch wieder
deutlich mehr Testosteron in der Luft liegen als bisher. Schon jetzt sind die Reihen der Abgeordneten zu rund zwei Dritteln männlich besetzt – und der Anteil der Frauen wird wohl nach diesem Sonntag sinken. Zum einen liegt das an der CSU, unter deren 91 Direktkandidaten lediglich 20 Frauen sind, und bei der aus genannten Gründen auch keine weibliche Verstärkung von den Listen zu erwarten ist. Doch auch andere Parteien legen offenbar keinen gesteigerten Wert darauf, durch einen besonders hohen Frau-
im Landtag aufzufallen. Allen voran die AFD, die in Oberbayern zwar Katrin Ebner-steiner als Spitzenkandidatin ins Rennen schickt, in den anderen Regierungsbezirken jedoch kaum bis gar keine Frauen auf den vorderen Listenplätzen platziert hat. Bei den Freien Wählern und der FDP sieht es etwas besser aus, mehr als zwei Frauen auf den ersten zehn Plätzen der Liste sind jedoch eine Seltenheit.
Grund genug für die scheidende Landtagspräsidentin Barbara Stamm, in Sachen Frauenquote eine
Kehrtwende zu machen. „Ich war ja immer gegen die Quote, aber heute bin ich völlig anderer Meinung“, sagte die 73-Jährige dem Münchner
Merkur. Grüne und SPD haben bereits eine derartige Quote – abwechselnd stellen sie auf ihren Listen Männer und Frauen auf. In der ablaufenden Legislaturperiode waren dementsprechend beinahe die Hälfte ihrer Abgeordneten weiblich.
Anders als Stamm macht sich deren Parteikollegin Christine Haderthauer schon seit Jahren für eine Frauenquote auf den Kandidatenlisenanteil ten der CSU stark – auch wenn sie selbst darauf nicht angewiesen war, um Karriere im Landtag zu machen. Doch auch diese endet an diesem Sonntag. Haderthauer hat in der CSU eine steile Laufbahn hinter sich. Die „zuagroaste“Anwältin aus Schleswig-holstein vertritt seit 2003 Ingolstadt und die Region im Landtag. Sie war Generalsekretärin, Sozialministerin und zuletzt Leiterin der Staatskanzlei. Als Konsequenz aus der sogenannten „Modellbau“-affäre war sie im September 2014 von ihrem Ministerposten zurückgetreten. Sie blieb Abgeordnete und Ingolstädter Stadträtin. Im vergangenen Herbst kündigte sie – für ihre Parteifreunde überraschend – an, nicht erneut für das Direktmandat kandidieren zu wollen.
Ihr Nachfolger könnte nun der Ingolstädter Kriminalpolizeichef Alfred Grob werden. Was Haderthauer vorhat, ist indes noch nicht bekannt. Nach 15 Jahren hauptberuflicher „Politik im Hochgeschwindigkeitszug“wolle sie noch einmal etwas anderes machen, „neue Herausforderungen suchen“, hatte sie mitgeteilt. Welcher Art diese sein werden, dazu hat sie sich noch nicht erklärt.
Andere aus dem Amt scheidende Politiker sind mit Blick auf ihre Ruhestandspläne auskunftsfreudiger. Erwin Huber beispielsweise, ehemaliger Csu-parteichef, Wirtschaftsund Finanzminister, erklärte, er wolle ein Philosophiestudium aufnehmen, Klavierunterricht nehmen und sich mehr um seine Enkel kümmern. Auf mehr Zeit für sein ausgefallenes Hobby freut sich der amtierende Alterspräsident des Landtags, Peter Paul Gantzer (SPD): Der 79-Jährige will künftig wieder mehr Fallschirmsprünge absolvieren.
Eher einen Gang zurückschalten will dagegen Christian Magerl von den Grünen. „Schee“sei es, dem Landtag nach 27 Jahren den Rücken zu kehren. „Es war eine sehr schöne Zeit – aber irgendwann ist’s dann auch genug“, sagt er und fügt hinzu: „Jetzt sollen’s die Jungen machen. An alten Herrschaften haben wir im Landtag keinen Mangel.“Magerl ist 63 Jahre alt. Das Durchschnittsalter im Landtag lag zuletzt bei rund 53 Jahren.